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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Im Rollstuhl nach Wetzgau: Barrierefreiheit in der Stadt und auf dem Gartenschaugelände war und ist Thema

Selbst wenn Planer ein paar Meter im Rollstuhl zurücklegen, wenn sie sich einlesen und versuchen, „barrierefrei“ zu denken, sind es doch die Experten, sprich die Betroffenen und all diejenigen, die mit ihnen leben und arbeiten, die allein feststellen können, was sinnvoll ist und gebraucht wird.

Mittwoch, 06. November 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Die Rollstuhlfahrer Bernardo Küstner-​Lopez, Karlheinz Gropp und Erkan Gezen haben sich jüngst auf den Weg ins Himmelreich gemacht, sprich in den Landschaftspark nach Wetzgau. Kein einfaches Unterfangen: Selbst für sie, die bemerkenswert mobil und vor allem erfahren sind, waren die bis zu 20 Prozent Steigung der Asphaltstraße eine Herausforderung. „Viele Rollstühle packen nur elf Prozent; wer über Salvator bzw. Taubental nach Wetzgau will, sollte zunächst das Sanitätshaus seines Vertrauens zu Rate ziehen“, rät Küstner-​Lopez: „Wenn auf halber Strecke der Motor verreckt, ist das nicht lustig.“ Die Drei haben sich mit anderen zusammengeschlossen, um die Stadt in einschlägigen Fragen zu beraten und zu begleiten. Vom Bahnhof in und durch die Gartenschau rollen, ohne Hindernisse, das war und ist nämlich anspruchsvolles Ziel, an dem entsprechend gearbeitet werden muss.
Bei der jüngsten Begehung mit dem „Beirat barrierefreies und seniorenfreundliches Gmünd“ (die RZ berichtete) wurden wieder Punkte angesprochen, die für Menschen mit Rollatoren, Rollstühlen – insbesondere handbetriebenen – und Kinderwagen problematisch sind, aber auch für Blinde und Menschen mit anderen Einschränkungen. Das mittelalterliche Holperpflaster kommt stets zur Sprache, von dem immer mehr Abstand genommen wird. Oder die allzu vielen Kundenstopper auf asphaltierten Seitenstreifen und Gehwegen, die Baubürgermeister Julius Mihm, auch schon mal als Gerümpel bezeichnet und die dazu zwingen, auf Straße bzw. Pflasterfläche auszuweichen.
Vor allem standen weitere Schritte auf dem Weg hin zur barrierefreien, behindertenfreundlichen Landesgartenschau an. Erreicht der im Ausweis eingetragene Grad der Behinderung den Wert 50, gibt es ermäßigte Tickets. Bei einer Führung durch das Gartenschaugelände Nagold hatte sich der Beirat 2012 zudem viele Tipps und Anregungen geholt – wie breit müssen die Wege sein, wie deren Oberfläche beschaffen, wie wird Orientierung vereinfacht. Seit geraumer Zeit wird nun recht intensiv an einem Leitsystem gearbeitet, das in Verbindung mit dem Gesamtplan – der in den Kassenhäuschen ausgegeben wird – auch Rollstuhlfahrern ein eigenes Routennetz anbietet. Derzeit wird noch diskutiert, in welcher Form die Uferpromenade am Josefsbach in diesen Plan aufgenommen wird. Barrierefrei nach der DIN-​Norm ist der im abschüssigen Gelände nicht durch Abgrenzungen gesicherte Weg mit seinen langen Rampen nicht, wohl aber durchgehend befahrbar. Baubürgermeister Julius Mihm zufolge werden wohl entsprechende Schilder auf die Herausforderungen der Strecke aufmerksam machen. Wer sich dem nicht stellen will, kann und wird die Grabenallee nutzen, wie ja generell Bahnhof und Stadtmitte nahezu ideal verbunden sein werden. Die Übersichts– und der Detailpläne enthalten mehr als Informationen zu Ausstellern und Gastronomie. Beispielsweise wird ersichtlich, in welcher Richtung und Entfernung Toiletten zu finden sind – selbstredend soll „in jeder Toilettenanlage ein Container für Behinderten WC vorhanden sein“. Unter anderem wird auch aufgezeigt, wie viel Zeit eingeplant werden muss, um verschiedene Distanzen zurückzulegen – die einzelnen Geländeteile der Gmünder Landesgartenschau sind bekanntlich „auseinandergezogen“, wie’s Gartenschauplaner Simon Finkbeiner formuliert.
Voraussichtlich Hinweistafeln
für die Uferpromenade
Die Wege in Wetzgau konnten bereits auf dem (virtuellen) Reißbrett barrierefrei angelegt werden – was in der mittelalterlichen Stadt naturgemäß sehr viel schwieriger ist. Hier entstanden Asphaltwege und wassergebundene Wegedecken – letzteres bedeutet, dass auf etwa 25 Zentimetern grobem Schotter, der für Stabilität sorgt, Brechsand eingewalzt wird, der mit der Kategorie null bis zwei Millimeter so beschaffen ist, dass auf der gleichermaßen festen und feinen Oberfläche Rollatoren Kinderwagen, Rollstühle problemlos rollen können, zudem auch kaum loses Material anfällt.
Grundsätzlich sieht die Landesgartenschau GmbH im Vergleich mit anderen Gartenschauen „eine gute Erreichbarkeit aller drei Bereiche Stadt, Wald, Wetzgau“. Die Weitläufigkeit der Anlage mache individuelle Lösungen nötig; das sei das Spannende am Gmünder Vorhaben. Vergleichbares habe es bislang nicht gegeben. Der derzeit an allen Ecken und Enden zu beobachtende Stadtumbau, der den „Erdenteil“ prägt, sei bestimmt von Daueranlagen, die auch für Menschen mit Behinderung bleibend Attraktivität und Barrierefreiheit verbinden – in Grabenallee etwa, Remspark und Stadtpark.
Der Wetzgauer Landschaftspark, wie gesagt, wird bereits mit Blick auf die Barrierefreiheit angelegt. Und der Taubentalwald mit dem Naturatum – in dieser Ausnahmesituation, in der die Gartenschau in den Wald geht, und nicht, wie sonst, der Forst das Gartenschaugelände mitgestaltet – ist zumindest erreichbar. Küstner-​Lopez, Gropp und Gezen haben nicht nur den Asphaltweg nach Wetzgau, sondern auch Schotterwege getestet; jetzt haben sie Anmerkungen und Anregungen. Natürlich. Deshalb machen sie sich ja auch immer wieder auf den Weg.

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