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Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Inklusion: Birgit und Eugen Stegmaier haben ihrem Sohn Sven immer ein „Mittendrin“ ermöglicht

Sven Stegmaiers ganzes Leben steht für das, was mit Inklusion gemeint ist. Kein bewusstes Bemühen um Integration, sondern ganz selbstverständlich eingeschlossen sein von einer Gemeinschaft. Mittendrin sein.

Dienstag, 31. März 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
2 Minuten 13 Sekunden Lesedauer

GMÜND-​STRASSDORF (bt). Das bunte Geflimmer unter Glas ist ein Sammelsurium tausender gleichgroßer, von Hand ausgeschnittener Papierschnitzel von der Größe einer halben Briefmarke. Was da ein Stück weiter an der Decke hängt, sind über 500 gleichmäßig gefaltete Papierstreifen – zerschnittene Farbkarten oder mit klitzekleinen Kreisen bemalte vierfach geteilte Schulheftseiten. Ist das Kunst? In jedem Fall zeigt es, dass Inklusion ein sperriges Wort ist, die Inhalte, für die es steht, aber selbstverständlich sind. Normal halt. Es ist normal, dass Sven, wenn er von der Arbeit in den Werkstätten der Stiftung Haus Lindenhof kommt, erst mal bei den Eltern in Stegos Malercafé am Fenstertisch neben dem Eingang sitzt, Kuchen isst und alles im Blick hat. „Hi Sven“, sagen die meisten, die reinkommen oder „a wa, dr Scheff isch au do“. Viele geben ihm die Hand. Sie kennen den 32-​Jährigen von klein an.
Schon als drei-​, vierjähriger Bub ging er an der Hand Eugen „Stego“ Stegmaiers zu den Straßdorfer Festle und Hocketsen. Wenn der Papa dann am Bahnhof saß und schwatzte, konnte es sein, dass er auf Wanderschaft ging, auch schon mal fast bei Waldstetten war, bevor ihn jemand abfing: „Des isch doch dr Jong vom Stego“. Gefremdelt hat das Down Syndrom-​Kind nicht. Nie damit angefangen. Akzeptiert werden, anerkannt, nicht weil’s korrekt ist, sondern weil’s nie anders war.
Nachdem Sven den ganzen Tag Gummidichtungen in Metallgehäuse eingepasst hat, verbringt er auch die Freizeit am liebsten mit kleinteiliger Arbeit. Alles hat seinen Platz, alles seine Ordnung – wenn nicht, wird es in Ordnung gebracht, Kante auf Kante gelegt, zurechtgeschnitten oder gefaltet. Die Gäste schauen ihm oft über die Schultern, und wenn sie Bilder bewundern, seine aufgeklebten Papiergebilde, macht ihn das stolz. „Diese Wertschätzung ist gelebte Inklusion“, sind die Eltern Birgit und Eugen Stegmaier sicher. Sven verbringt die Freizeit nicht nur mit Schere und Zeitungsseiten: Seit über zehn Jahren gehört er zur Tischtennisabteilung des TSGV Waldstetten, die er als Hilfs-​Schiedsrichter auch schon zur Meisterschaft begleitet hat. Er spielt selbst ein bisschen, und er liebt es, wenn er den Spielstand anzeigen kann. Schwester und Schwager trainieren freitags mit ihm, und bei ihnen verbringt Sven oft seine Wochenenden. Natürlich gibt es Menschen, die mit Sven nichts anfangen können, so wie auch er den einen oder anderen nicht mag. Da ist normal.
So viele tragen dazu bei, dass Menschen wie Sven mittendrin sind – von den Firmen, die an die Werkstätten Aufträge vergeben, über Vereine, die Sport anbieten, Guggenmusik oder auch Kunst, bis hin zu all denjenigen, die den Alltag ausmachen. Die ein Leben ermöglichen wie Svens, der so vertraut mit Farben umgeht, Sportberichte liebt und fürs Tischtennisspiel schwärmt, der mehr als ein Daheim hat und für den das alles selbstverständlich ist. Weil er nie anderes gekannt hat.
Zu den Bildern: Tischtennis-​Mentor Hans Geiger und Mama Birgit Stegmaier im Malercafé an der Radtrasse.
So viele Schnipsel aus zerschnittenen Zeitungen – Sven mag Arbeiten mit „System“.
Eugen Stegmaier vor einem von Svens Bildern.
Sven Stegmaier vor Flimmer-​Schnipselbildern, die aus Sportberichten entstehen.
Die Beleuchtung zeigt, wie akkurat und mit wie vielen Farben Sven „Hexentreppchen“ faltet.


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