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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Diskussion über die Gesundheitsreform mit Jens Spahn im Margaritenheim

Jens Spahn ist einer, der in Deutschland zu den Weichenstellern der Gesundheitsreform zählt, der Gesundheitspolitik vordenkt. Gestern Abend beantwortete er im Margaritenheim die Fragen der Gmünder.

Dienstag, 26. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/​CSU-​Bundestagsfraktion, kam auf Einladung von Norbert Barthle, MdB, nach Gmünd und traf auf viele Baustellen, nicht nur in der Stadt, auch in seinem ureigenen Ressort. Viele Arztstellen können nicht mehr besetzt werden; mit einem Bündel von Maßnahmen im „Versorgungsgesetz“ will die Bundesregierung den Ärztemangel auf dem Land bekämpfen — das war gestern ein zentrales Thema. Ärzte werden immer älter, es gibt zuwenig Nachwuchs. Hier erklärte Spahn vor allem, es gehe nicht an, den Zugang zum Studium allein über die Abiturnote zu regeln. Wer etwa im Rettungsdienst oder in der Pflege echte Hinwendung zeige, solle unter bestimmten Bedingungen eine Chance erhalten, etwa bei der Verpflichtung, einige Jahre „aufs Land“ zu gehen. Grundsätzlich müssten mehr Nachwuchsmediziner für den Beruf des Hausarztes gewonnen werden, und da seien durchaus auch die Universitäten gefragt. Das Problem des ländlichen Raumes ist nicht nur ein finanzielles, so war der Diskussion zu entnehmen: Es geht vor allem um Rahmenbedingungen, wie das „Einzelkämpferdasein“, das den Nachwuchs mit allzu vielen Notdiensten oder der Unvereinbarkeit von Beruf und Familie in die Ballungszentren oder doch in die Städte treibe. Künftig sollen Ärztinnen und Ärzte nicht mehr in der Nähe der Praxis wohnen müssen, ist ein Ansatz, um den Beruf familienfreundlicher zu gestalten. Krankenhäuser müssten ebenfalls flexibler werden, so Spahn, als Prof. Kurt Weigand zu bedenken gab, dass auch die Krankenhäuser unter Ärztemangel litten.
Versorgungszentren und andere Modelle wie einzelne Sprechtage in verschiedenen Orten wurden angesprochenen, aber auch Regelungen, die sich ohne weiteres ändern ließen. Thomas Kaiser, Hussenhofer Ortsvorsteher, erklärte, dass der Teilort seine Ärztin „an Heubach verloren“ hat, und die Kassenärztliche Vereinigung nun mit der Begründung, dass der Ostalbkreis bereits genügend Ärzte habe, keine neue Praxis genehmige. Damit sprach er Spahn aus der Seele: Gerade einen Flächenkreis wie den Ostalbkreis müsse man „sich viel kleinteiliger anschauen können, differenzierter, zudem die statistischen Bevölkerungsdaten aus den 90ern endlich angleichen“. Jens Spahn mit einer grundsätzlichen Beobachtung: „Die meisten Kinderärzte gibt es nie da, wo die meisten Kinder leben, und der Starnberger See hat die höchste Ärztedichte.“ Die zunehmende Anwerbung ausländischer Fachkräfte wurde kritisch bewertet. Spahn etwas flapsig zum Sprachproblem: „Bei Chirurgen mag’s ja noch angehen.“
Auf die Kritik, dass Bürokratie zunehmend zur Belastung werde, erklärte Spahn am Beispiel des Missbrauchs von Taxifahrten, für nahezu jede Regelung und jedes Formular lasse sich eine Begründung finden. Als sich Prof. Dieter H.A. Maas wunderte, dass Spahn die Praxisgebühr verteidige, die ja nichts bringe, erklärte dieser: „Doch, zwei Milliarden Euro.“ In anderen Beiträgen wurde kritisiert, dass die Politik beispielsweise von Epilepsie Betroffenen keine Unterstützung zukommen lasse, Handreichungen, um Ärzten Kontra geben zu können. Spahn meinte daraufhin, er sei überzeugt, dass das Bewerten ärztlicher Leistungen etwa im Internet nicht mehr lange auf sich warten lasse – dann lieber selbst ein System aufbauen, mit gelenkten und gesteuerten Fragen. So ließe sich manchem Missstand begegnen — etwa wenn Ärzte „Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)“ anbieten, und die Patienten nicht abschätzen könnten, ob diese wirklich notwendig seien.
Die Eckpunkte der Pflegereform sollen noch in diesem Sommer vorgelegt werden. Spahn: „Der Sommer geht bis zum 23. September.“ Er sei froh, dass eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen in diesen bewegten Monaten nicht durch Themen wie Euro, Energiewende und Libyen „zur bloßen Diskussion um fünf Euro“ verkomme. Jeden Tag steige die Lebenserwartung um drei Stunden, so der erst 31-​jährige Politiker, und nannte weitere Entwicklungen, um aufzuzeigen, dass „Deutschland weniger und älter“ werde, und zwar in einem Maß, das kaum jemand wahrhaben wolle. Gesundheit und Pflege seien Zukunftsthemen, in denen es nicht nur Geld gehe, sondern „um Lebensqualität und wenn’s hart kommt auch um Lebensmonate“. Um das Zusammenleben in der Gesellschaft: „Die Zeit kommt, in der jeder 20. pflegebedürftig sein wird“. Das sei von den abhängig Beschäftigten nicht zu stemmen, die die Bereiche Gesundheit und Pflege derzeit mehr oder weniger alleine finanzierten. Er sprach sich für zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten übers Steuersystem aus, die alle Bereiche einbinden.
Die Wünsche der Weleda mit nach Berlin nehmen
Zunächst stand ein Gesprächstermin in der Weleda an. Viele Pharmaproduzenten habe er besucht, erklärte Spahn im Gespräch mit der RZ, freilich „noch nie einen anthroposophischen“, und das sei eine ganz neue Erfahrung gewesen. Bass erstaunt gab sich der Gast etwa beim Gang durch die Gärten: „Das wird alles von Hand gepflückt!“. Norbert Barthle meinte, die Weleda habe grundsätzliche Anregungen zu Änderungen im Zulassungsverfahren und für die Besetzung von Beratergremien. Gerade beim Thema „Arzneimittelbuch“, also bei der Zulassung von Arzneimitteln sind wohl einige Wünsche offen. Frankreichs „starke Interessenspolitik“, so war ebenfalls zu hören, sei für die Weleda ein Problem, auch aus diesem Bereich gab es also Wünsche und Anregungen.

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