Ein gelungener Karl-​Valentin-​Abend fand kürzlich in der Theaterwerkstatt statt

Kultur

Rems-Zeitung

Umständlich in seinen Erklärungen, oft begriffsstutzig und dabei genial mit seinen Pointen, so ist Karl Valentin bekannt geworden und geblieben. Das bewies kürzlich die Aufführung des Duos der Württembergischen Landesbühne in der Theaterwerkstatt.

Mittwoch, 17. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
141 Sekunden Lesedauer

THEATER (wil). Lothar Bobbe von der Württembergischen Landesbühne hat über ein Dutzend Szenen und Sketche des großen bayrischen Komödianten ausgewählt und neu montiert und zusammen mit Uta Seraina Schramm damit Premiere gefeiert.
Valentins Zeit und Milieu sind endgültig vorbei, für die junge Generation schon unvorstellbar. Diesen musealen Aspekt hat Bobbe aufgegriffen und seine Handlung wohl überlegt ins Museum verlegt. Zwei Außerirdische landen nachts in einem Ausstellungsraum und erkunden diesen – so nähern sie sich unserer Welt wie dereinst Karl Valentin selbst: zögernd und genau beobachtend, um dann doch die falschen Schlüsse zu ziehen. So war am Freitagabend die Bühne in der ausverkauften Theaterwerkstatt auch reich bestückt, sieben Podeste mit allerlei antiquiertem Alltagsgerümpel von der Sammeltasse bis zum Zylinder, vom Telefon bis zum Bierkrug gaben eine Einstimmung auf so manche Szene. Ute Schramm und Lothar Bobbe wollen Proben mit auf ihren Planeten nehmen und graben bei ihren Versuchen irgendwie Karl Valentin selbst aus. Und für ihn ist nichts, wie es ist, weil es so doch gar nicht sein kann. Metaphysisch schon die erste Szene: Warum hört man im Dunkeln, wenn man doch nichts sehen kann? Der Brief an den Sohn, der bisher noch gar nie geschrieben hat und der in der Aufforderung endet: „Wenn du nicht schreiben willst, dann schreib uns halt, dass du nicht schreiben willst“ ist an Umständlichkeit kaum zu übertreffen und bringt genau die Gedankengänge ans Tageslicht, die heute in Talkshows die Mittagsstunde nicht scheuen. Doch nicht nur Banalität ist Valentins Spezialgebiet, er kann die einfachsten Gedanken auch noch pervertieren. So hat der zur Kur nach Bad Aibling gereiste Gatte seine Uhr vergessen und bittet deshalb seine Frau, ihm doch zu schreiben, wie spät es ist. Ähnlich tiefschürfend die Frage, ob man jemandem, der heute die Zeitung von gestern wollte, auch noch morgen die Zeitung von gestern geben kann und welche es denn dann bitte schön sein sollte.
Nach diesen ausgiebigen Beispielen von Karl Valentins verbalen Fähigkeiten und Nöten dann der Blick ins Milieu und genau in den Brötchenkorb eines Speiselokals. Das „Klagelied einer Wirtshaussemmel“ schildert die ganzen Hand– und Bakterienberührungen, die Gier und den Abscheu, den diese Backware hervorruft, bis sie abends dann endlich von einem Liebespaar verzehrt wird, denn „Liebe macht blind“. Starke Anklänge an Piet Klocke lassen sich in der „Rede an die Versammlung“ erkennen, die Bobbe um eine Botschaft an Barack Obama erweitert hat — natürlich mit einer Übersetzung im klassisch-​ottonischen Waalkesstil.
Familiär dann der Sketch, in dem Elisabeth die Suppe serviert, die selbstverständlich zu heiß ist, zwar von selbst abkühlt aber trotzdem zum handfesten Ehekrach führt. Harmonischer endet dann die Frage, ob es Semmelknödeln oder Semmelnknödeln heißen müsse, wird doch bei den Leberknödeln ein Präzedenzfall gefunden. Vertraut wie kaum eine andere Szene von Valentin ist natürlich der Buchbinder Wanninger, der in der Firma anruft, um die bestellten Bücher abzuliefern. Ganz ohne Hotline und Warteschleife bringt ihn dieser Anruf fast um den Verstand.
Ute Schramm verkörpert hier im 20-​Sekunden-​Takt den jeweiligen Gesprächspartner, gelangweilt oder genervt, hilfsbereit aber ahnungslos oder einfach nicht zuständig. Hier hatte das Duo der Württembergischen Landesbühne die Stimmung geschaffen, wo auch der außerirdische Klamauk nicht mehr störte. Doch leider zischten die beiden Akteure ohne Zugabe ab.