Festival Europäische Kirchenmusik: Regensburger Domspatzen

Kultur

Rems-Zeitung

Schon an der erweiterten Zusatzbestuhlung konnte man wahrnehmen, dass das Münster restlos ausverkauft war und die noch Einlass Begehrenden nicht enttäuscht werden sollten. Dass die Regensburger Domspatzen der Magnet des Kirchenmusik-​Festivals sein würden, war vorauszusehen. Von Peter Skobowsky

Samstag, 25. Juli 2009
Rems-Zeitung, Redaktion
127 Sekunden Lesedauer

KONZERT. Die Regensburger hielten, was sie versprachen. Tradition und Domkapellmeister Roland Büchner waren gleichermaßen deren Garant. Ein Dirigent mit Verve, dem die Knaben „aus der Hand“ sangen, ein wundervolles Programm, das 450 Jahre wertvollster Kompositionen durchmaß und ein verheißungsvoller junger Organist, Regionalkantor Thomas Petersen als Nachfolger von Willibald Bezler an St. Vitus in Ellwangen, boten knappe 90 Minuten intensivsten Musizierens in vier Blöcken des liturgischen Jahresverlaufs. Dass sich Weihbischof Dr. Johannes Kreidler und Dekan Dr. Pius Angstenberger die Ehre des Konzertbesuchs gaben, sei keineswegs am Rande vermerkt.
Vier– bis Achtstimmigkeit der Vokalpolyphonie und –homophonie umschreiben nur äußerlich die Leistung des renommierten Knabenchores. Was da an homogener Klangkultur bis zur differenziertesten Dynamik, an sprachlicher Präzision, an Herzblut zu vernehmen war, kann nur auf dem Humus gründlicher Arbeit gedeihen.
Die 60 Mitwirkenden sangen bei aller musikalischen Spannung dennoch gelöst. Der Charme der Knaben– und Jungmännerstimmen, aller Opulenz abhold, eröffnete einen Klangraum, der förmlich in der ebenbürtigen Architektur Peter Parlers aufging (in der Mehrfachbedeutung des Wortes). Das einzige Sopransolo (des Anonymus) und der Zweitchor im doppelchörigen „O sapientia“ von Vytautas Miskinis belegte fokussierend die Güte einer Stimmpflege, die bei aller technischen Ausbildung ganz dem strömenden Klang gebührende Reverenz erwies. Und dass auch die Jüngsten imstande sind, in wohlverstanden kindlicher Naivität eine Reife der Aussage zu gewinnen, war das beglückende Kriterium des ganzen Konzerts.
Maestro Büchner, der die Chordisziplin nicht zum Selbstzweck verkürzte, gelang deshalb eine wirkliche Exegese der Texte durch alle Stile hindurch. Am Beispiel des letzten Programmbeitrags: Felix Mendelssohn Bartholdys Vertonung des 100. Psalms erfuhr bei Büchner eine syntaktisch bemerkenswerte Gliederung parallel zum folgerichtigen Tempo, wie so noch nie gehört! Dabei hatte seine Interpretation nichts Aufgesetztes. Ganz natürlich, als ob es gar nicht anders ginge, wurde die große Hörergemeinde mitgenommen. Man müsste eigentlich jeden Beitrag kommentieren — dies würde jeden Bericht sprengen. Die unterschiedlichen Genres, die stilistische und intonatorisch traumhafte Sicherheit bis in extreme Lagen oder zur tragenden Achtstimmigkeit, die klingenden Dissonanzen etwa bei Kurt Nystedt, die sinnenfällige Klangrede bei Enjott Schneiders „Sonnengesang“ bzw. die wahrhaft kurzweiligen drei Beiträge von Fritz Schieri im prägnanten Sprachrhythmus oder die Klangweite bei „Kyrie“ und „Sanctus“ von Mendelssohn — ein Hochgenuss folgte dem nächsten, wirklich erbaulich: Herz und Ohr wohltuend und öffnend. Und die Orgelbeiträge: „Pari intervallo“ von Arvo Pärt mit zarten Streichern und Tremulant über dezentem Pedal, Max Regers Introduktion und Passacaglia d-​Moll in typisch romantischer Opulenz ohne gleißende Klangkrone, dafür themenzentrierte Steigerung in entsprechend angemessener Registrierung bis zum erlösenden D-​Dur– Schluss.
Schließlich Johann Sebastian Bachs ausladender Orgelchoral „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr’“ (BWV 662) mit für den Komponisten üblicher Begleitpolyphonie (Prinzipal 8’) und einem aliquoten Cantus firmus mit Tremulant, der gar nicht genug an Kolorierung erfahren konnte.
Das war nur beim Hören „zwischen Himmel und Erde“, inhaltlich purer Himmel — Vorgeschmack der Visio beatifica, der himmlischen Glückseligkeit.