„Kleiner Grinsverkehr“ in der Theaterwerkstatt

Kultur

Rems-Zeitung

Das einzige, was sie proben, ist ihre Spontanität, denn die Szenen werden ihnen unmittelbar vom Publikum vorgegeben und dann gilt es für die vier Akteure vom Kleinen Grinsverkehr, daraus etwas zu machen.

Dienstag, 13. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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THEATER (wil). Am Freitagabend begeisterten sie mit neun Spielrunden in der ausverkauften Theaterwerkstatt die Gmünder. Zunächst hieß es für die Zuschauer aufzustehen und dem Vordermann auf die Schulter zu klopfen für ein umfangreiches Tagewerk. Und da Arbeit verspannt, war auch noch etwas Massage angesagt, eine kleine Lockerungsübung für das gesamte Publikum. Und locker ging es auch auf der Bühne los.
„Wachsen und Schrumpfen“ hieß das erste Spiel, das in einem Rolls Royce beginnen sollte. Lässig gestaltete Stephanie Hunger diese Pantomime, doch mit jeder hinzukommenden Person änderte sich die Handlung. Kerstin Manz gesellte sich zu ihr und inszenierte eine Lesbenhochzeit, die sich mit dem Auftritt von Thomas Brandau in ein Casting verwandelte.
Jörg Pollinger betrat die Bühne und machte daraus eine Geburtstagsfeier und sein Abgang führte wieder zurück ins Casting, bis Stephanie dann schließlich ihren zerbeulten Rolls Royce beklagte. Nette Ideen für jede Party, doch professionell vorgeführt von einem Impro-​Theater, das seit 1998 in und um Stuttgart auftritt.
So wurde ihnen ein Date beim Bäcker vorgegeben, bei dem zwei Partner einen spielten und gemeinsam sprechen mussten, unabgesprochen natürlich. Der Besuch des Enkels bei der Großmutter – so die Publikumsvorgabe – wurde als Replay aufgeführt, in einer Dramen– und einer Jazzversion. Passend zum Background natürlich immer mit etwas anderem inhaltlichen Schwerpunkt.
Auf den anderen eingehen, seine Ideen aufgreifen und fortführen, dabei aber das Genre wahren und dessen Merkmale nicht aus dem Blick verlieren, das ist die Anforderung und das sind die Stärken der Akteure. So formte sich in der Oper über „Elvira die Schreckliche“ ganz von selbst das Quartett „Keiner kann Elvira leiden“, wie es Mozart nicht passender komponiert haben könnte. Hier war auch Alper Arici am Klavier gefordert, der die meisten Szenen musikalisch begleitete und unterlegte, in diesem Spiel natürlich tonangebend war. Und während er improvisierte, mussten sich die Darsteller auf seine Melodie einstellen, ihr quasi hinterhersingen.
Wieder eine Partynummer war dann das Beruferaten, bei dem die Erzählerin ihren eigenen Beruf gar nicht kennt und ihn nur aus den helfenden Handbewegungen ihres Mitspielers erschließen muss. Dabei heißt es aber erzählen, erzählen und nochmals reden.
Auch über die neue CD konnte das Publikum entscheiden und wünschte als Titel „Hornhaut“, was dann auch in einer Rock-​, einer Hip-​Hop– und einer Countryversion aufgenommen wurde. Es lässt sich eben aus allem etwas machen, auch aus dem Tagesablauf einer Zwillingsmutter und gelernten Bankkauffrau. Was der wohl nachts durch den Kopf gehen mag? Der kleine Grinsverkehr ließ es erleben: Von einzelnen Stichworten entwickelten sich Szenen, wurden zuerst nur die Spagetti „gespielt“ entwickelte sich alsbald eine Bankberatung in mehreren Fortsetzungen und endete im Blues.
In der Zugabe fanden sich dann Elemente aus allen Sketchen des Abends, durfte sich das Publikum von den enormen Gedächtnisleistungen der vier Schauspieler überzeugen.
Doch auch die Zuschauer hatten sich gemerkt, dass Spielleiter Brandau beim ersten zaghaften Applaus des Abends lakonisch meinte: „Wir wollen kein Mitleid“. Der Schlussapplaus war in der Tat donnernd.