Konzert im Bergstraße-​Kloster: Für beide Seiten anregend

Kultur

Rems-Zeitung

Es ist aller Ehren wert, wenn sich der Kammerchor des Kopernikus-​Gymnasiums kurz vor den Weihnachtsferien von Wasseralfingen auf den Weg nach Schwäbisch Gmünd macht, um im Kloster der Franziskanerinnen ein Adventskonzert zu geben. Nicht genug damit, auch vier Solisten des SWR-​Vokalensemble wirkten mit.

Samstag, 22. Dezember 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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KONZERT (-ry). Und so gab es 90 Minuten vom Feinsten, was Chormusik a cappella zu bieten hat. Von J. S. Bachs Vorgänger als Leipziger Thomaskantor, Johann Kuhnau, erklang zu Beginn die Motette (ohne Generalbass) „Tristis est anima mea“ (Traurig ist meine Seele). Die Verwunderung über dieses Passionswerk wich schnell, als Chorleiter Thomas Baur das Geheimnis lüftete: Im Januar stehen Konzerte im Berliner Dom und der Frauenkirche Dresden an. So konnten die vielen Besucher (es musste kräftig nachbestuhlt werden) schon jetzt in den Genuss eines Vorkonzerts kommen.
Lateinische, deutsche und englische Chorwerke von Kuhnau, Kaminski, da Viadana, Javier Busto, Eric Whitacre und Bruckner bildeten den ersten Teil: vier– und mehrstimmig.
Bereits da konnte man des hohen Niveaus des KGW-​Kammerchores innewerden. Kein Wunder, motiviert und animiert Baur die Seinen in höchstem Maße. Die Anforderungen sind enorm, was Stimmumfang, Durchhaltevermögen und Klangkultur anbelangt. Und bei allem dirigiert der Musiklehrer so homogen verlockend, dass die Linien einfach nur so strömen. Die intonatorische Konstanz ist zumeist gegeben, obwohl die Interferenzen bei den modernen Werken in den dissonanten Reibungen gewollt sind.
Die gute Gehörschulung scheint keine Probleme zu kennen. Vor allem ist hervorzuheben, dass alles vom Melos lebt, auch in den schwierigen durchgetragenen Schlüssen. Baur hebt sich wohltuend ab von manch renommierten Dirigenten, die noch im Schlusswort zäsieren.
Bei aller bewundernswerten Kraft sollten die Sopranistinnen nicht in die Gefahrenzone des Forcierens kommen, und die Tenöre bedürfen der stimmtechnisch– resonatorischen Förderung für sonoren Glanz. Man ist durch so viele gute Chöre im Anspruch verwöhnt, dass man die beachtliche Leistung bereits an Profis misst. Die pädagogische Kompetenz war stets überzeugend. Wenn junge Menschen sich derart engagieren, muss einem um die Zukunft nicht bange sein.
Kirsten Drope, Sabine Czinczel, Frank Bossert und Torsten Müller sangen als Solistenquartett des SWR-​Vokalensembles den zweiten Teil: den schlichten Bachchoral „Ich steh an deiner Krippen hier“, das herb-​wunderbare „O Magnum Mysterium“ (O großes Geheimnis) von Francis Poulenc und Felix Mendelssohn Bartholdys „Zum Abendsegen“. Auch hier eine Beispiel gebende Homogenität und dialogische Ensemblefähigkeit bester Güte.
Den dritten Teil bestritt wieder der Wasseralfinger Kammerchor des KGW, thematisch der Inkarnation, Mariologie, dem Gotteslob und der Liebe zugeordnet. Vor allem vier zeitgenössische Komponisten forderten tüchtig bei berührendem Klangerlebnis, wie später der Schriftführer des Fördervereins des SWR-​Vokalensembles, Dr. Hartmut Stirner, zu Recht feststellte. Die Zusammenarbeit samt gemeinsamer Uraufführung eines Werkes des tschechischen Komponisten Martin Smolka war mehr als fruchtbar und für beide Seiten anregend. Dr. Stirner schenkte allen Wasseralfinger Choristen davon/​dafür eine CD.
Der Schlussteil gehörte dem gemeinsamen Chorvortrag mit Soli oder Kleingruppen bei Benjamin Brittens „A hymn to the virgin“ und zwei Mal Mendeslsohn: der 100. Psalm (bis zur Achtstimmigkeit) und dem Gloria der deutschen Messe.
Das „Berührende“ fand die Krönung in der gemeinsamen Zugabe: Josef Gabriel Rheinbergers Abendlied op. 69 Nr. 3, „Bleib bei uns, denn es will Abend werden“. Alle Mitwirkenden hatten sich mit der Bitte der Emmaus-​Jünger in die Herzen der reich beschenkten Zuhörergemeinde gesungen. Es gab herzlichen Applaus und reichliche Spenden für einen großen Abend.