Bernd Lafrenz schlüpfte in der Theaterwerkstatt in ein Dutzend Rollen und zähmte die Widerspenstige

Kultur

Rems-Zeitung

Fast ein Dutzend Rollen waren es wieder, die der großartige Bernd Lafrenz allein bewältigte, eine Shakespeare-​Komödie in knappe zwei Stunden drängte und gleich zwei Widerstrebende bändigte. Alles in der Theaterwerkstatt im Spital.

Samstag, 29. Januar 2011
Andreas Krapohl
123 Sekunden Lesedauer

THEATER (wil). „Der Widerspenstigen Zähmung“ stand in diesem Jahr auf dem Programm in der Theaterwerkstatt, und mit viel Liebe zum Detail bestach Lafrenz sein getreues Publikum.
Natürlich denkt jeder an die widerborstige Katharina, eine Furie, die jeden Galan in die Flucht schlägt und somit ihrer hübschen Schwester Bianca die Hochzeit verdirbt. Doch dass die Komödie eine Rahmenhandlung in einer englischen Pinte hat, ist wohl nur den wenigsten bewusst. Genau diese greift Lafrenz auf und schlüpft diesmal vor allem in die Rolle des Säufers Sly, der die ganze Geschichte erzählt. Dies gibt dem Mimen die Freiheit, einzelne Rollen auszuleben, sich in Details zu ergehen und sein Publikum mit diesen Raffinessen zu fesseln. Aber es gibt ihm auch die Chance, ganze Passagen zu überspringen, zu verfremden und eigene Akzente zu setzen, welche die Komödie auf seine Fassung als Ein-​Personen-​Stück zuschneiden. Ein Überseekoffer, ausgestattet als Minibar, stellt die Wirtschaft dar, in der Sly noch einen letzten Drink begehrt. Mit einer Handbewegung lässt sich der bettelnde Dialog ums Aufmachen und Geschlossensein veranschaulichen, die Überraschung der Zuschauer ist perfekt, das Aufwärmen geglückt. Nun wird dem Barmädchen Jenny als Dank eine Geschichte angekündigt — von einem alten König mit drei Töchtern, und die Finte mit King Lear wirkt bei den überraschten Zuschauern. Es sind eben die kleinen Pointen, die Lafrenz einstreut, die ihn bei aller Comedy zum niveauvollen Schauspieler machen.
Das heute allgegenwärtige Telefonvoting spiegelt er in einer Umfrage über die Beliebtheit seiner Töchter wider, und das Publikum ist gleich wieder mitten in der Handlung. Aber man kennt eben seinen Lafrenz, und als er in der Rolle des Lucentio von Pisa angeritten kommt, wird das Hufgetrappel auch ohne Aufforderung angestimmt. Zum Dank hebt der Mime dann das Bein und die Eingeweihten wiehern begeistert drauflos. Gelernt ist eben gelernt!
Mit Requisiten erweist sich Lafrenz diesmal sparsam, dafür sind es wieder die Gesten und die Mimik, welche die zahlreichen Personen verkörpern. So stützt sich der alte Freier Gremio auf seinen Elfenbeinstock und Brautvater Baptista ist an seiner hängenden Unterlippe zu erkennen. Mit viel Situationskomik werden die einzelnen Brautwerber eingeführt und schließlich in Petruchio auch ein Kandidat für die widerspenstige Katharina gefunden. Sind die auftretenden Männer bisher durch leere Weinflaschen symbolisiert worden, werden die Schwestern durch bauchige Chiantiflaschen mit viel Spitzen und Tüll dargestellt.
Katharinas Zähmung wird stilecht in die Arena verlegt, die Flaschen bilden das Halbrund des Kampfplatzes und zu Paso doble Klängen wird ein feuriger Stierkampf inszeniert. Auch die Vermählungsszene erheitert durch ihre Ausgestaltung. Zwei leere Weinkisten und drei Flaschen werden zum Altar — und durch einen Korkenzieher wird das Kreuz aufgesetzt! Diese Gags sind Lafrenz Stärke, diese raffinierten Feinheiten in der Inszenierung, diese Treffsicherheit im Detail. Dies bleibt bei den Zuschauern haften wie das Hufgetrappel, dies weckt den Wunsch nach mehr. Lafrenz kommt nächstes Jahr wieder.