Quadratisch. Praktisch. Kunst. Die Sammlung Marli Hoppe-​Ritter – Die kunstvollen Täuschungen von Hans Jörg Glattfelder

Kultur

Rems-Zeitung

Die Ausstellung „Quadratisch. Praktisch. Kunst. Die Sammlung Marli Hoppe-​Ritter zu Gast in Schwäbisch Gmünd“ begeistert im Museum im Prediger derzeit das Publikum – aber auch zahlreiche Künstler, die in der Ausstellung vertreten sind und sich die Werkschau angeschaut haben. Zu diesen zählt auch Hans Jörg Glattfelder.

Donnerstag, 08. September 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
93 Sekunden Lesedauer

AUSSTELLUNG (sv). Er bedankt sich im Besucherbuch „für die schöne Hängung meiner unquadratischen Bilder“.
Wenn Hans Jörg Glattfelder seine Bilder „unquadratisch“ nennt, spricht daraus sein erfindungsreicher und experimentierfreudiger Umgang mit mathematisch-​geometrischen Gesetzmäßigkeiten. Kann etwas Gerades gleichzeitig auch krumm sein? Bei Hans Jörg Glattfelder schon. Natürlich handelt es sich dabei um einen optischen Trick, um eine fein ausgeklügelte Augentäuscherei. Doch der Effekt ist faszinierend.
Glattfelders konstruktivistische Arbeiten entwickeln ein Eigenleben. Es scheint, als würde ihnen die Wand, auf der sie hängen, nicht genügen. Die Kompositionen entfalten eine beeindruckende Tiefenwirkung und lassen das Zweidimensionale der Bildfläche vergessen. Hans Jörg Glattfelder arbeitet mit strengen geometrischen Formen. Insoweit steht der 1939 in Zürich geborene Künstler, der heute in Paris lebt und arbeitet, ganz in der Tradition der unter anderem von Max Bill geprägten Schule der „Zürcher Konkreten“.
Als einer der Ersten unternimmt er es ab 1970, die komplexen Raumvorstellungen der modernen Physik auf die konstruktive Kunst zu übertragen. Der rechte Winkel, in der konstruktiven Tradition stets von herausgehobener Bedeutung, wird von ihm zugunsten neuer Strukturen aufgegeben. Entsprechend bildet ein Drachenformat die helle Grundfläche der „Permutation aus 4 x 4 virtuellen Farbkörpern“ – eines der beiden Werke, das von Glattfelder in der Gmünder Ausstellung zu sehen ist und dem Betrachter eine bemerkenswert räumlich-​perspektivische Interpretation erschließt: Vier Reihen bestehend aus jeweils vier Farbquadraten und den ihnen zugeordneten, leicht versetzten Farbschatten bestimmen eine schwebende Formation, die einen hyperbolisch gekrümmten Raum vortäuscht. Zugleich nimmt man drei Ebenen der Betrachtung wahr: den hellen Grund, die Farbschattierungen und die Farbquadrate. Im Untereinander und Miteinander ist damit ein breites Spektrum von differenziertesten Farbwirkungen eröffnet.
Hans Jörg Glattfelders Bilder beinhalten System und erscheinen dennoch sinnlich, erweisen sich mit Lineal und Zirkel in Maß und Zahl exakt errechnet und brillieren durch Klarheit und Disziplin wie durch Täuschung und Illusion – zu bestaunen noch bis zum 9. Oktober im Museum im Prediger.

Weitere Infos: Museum im Prediger, Johannisplatz 3, Gmünd, www.museum-galerie-fabrik.deTelefon 0 71 71/​6 03 – 41 30.