Die Stuttgarter Hymnus-​Chorknaben führten die Johannes-​Passion von Johann Sebastian Bach in der Augustinuskirche auf

Kultur

Rems-Zeitung

Geniale Musik, die mit zumKunstvollsten gehört, was der Barockhervorgebracht hat. Es muss dieLeipziger damals zutiefst aufgewühlt haben, als am Karfreitag 1724 Johann Sebastian Bachs „Johannespassion“ erstmals erklang.

Dienstag, 12. April 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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KONZERT. Es ist ein Kreuz mit Bachs Passion: Spannungsreich mit einem Gefüge aus pochenden Basstönen, kreisenden Streicherfiguren und schmerzlichen Dissonanzen der Holzbläser hebt das Werk an. Aber wenn man die Passion durchgeht, ist sie voll wunderbar Musik. Ergreifende Choräle neben dramatischen Turbae-​Chören und für jede Stimmlage formidable Arien.
Die Lasten bei einer Aufführung der „Johannespassion“ sind allerdings ungleich verteilt: Der Tenor, der die Leidensgeschichte Christi nach den Texten des Johannes-​Evangeliums vorträgt, und ein gemischter Chor bringen den größten Teil des biblischen Geschehens zu Gehör.
Am Samstagabend übernahmen Julius Pfeifer (Tenor) und die Stuttgarter Hymnus-​Chorknaben sowie weitere Solisten unter der Leitung von Rainer Johannes Homburg in der Augustinuskirche Schwäbisch Gmünd diese Rollen. Unbefangen, eindringlich und über alle Maßen intensiv ging es dabei gewissermaßen zurück zu den Anfängen, als die Passion als Teil der Karfreitagsliturgie die Aufgabe hatte, die Ereignisse von damals erleb– und erfühlbar zu machen. Die Gläubigen sollten berührt, ja erschüttert werden, gleichzeitig sollte dem Leid und der Erniedrigung Jesu dessen göttliche Majestät gegenüber gestellt werden.
Mit Julius Pfeifer hatten die Hymnus-​Chorknaben dafür einen ausgewiesenen Profi gewinnen können. Denn schon öfter trat er als Evangelist in den Bach’schen Passionen – sogar in Japan — auf und hat mit namhaften Dirigenten zusammengearbeitet. Seine klare Stimme und exzellente Aussprache erlaubten es, auch in den hintersten Bankreihen der Augustinuskirche die Bibeltexte zu verstehen. Geradezu beklemmend dagegen war sein Bericht von der Geißelung des Heilands. Mit gleich bleibender Klarheit und differenziertem Ausdruck setzte er die Historie um und verlieh dem Geschehen die nötige Spannung. Aber auch die Hymnus-​Chorknaben überzeugten durch klare Artikulation, sprachliche Ausdruckskraft und sorgfältige Phrasierung. Rainer Johannes Homburg ließ seinen Chor mit schneidender Schärfe und tatkräftig, unterstützt vom routiniert-​sicheren Orchester in den Chorälen agieren, und die jungen Sänger wiederum stürzten sich mit beeindruckender Präzision und erstaunlicher Sicherheit in das mitunter von Bach als pure Hysterie konzipierte Geschehen. Viel Spannkraft hatte etwa der Chorsatz „Lasset uns den nicht zerteilen“ der um den Rock Jesu würfelnden Kriegsknechte.
Und auch Aufregung, Verzweiflung, Klagen oder Hoffnung, wie beispielsweise in den Chorälen „Christus, der uns selig macht“ oder „Durch mein Gefängnis, Gottes Sohn“ konnten die Hymnus-​Chorknaben überzeugend darbieten. Anfangs– und Schlusschor kamen als homogen gesetzte, monolithische Gebilde daher, die dem Ganzen den Rahmen gaben. Weniger gefordert waren in diesem Werk die anderen Gesangssolisten, für die Bach nur kurze Auftritte vorgesehen hat. Deswegen aber keineswegs minder versiert waren dies Susan Eitrich (Sopran), Thomas Riede (Alt), Thomas Scharr (Bass,Christus-Worte) und Markus Köhler (Bass, Arien). Auch die Rolle des Orchesters, welche die Handel‘s Company in bester Form ausfüllte, war eher zweitrangig: Als Basso continuo gab es den harmonischen Rahmen vor. Ein lang anhaltender Applaus belohnte die Interpreten für ihren mehr als zwei Stunden dauernden Auftritt.