Shakespeare ist sein Lieblingsopfer: Bernd Lafrenz spielt King Lear in der Theaterwerkstatt

Kultur

Rems-Zeitung

Der Wahnsinn ist sein Element, Shakespeare sein Lieblingsopfer. Mit „King Lear“ hat Bernd Lafrenz wieder einmal zugeschlagen, ein Königsdrama allein dargestellt und das Publikum gefordert und mitgerissen.

Donnerstag, 21. Januar 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
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KLEINKUNST (wil). Ausgefeilter in der Umsetzung, literarischer als häufig zuvor präsentierte sich der große Mime in der Theaterwerkstatt.
Etwa zehn Rollen bewältigte Bernd Lafrenz auch diesmal allein und souverän, wechselte die Charaktere nur durch die Kopfbedeckung, machte seine Figuren durch Schlagworte („Steerne ach Steerne!“) kenntlich, focht mit sich selbst oder ließ auch mal eine Lady durch seine rechte Hand darstellen. So kennt man Lafrenz seit vielen Jahren. Wieder waren drei Abende nötig, um in der Theaterwerkstatt allen Platz zu bieten, die sich inzwischen als seine Fangemeinde outen. König Lear gehört sicher zu den weniger populären Stücken Shakespeares, und so verwendete Lafrenz viel Aufmerksamkeit auf den Inhalt und die Details der Umsetzung. Multifunktional wie immer seine Ausstattung – der Thronsessel dient beim Einzug als Pferd, die Samtvorhänge werden zu den Ländereien, der rote Teppich wird zum Demo-​Spruchband umfunktioniert.
Eine multiple Persönlichkeit auch der Hauptakteur: als Puppenspieler präsentiert er ein Stück, durch das er als Hofnarr selbst führt. Und als das Publikum mit verlangtem Applaus für die imaginären Besucher und als Fanfarenchor für den König angewärmt ist, verlagert sich das Geschehen auch auf die Bühne. Lear kämpft und jongliert mit seiner Krone, die zweckmäßig am Galgen über ihm baumelt und empfängt seine Töchter. Während Lafrenz sich als Pferd selbst füttert erscheinen die Töchter, als Quasten an Stäbchen kenntlich gemacht und versichern dem Vater ihre Liebe, nur Cordelia bleibt ehrlich und wird verbannt.
Die beschenkten Töchter sollen nun den König abwechselnd beherbergen, Lear reist mit großem Koffer an, der sich wie eine Zugbrücke aufklappen lässt, und in dem nach und nach die ganze Szene abrollt. Doch so werkgetreu Lafrenz diesmal auch bleibt, irgendwie braucht er die Unterbrechung und so verkündet der Stadtbüttel das Verbot, die Aufführung auf dem Marktplatz fortzusetzen. Womit Lafrenz die Pause einläutet.
Baumstümpfe stellen den Wald dar, in dem Graf Edgar Gloster einem Waldschrat gleich unerkannt herumirrt und in den auch der vertriebene König gerät. Mittels wohl geschnittener Tapetenreste wird dieser Wald im Handumdrehen zum französischen Heerlager, als Cordelia herbeieilt, um dem Vater zu helfen. Und dazwischen purzelt Lafrenz immer wieder aus allen Rollen, so als er sich das Heerlager aus der Ferne des Zuschauerraums selbst einmal anschauen will. Die Kampfszene trägt er mit beiden Armen aus, auf welchen er die Armeen versammelt hat, doch die Sieger können sich nicht so recht freuen. Die beiden Söhne Glosters beenden ihren Streit im Duell, das Lafrenz mit sich selbst ausficht, Lady Regan stirbt den Gifttod auf Raten (schließlich muss sich der einzige Darsteller auch noch um andere Szenen kümmern). Wie ein Bilanzbuchhalter hakt er die Akteure im großen Sterben ab, entledigt sich nach und nach seiner Rollen und verheißt für das nächste Jahr der Widerspenstigen Zähmung.