„Der kleine Grinsverkehr“ in der ausverkauften Theaterwerkstatt — eine mitreißende Improvisationsshow

Kultur

Rems-Zeitung

Ob die Schwiegermutter in Norwegen in die Bärenfalle treten soll oder Helmut Kohl Gorbatschow küssen muss – kein Inhalt ist ihnen zu albern, keine Einlage zu schwierig, weder Tango noch Heavy Metall.

Dienstag, 02. März 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
133 Sekunden Lesedauer

THEATER (wil). Wort und Gesang, Stimme und Pantomime, Tanz und Mimik werden gleichermaßen virtuos bedient und das ohne jede Vorbereitung, quasi im Sekundentakt. Eine mitreißende Impro-​Show mit allem, was dazu gehört, boten die vier Damen und der Pianist der Stuttgarter Schauspieltruppe „Der kleine Grinsverkehr“ am Freitag in der ausverkauften Theaterwerkstatt.
In zwölf Einzelszenen zeigten die Akteurinnen ihre Spontaneität und Wandelbarkeit, ihren unerschöpflichen Einfallsreichtum und ihr solides schauspielerisches Können. Immerhin entwickelte sich die muntere Truppe mit ihren etwa zehn Teilnehmern, die in wechselnder Besetzung auftreten, aus einem Kurs der Stuttgarter Schauspielschule, ist aber seit zehn Jahren auf den Bühnen rund um die Landeshauptstadt unterwegs. Nun haben sie auch den Weg nach Schwäbisch Gmünd gefunden und werden sicherlich öfter hier zu Gast sein. Bei ihrem ersten Auftritt kamen sie voll an und rissen die überwiegend jüngeren Zuschauer förmlich von den Sitzen. Albernheiten mit Niveau und überraschenden Gags und Wendungen, Wortwitz und die Beherrschung eines breiten Repertoires schauspielerischer Stilrichtungen zeichnen Kerstin Manz, Margret Augst, Kati Schweitzer und Stephanie Hunger aus. Böny B. am Piano fand in Sekundenschnelle zu jeder Vorgabe den rechten Ton, leitete seine Aktiven musikalisch an oder hechelte ihnen unauffällig hinterher.
Denn dies macht Impro-​Theater aus: es gibt kein Programm, die Szenen haben zwar ein Grundmuster, den Inhalt bekommen die Schauspieler aber erst Augenblicke vor dem Spiel von den Zuschauern. Und die gingen wahrlich aus sich heraus und verlangten alles, worüber sie schon mal etwas auf der Bühne hören wollten. Ob es nun „Zehn kleine Jägermeister“ als Musical werden sollten oder der Asienurlaub zweier lesbischer Freundinnen mit dem Epilog im Himmel als Tango, für das anspruchsvolle Publikum wurde alles möglich gemacht.
Und die Akteurinnen wechselten zwischen Tragödie und Lustspiel, Pantomime und Tanz. Mit kleinen ineinander fließenden Szenen wurde das Prinzip des Impro-​Theaters erklärt, in der Zusammenfassung des Abends, in der schlagartig alle Einzelepisoden nochmals aufgegriffen wurden, fand es seine Vollendung. Da sprachen und sangen sie zu zweit und zu dritt „mit einer Stimme“, d. h. zwei mussten sich auf die schnellste von ihnen einstellen und deren Text anpassen. Da galt es, die eigene Berufsrolle zu erraten, indem eine Mitstreiterin die hilfreiche Gestik übernahm. Da führten zwei ein Gespräch — natürlich zu vorher eingeholten Themen — und eine dritte „übersetzte“ dies in die Gebärdensprache, was anbetrachts des schallenden Gelächters fast notwendig war. Und schließlich lieferten sich die Darstellerinnen als Puppen gar dem Publikum aus und ließen sich marionettengleich bewegen. Sicherlich verfügen die Schauspieler über ein gewisses Repertoire an Strukturen für ihre Szenen, aber trotzdem muss jeden Abend Neues erfunden werden, müssen die teils abstrusen Wünsche des Publikums aufgegriffen und geschickt eingebaut werden und wenn es nur darum geht, in der Marktszene die Wendungen einzubauen, die von den Zuschauern während der Pause auf der Bühne abgelegt wurden. Vielleicht macht gerade dies den Reiz für die Besucher aus, dass man sich einbringen kann und an der Handlung hintergründig beteiligt ist.
Für das nächste Jahr ist wieder ein Premierenabend geplant, man sollte sich den Termin frei halten.