Der Komponist Hans Zender erhält den Preis der Europäischen Kirchenmusik 2011 /​EKM-​Motto: „Träume und Visionen“

Kultur

Rems-Zeitung

Für Hans Zender dürfte es eine Glückszahl sein: Er ist der 13. Preisträger des Festivals Europäische Kirchenmusik.Der mit 5000 Euro dotierte Preis wird ihm am 28. Juli im Heilig-​Kreuz-​Münster übergeben. Der Preisverleihung voraus geht ein Konzert mit WerkenZenders, darunter eine Uraufführung.

Freitag, 21. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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MUSIK (rw). Damit wird heuer wieder ein Komponist geehrt; Hans Zender steht in einer Reihe mit Sofia Gubaidulina, Petr Eben, Arvo Pärt, Krzysztof Penderecki und Dieter Schnebel. Weitere Preisträger waren Dirigenten und Interpreten wie Marcus Creed, Frieder Bernius und Peter Schreier. Ausgewählt wurde Hans Zender vom EKM-​Direktorium unter Vorsitz von Programmdirektor Ewald Liska. Dieser und OB Richard Arnold gaben den Preisträger gestern bekannt.
Hans Zender, geboren 1936, zählt zu den profiliertesten Vertretern der zeitgenössischen Musik, als Komponist und Dirigent, als Hochschullehrer und Verfasser von musikästhetischen und –philosophischen Schriften. Zender wurde 1969 Generalmusikdirektor in Kiel, 1972 übernahm er für mehr als ein Jahrzehnt die Chefdirigentenstelle des Sinfonieorchesters des Saarländischen Rundfunks, außerdem war er von 1984 bis 1987 Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper. Die nächsten drei Jahre wirkte er beim Niederländischen Rundfunk und an der Opéra National in Brüssel. Bis 2009 war er Gastdirigent und Mitglied der künstlerischen Leitung des SWR-​Sinfonieorchesters Baden-​Baden und Freiburg. An allen Wirkungsstätten setzte sich Zender intensiv für die Neue Musik ein, besonders für das Schaffen von Oliver Messiaen, Bernd Alois Zimmermann und Helmut Lachenmann.
Mit dem Kirchenmusikfestival hatte er schon in der Vergangenheit Berührung: vor zwei Jahren, berichtet Ewald Liska, war Hans Zender Jury-​Vorsitzender des Kompositionswettbewerbs, und mit Liska führte er Gespräche über ein „Lieblingsprojekt“, eine Kirchenoper mit dem Titel „Der verlorene Sohn“ – wegen der hohen Kosten kam sie bislang nicht zustande.
Zenders Komponieren bewegt sich vor einem offenen Horizont, „mein Inneres zwingt mich von Werk zu Werk, auf die komplexe Situation der Gegenwart mit immer neuen ästhetischen Fragestellungen zu reagieren.“ Beispielhaft dafür dürfen die „Logos-​Fragmente“ Nr. 7 und Nr. 8 stehen, die beim EKM-​Festival uraufgeführt werden. Ausführende sind das SWR-​Vokalensemble Stuttgart und das SWR-​Sinfonieorchester Baden-​Baden und Freiburg unter der Leitung von Emilio Pomárico. Ferner erklingen Zenders „Schubert-​Chöre“ sowie die Sinfonie h-​Moll von Franz Schubert, die „unvollendete“. Weitere Aufführungen der Logos-​Fragmente folgen in Donaueschingen und Berlin.
Unter den namhaften Komponisten der Gegenwart gehört Zender zu jenen, die am konsequentesten und beharrlichsten verschiedene Möglichkeiten eines „pluralistischen“ Komponierens ausloten, den Bezug zur und die Auseinandersetzung mit der Tradition aber nicht aufgeben.
Von Beginn an war Zenders Karriere als Dirigent von reflektierender und schöpferischer Tätigkeit begleitet. Von 1988 bis 2000 war er Professor für komposition an der Musikhochschule in Frankfurt. In seinem umfangreichen Oeuvre dominiert die Vokalmusik, in der seine Auseinandersetzung mit der Mystik aufscheint. Genau so wenig scheut er den experimentellen, collageartigen Ansatz; Mythos und Logos, Affekt und Kalkül, beides findet man bei ihm.
Der sich derzeit rundende „Logos-Fragmente“-Zyklus ordnet Zender Orchester und Sänger in drei Gruppen an. Die Texte stammen aus gnostischen Schriften und aus dem Johannes-​Evangelium. In der Interpretation älterer Musik lässt sich Zender von Heraklits Satz leiten, dass man nie in den selben Fluss steige: Bei jedem (Wieder-)hören eines Musikstückes entsteht durch die Erinnerung ein neuer Eindruck. Zender reagiert darauf mit „komponierten Interpretationen“ – Schuberts „Winterreise“ wird so neu erfahrbar, auch die „Schubert-​Chöre“ des Preisträgerkonzertes gehören in diesen Zusammenhang. In Ewald Liskas Worten entsteht daraus eine „Tradition mit Zukunftsperspektive“.