„Microships“ – die winzigen Papierschiffchen von Peter Koppen und die Fotografien von Harald Berlinger

Kultur

Rems-Zeitung

Papierschiffchen hat jeder schon gefaltet, vielleicht schon ganzeFlotten in größeren Wasserlachen vom Stapel gelassen und anschließendversenkt. Man kann auch Kunst daraus machen – mit einem Augenzwinkern.

Samstag, 22. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
119 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (rw). An dieser Parodie des Technik– und Ingenieurswesens mit den Mitteln der Kunst hat nicht nur der hierorts häufige Metallverarbeiter seine Freude. Peter Koppen stellt „Microships“ in einem industriellen Prozess her, daran lässt die Produktbeschreibung keinen Zweifel: „Microships werden vorwiegend in 7 Größen produziert, nach DIN-​kompatibel, 15 Faltvorgänge sequenziell. Arbeitswerkstoff: Papier. Werkzeug: Biometrisch-​optisch gesteuerte Zwillingsgreifeinheit, Humankeratin geschliffen.“
Humankeratin geschliffen? Zwillingsgreifeinheit? Das gehört schon zur „Volltext-​Performance“ von Peter Koppen, die auch solistisch zu haben ist. Wobei man schon ins Staunen kommen kann: Der 63-​jährige Künstler aus München hat die Hand voller Papier. Allerdings Blättchen im Format A 13. Kantenlänge: 0,92 auf 1,31 cm. Andere werfen so etwas als Konfetti. Dann beginnt die Zwillingsgreifeinheit zu arbeiten, vulgo: die Pratzen. Mit den Fingernägeln – eindeutig geschliffenes Humankeratin – faltet er das Werkstück unter beständigen Erläuterungen des Vorgangs zum Halb-​Zentimeter-​Schiffle. Das Microship wechselt den Besitzer – und schon ist Peter Koppens Plan ein Stück weiter Realität: die Eroberung der Welt durch Microships.
Von denen hat er seit seiner Kindheit in Ellwangen eine wohl unüberschaubare Menge geschaffen, die jüngsten Produktvarianten und Baureihen – auch in größeren Formaten – sind in der Stadtvilla zu besichtigen, wo eine Ausstellung am Donnerstag eröffnet wurde. Dabei ist Peter Koppen eine Koproduktion mit einem anderen findigen Menschen aus Ellwangen eingegangen: mit dem Fotografen Harald Berlinger. Dieser schuf eine Fotoserie mit dem Titel „Microships entdecken die Erotik.“ Was ist denn ein weiblicher Körper mit seinen Wellen und Wogen anderes als ein Meer, geschaffen, um darauf Papierschiffchen auf große Fahrt gehen zu lassen?
Koppen hat ein bewegtes Leben vorzuweisen und kam weit herum – 20 Jahre lang davon als Busfahrer bei den Münchener Verkehrsbetrieben, wo er die „Ausrüstung städtischer Omnibusse mit Microships“ vorantrieb. Doch zwei Jahre verbrachte er auch als Gabelstaplerfahrer, Bankangestellter und (auch schon) Busfahrer in Australien, eher er anno 1970 mit der „Achille Lauro“ nach Southampton zurückdampfte. Worauf er in Berlin Volkswirtschaftslehre studierte – zweifellos dürfte die Verbindung von Theorie und Praxis eine gute Voraussetzung für eine Industriekarriere gewesen sein. Wenn auch hier aller Anfang schwer war, wie der erste Versuch Peter Koppens beweist. Auszug aus seiner Vita: „1961: Erste selbstständige Tätigkeit in der Rüstungsindustrie. Verkauf von handgefertigten Drahtschleudern an Klassenkameraden. Baldiger Rückzug aus diesem Geschäft wegen befürchteter Produkthaftung.“ Mit seinen „Zentral– und Wirbelschaltungen“ braucht er derlei nicht zu befürchten – die hängen friedlich an den Wänden: Zu Kreisen, Mustern und Mäandern arrangierte und auf Flächen aufgeklebte Schiffchen hinter Glas, anzuschauen wie Schmetterlinge in der Sammlervitrine. Schön und heiter, bei aller Harmlosigkeit von einer Hintergründigkeit, die den Wortmüll technokratischer Wichtighuber so wegbläst wie der Wind ein Papierschiffchen im Meer.

„Microships“ von Peter Koppen und Fotografien von Harald Berlinger, Stadtvilla Parlerstraße, bis Ende März.