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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Heidi Kolb – Globetrotterin, die Menschen, Farben und geistliche Musik mag – singt auch in Gmünder Kirchen

Als sie sich alleine glaubt im Münster, fängt sie an zu singen, so schön, dass zufällig Mithörende, mit dem Anzünden eines Kerzles beschäftigt, innehalten und lauschen. Es ist Heidi Kolb, die da das aramäische „Vater Unser“singt; sie um ein Gespräch zu bitten, lohnt sich.

Sonntag, 14. Dezember 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
3 Minuten Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Den Sonnengesang des Franz von Assisi auf altitalienisch, das Vaterunser auf aramäisch, das althochdeutsche Wessobrunner Gebet – das ist ihre Welt. Sie singt diese heiligen Lieder für sich selbst, am liebsten in Kirchenräumen, in Räumen der Andacht, für die sie einst geschrieben wurden. Sie singt, weil sie dann glücklich ist – „schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkelheit erhellen“, hat Franz von Assisi gesagt und damit ihr Lebensgefühl beschrieben.
Heidi Kolb passt in keine Schublade und in keinen bekannten Lebensentwurf. Sie nutzt das Internet, aber sie mag es nicht. Wenn ihre Zeit in einem buddhistischen Kloster und in einer Schule für Aids-​Waisen in Myanmar Thema ist, dann erzählt sie zuerst davon, wie zufrieden diese Kinder und jungen Leute mit so wenig sind. Wie reich ein „Leben aus erster Hand“ anmutet, in dem Nahrungsmittel rar sind, das Lächeln aber und stille Freude allgegenwärtig. Von Myanmars Weg von der Militärdiktatur zur Demokratie erzählt sie, und davon, wie es ist in einem Land, in dem Licht und Schatten gleichermaßen sehr stark sind und sehr nahe beieinander liegen.
Diese Kinder, die noch nie ein Handy oder Smartphone in der Hand hatten, nehmen ihre Umwelt sehr intensiv und aktiv wahr, sagt Heidi Kolb mit großer Bewunderung. Auf der anderen Seite hat sie, die studierte Tanzpädagogin, mit den Buben getanzt, Yoga-​Übungen und meditative Bewegungen trainiert, die keinesfalls Teil des Lehrplans waren, aber eben allen Freude gemacht haben.
Nicht von ungefähr singt sie an diesem Morgen im Münster: Sie ist hergetrampt, wie des öfteren, um im Blindenheim Schwäbisch Gmünd zu Gesang und Bewegung anzuleiten. Das Trampen ist nicht der Not geschuldet, sondern ihrer Lebensphilosophie: „Wenn ich irgendwo sein soll, findet sich ein Weg“, sagt sie, „und es klappt immer.“ Mit derselben Freude wie über die Kinder in Birma spricht sie über die Volkslieder singenden Bewohnerinnen und Bewohnern des Blindenheims in Gmünd. Auch das ist Licht: Zu sehen, wie auch die sich öffneten, die „wie erstarrt wirken“, Gefühl zeigten, lebendig würden. Ein älterer Herr, der zunächst wie versteinert dasaß, habe seinen Rollstuhl ummontiert, um aufstehen zu können. Singen und Musik, das ist für sie immer verbunden mit tiefem Erleben. Grundsätzlich gibt es freilich wenige Bereiche, auf die das nicht zutrifft.
Nach Abitur und Krankenpflegeausbildung hat sie in der Jugenpsychiatrie in Herdecke/​Ruhr gearbeitet und eine Gesangsausbildung damit verbunden. Es folgten ein Grundstudium Bildende Kunst an der FH Ottersberg und die Gesangsausbildung in Bremen. Vier Jahre war sie dann Dozentin in der Erwachsenenausbildung am Taruna College, Hawkes Bay Neuseeland. Dort hat sie auch an verschiedenen Schulen gearbeitet, war Mitbegründerin und Co-​Director von „Nautila Productions“, ein internationales multidisziplinäres Forum freier Künstlerinnen und Künstler. Seit 14 Jahren ist sie freischaffende Künstlerin in Teilen Europas und den Ländern des Pazifiks – erst im vergangenen Winter war sie wieder drei Monate in Myanmar.
Für Heidi Kolb sind Farben von „elementarer Kraft“; sie sagt Sätze wie: „Mögen meine Bilder ein Licht widerspiegeln, das die Menschen tief im Herzen berührt.“ So wie sie ihr ganzes Leben als Brückenbau sieht, schafft sie auch mit ihrer Kunst eine Brücke zwischen ihrer mythischen „archaischen Welt“ und der ab-​strakten Moderne. Ihre Farben stellt sie selbst her, aus Eitempera nach den Rezepturen alter Meister, sowie Sand, Kleister, Perlmutt, Vulkanerden, Metallen und Flechten auf Leinwand und Holz. Vor allem anderen fängt sie die Farben der „pazifischen Welt“ ein, jener Welt, die ihr letztendlich einen Weg zeigte, sich und das Leben so richtig zu schätzen. Sie arbeitet mit Ultramarin, Türkis und Dunkelblau, viel mit Gold und einer Oberfläche, die wie Samt aussieht. „Aus dem farbigen Kelch einer Blüte, des Himmels, der Erde, des Wassers neues Leben trinken“, so denkt sie, so singt sie, so malt sie.
Ein außergewöhnliches Treffen 1984 mit Joseph Beuys und seinem Schaffen zur sozialen Plastik haben ihr Kunstverständnis ebenso verändert, erzählt sie, wie die Begegnung mit einer matriarchalischen Friedenskultur im südpazifischen Raum, der sie ihre hingebungsvolle Verbindung zur Natur als „großer Schöpferin“ zuschreibt. Heidi Kolb vertritt sehr ungewöhnliche Positionen, gerade im Blick auf die Waitaha (Wasserträger), die der Überlieferung zufolge bereits rund tausend Jahre vor den Maori nach Neuseeland kamen. Sie war so fasziniert, dass sie sich einfühlte in die Waitaha und schließlich die Übersetzung eines Buches initiierte, das Erbe und Spiritualität dieser Kultur dokumentiert, ein Leben mit und in Verantwortung für die Natur: „Song of Waitaha. Das Vermächtnis einer Friedenskultur in Neuseeland.“ Was immer es ist: Für sie fühlt es sich richtig an.
Im Münster stimmte sie später noch „Puer natus in Bethlehem“ an, ein Kind geboren zu Bethlehem, eines der ältesten Weihnachtslieder überhaupt. Besucher traten ein, sie brach ab, sang dann aber weiter, weil sie inständig darum gebeten wurde. Es war dunkel an diesem Vormittag kurz vor dem Winter-​Solstitium. Es war ein bisschen wie Weihnachten.

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