Peymann und die Palme

Kultur

Rems-Zeitung

Selbst geschrieben hat er sie nicht, nicht einmal autorisiert – und dennoch liest er mit Stolz daraus vor. „Peymann von A bis Z“ soll man mit einem Lexikon assoziieren, und es ist ein durchaus originell aufgemachtes Buch über einen nicht immer angesagten Mann.

Freitag, 09. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
144 Sekunden Lesedauer

AUTOREN (wil). Er kam am Dienstag direkt aus Brüssel ins Gschwender Bilderhaus, in einen der kleinsten Säle, in denen er je auftrat. Aber er ist jovial, wird sich nicht daran stören, wenn jemand in der ersten Reihe einschläft und hat dazu eine passende Anekdote bereit. Auch über die Entstehung des dicken Wälzers, den er in der Hand hält, plaudert er locker und redet sich in Begeisterung, immerhin geht es darin um ihn, nur um ihn – „Peymann von A bis Z“ halt. Als ungeordnet bezeichnet er die Auswahl, beginnt dann aber bei A wie Anfang und bald wird klar, es ist doch eine Chronologie, von seinen Anfängen am Studententheater in Frankfurt über Stuttgart, Bochum und Wien bis zum Berliner Ensemble. Deshalb sind die alphabetischen Stichworte manchmal auch etwas willkürlich gewählt, eine späte Begebenheit wird dann eben unter „trotzdem“ geführt.
Claus Peymann hat schon viel inszeniert, und so inszeniert er sich an diesem Abend eben selbst, er hat Erfahrung. Immerhin ist er schon 74, was man ihm aber nicht ansieht – wie er betont. Mit glücklicher Hand hat er die Rückblicke in sein Leben ausgewählt, lässt keinen Höhepunkt seiner Karriere aus, versteht es, die Stationen seines Schaffens von der lustigen Seite zu schildern, ehemalige Kritik durch die Zeit zu widerlegen. Auch persönliche Begebenheiten lässt er einfließen, Briefe mit seiner Schwester in Kanada, die den jungen Peymann eher privat erlebbar werden lassen. Hochphilosophische Gedanken wechseln sich ab mit Banalem, mit Hausmitteilungen aus Bochum – dass die Palme im Nathan wieder einmal mehr einer Klobürste ähnelt und deshalb erneuert werden müsste – oder mit Leserbriefen aus der „Zeit“.
Die Auswahl, die er aus seiner Biografie liest, zeigt einen facettenreichen Menschen, manchmal unzufrieden, manchmal ungeduldig („Ich halte es nicht aus allein mit mir“), manchmal gar zweifelnd, aber letztlich immer erfolgreich.
Wer hat ihm nicht alles abgeraten, nach Wien ans Burgtheater zu gehen! Sein Freund Thomas Bernhard wollte ihn im Hotel unterbringen, da er doch sowieso keine Spielzeit überdauern werde. Wie hielt er sich nach dem Spendenaufruf für Gudrun Ensslins Zahnersatz als „schwer vermittelbar“ und wie wurde er dann in Bochum hofiert. „Als ich nach Bochum ging, wollten alle Stuttgarter mit, sogar die Zuschauer!“ Mit Stolz blickt er auf seine Stuttgarter Jahre zurück, „wie eine Druckwelle kamen wir über die Schwaben“ und was damals Kritik erregte, so seine Iphigenie mit Kirsten Dene, wurde 20 Jahre später als beispielhaft angeführt. Doch mit einem „i“ beginnt auch „Ich“, beginnt die Inkompetenz (der Kritik) und daran schließen sich die „Journalisten“ an, denen er eine Passage von Handke widmet, natürlich beleidigendes. Doch neben Handke spielen andere eine wichtige Rolle in seinem Leben und Inszenieren: Thomas Bernhard, George Tabori, Heiner Müller (sein Vorgänger in Berlin), Peter Zadek (sein Vorgänger in Bochum) oder Wolf Wondratschek, mit dem er sich bei Handkes Publikumsbeschimpfung auf offener Bühne geprügelt habe. Siegreich, natürlich. Doch nun ist er nachdenklicher geworden, älter. Unter „T“ steht auch der Tod, sein „Wunsch“ beschäftigt sich mit dem Sterben, so hat er seine Grabstelle schon ausgesucht und bezahlt – 8000 Euro, wie er beiläufig hinzufügt, um die Tatsache auch zu beweisen. Und jemand wie Peymann zieht auch selbst Bilanz, „Zeugnis“ heißt es bei ihm, eine nüchterne Aufstellung seiner aktuellen Aufführungen. Und diese wird fortgeschrieben.