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Gemischte Gefühle für Gamundia

Dass Häuser miteinander reden, so Julius Mihm, und dass interessierte Bürger und Architekten zusammen mit ihrem Baubürgermeister über Häuser reden, darum ging es bei der Schlussveranstaltung zur Buchausstellung „Baukunst und Stadtentwicklung“.

Dienstag, 25. Februar 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 46 Sekunden Lesedauer

ARCHITEKTUR (brd). Auch bei Julius Mihm, dem Gmünder Baubürgermeister und „lesenden Architekten“ (so eine Selbstcharakterisierung), war es ein Buch, das den damaligen Schüler für Architektur begeisterte: Ein Buch, in dem die Kirche in Ronchamps von Le Corbusier abgebildet war. 150 Bücher hatten Sybille Bruckner-​Schmidt, die Leiterin der Stadtbibliothek, und ihr Team aus ihrem Fundus ausgestellt und Fachmann Mihm stellte einige ihm besonders wichtige Werke kurz daraus vor. Das ging vom Schnellkurs „Architektur“, über didaktische an der Kunstgeschichte ausgerichtete Werke bis hin zur Auseinandersetzung mit der industrielle Fertigung im 20. Jahrhundert und der Suche des Werkbunds nach einer neuen Formensprache. Besonders ans Herz legte er den Interessierten das immer noch aktuelle Buch von Camillo Sitte, „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“Andreas Feldtkellers Werk „Die zweckentfremdete Stadt“ sowie Wolfgang Braunfels‘ „Abendländische Stadtbaukunst“.
Wichtig war ihm zu verdeutlichen, welche Kräfte hinter Entwicklungen stehen und was Leute bewegt habe. Am Beispiel des Gmünder Münsters als Bürgerkirche sah er die Idee der politischen Freiheit und auch schon eine Vorwegnahme eines Credos von Wolfgang Braunfels: „Man muss in der Planung größer denken.“ Und Urbanität habe immer auch mit Bildung zu tun.
Immer wieder ging es um das Thema „Vorher – nachher“. Dazu empfahl er für die Stadt Schwäbisch Gmünd das Buch von Reinhard Wagenblast „Gmünder Ansichten – eine Stadt verwandelt sich“ aus dem Jahre 1998. Der Kulturredakteur der Rems-​Zeitung war selbst anwesend und berichtete darüber, wie er einst als Kind in der Kappelgasse und im Mühlbergle Zeuge von vielen Abrissen und auch mancher neu entstehender „Eiterbeulenarchitektur“ der letzten Jahrzehnte wurde. Mihm und Wagenblast sahen jedoch das reine Erhalten-​Wollen ambivalent.
Nach dem für viele unverzeihlichen Abriss der Villa Kötzschke bewege nun aber besonders dringlich die Frage, wie solches in Zukunft verhindert werden könnte. Mihm berichtete von der Stadt Regensburg, wo alle Baugesuche einen „Gestaltungsbeirat“ überstehen müssten. Dieser Rat habe zwar keine gesetzliche Legitimation, werde mit seinen Abänderungsvorschlägen aber durchaus auch von Investoren ernst genommen.
Mihm sah in Schwäbisch Gmünd Potenzial für mehr bürgerschaftliches Engagement in dieser Richtung und dachte dabei auch an eine reizvolle Aufgabe für den Museumsverein. Er forderte für die Zukunft eine lokale Kultur, in welcher der Geist des sensiblen Umgangs mit der Stadtarchitektur vorherrsche.
Auf die Frage von Architekt Peter Schenk, ob der Baubürgermeister glücklich sei mit den großen Veränderungen im Bereich Bahnhof und Ledergasse („neuer Atem“), ging Mihm noch einmal ausführlich auf die schwierige Entstehungsgeschichte dieser jetzigen Bebauung ein.
Ein klares „richtig“ gab er der Entscheidung, dass die Parkkante am Bahnhofsboulevard – anders als bei der ursprünglichen Planung – bebaut worden sei. „Nicht ganz unzufrieden“ sei er mit der jetzigen Lösung.
Das architektonische Eingehen auf die alte Post sah er jedoch als „nicht gelungen“ an, besonders auch die so nicht geplanten Technikaufbauten auf den Dächern. Der ursprüngliche Entwurf sei „stark verwässert“ worden.
„Gemischte Gefühle“ blieben, aber auch die Hoffnung, dass das Hotelgebäude besser werde. Schließlich könnten große, schöne Bäume das ganze Areal raumbildend ergänzen. Er empfahl erst mal „abwarten“, bis der gesamte Nutzungsverband von der Remsgalerie über das Gold/​Silber-​Gebäude mit seinem rationalistischen Kern und seiner Phantasiehülle („unsere Elbphilharmonie“) bis zum Hotelbau in der Zusammenschau erlebbar würden.
Wo führt die Reise hin? „Urbanität und Leben in der Stadt – Gmünd 2020“ – dieses Projekt bedeute große Anstrengungen hinsichtlich einer atmosphärischen Verdichtung. Die in Schwäbisch Gmünd im Vergleich zu Schorndorf und Aalen große Altstadt müsse besser inszeniert werden. Die Zukunft aber liege im Westen: Von der Lorcher Straße bis zur Krähe sei noch viel zu tun. Positiv gestimmt sah Julius Mihm auf die neu entstehende „Jugendmeile“ nördlich der Bahnhofsgleise. Auf die lichtdurchflutete Unterführung dorthin freue er sich besonders. Er sehe dort eine junge Stadt entstehen, vielleicht mit einer Multifunktionsarena und Sommerkino, alles sichtbar von der Bahn.
Im Zuhörerkreis fehlten sie zwar, die Jungen. Dennoch galt ihnen der letzte Satz zur Stadtplanung: „Wie werden uns noch um die Jugend reißen.“

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