Direkt zum Inhalt springen

Nachrichten Schwäbisch Gmünd

Johannes Debler schuf das Tafelbild in der Dreifaltigkeitskapelle, die am kommenden Sonntag wieder Pilger-​Ziel ist

Am Sonntag, 30. Mai, findet in der Gmünder Südstadt wieder das traditionsreiche Dreifaltigkeitsfest statt. Schon ab 8 Uhr ist die Kapelle geöffnet. Vor dem Kirchlein wird das große Altarbild zu sehen sein, das von Pfarrer Johannes Debler im Jahre 1893 gemalt wurde und das auf anschauliche Weise die Gründungslegende der Kapelle vom Jahre 1693 erzählt. Dem „Malerpfarrer“ ist die diesjährige Betrachtung zur Einstimmung auf diesen Gmünder Kirchenfeiertag gewidmet. Von Werner Debler

Freitag, 28. Mai 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
6 Minuten Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Hört man den Begriff „Malerpfarrer“, dann denkt man unwillkürlich an den in Wasseralfingen geborenen 85-​jährigen katholischen Priester und Künstler Sieger Köder, einen kraftvollen und farbgewaltigen „Prediger mit Bildern“. Nicht so bekannt, aber auch künstlerisch kreativ und farbenfroh war der Gmünder „Malerpfarrer“ Johannes Evangelist Debler. Ein Spätwerk von ihm, das Tafelbild der Heiligen Dreifaltigkeit, kann, wie jedes Jahr, am kommenden Sonntag wieder vor der Dreifaltigkeitskapelle bewundert werden.
Aus einem altem Gmünder Geschlecht
Johannes Debler wurde am 12. Dezember 1823 in Gmünd als Sohn des 35-​jährigen Beindrehers Ignaz Debler und seiner 37-​jährigen Mutter Josefa als sechstes Kind der Familie morgens um 6 Uhr geboren und noch am selben Tag von Vikar Josef Rathsam getauft. Nach dem Studium der Theologie wird Johannes Debler am 10. August 1850 zum Priester geweiht. Danach beginnt für den rührigen Seelsorger eine lange Zeit der Wanderjahre: Am 10. Mai 1861 zieht er als Kaplan in Ertingen (bei Sigmaringen) und am 28. April 1868 als Pfarrer in Harthausen (bei Bad Mergentheim) auf, wo ihm seine Nichte Maria Hirner den Haushalt führt. Im Jahre 1875 wird er Pfarrverweser in Tannhausen, ein Jahr später Pfarrer in Ellenberg (bei Ellwangen).
Am 26. Oktober 1876 wird Pfarrer Johannes Debler nach Rexingen (bei Horb) versetzt. Am 4. Januar 1886 ernennt ihn der Bischof schließlich zum Pfarrer in Mühlhausen bei Deggingen, wo er dann auch am 6. Dezember 1892 pensioniert wird. Sein Wunsch, die letzten Jahre im Kaplaneihaus in Nonnenhorn am Bodensee, Pfarramt Wasserburg, zu verbringen, scheitert daran, dass der Lehrer-​Mesner Rueß für seine jährlichen Mesnerdienste ein zu hohes Honorar — 80 Mark — von ihm verlangt und Debler keinen billigeren Vizemesner einstellen darf. So zieht sich Pfarrer Debler kurzfristig nach Ellwangen zurück, wo der 71-​jährige Seelsorger mit seiner 47-​jährigen ledigen Haushälterin Anna May ein Haus in der Nikolaistraße 4, unweit der heutigen St.-Anna-Klinik gelegen, ein kleineres Haus baut. Pfarrer Johannes Debler stirbt dort am 4. September 1898 vormittags um 10.30 Uhr an den Folgen einer Blinddarmentzündung.
Am 6. September wird der Leichnam in einem Trauerzug zum Bahnhof Ellwangen geleitet, um von dort morgens um 9 Uhr nach Gmünd überführt zu werden. Einen Tag später wird er auf dem hiesigen Leonhardsfriedhof beerdigt. Nachdem im Herbst 1892 das 200 Jahre alte Vorgängerbild der Gmünder Dreifaltigkeitskapelle laut Stiftungsprotokoll vom 8. September 1893 als „defekt und wertlos“ bezeichnet worden war, erhielt der 69-​jährige Pfarrer Debler von der im Jahre 1616 gegründeten Gmünder Balthasar-​Debler-​Stiftung den Auftrag, umgehend ein neues Altarbild zu malen. Das mannsgroße Ölgemälde wird seitdem jedes Jahr am Dreifaltigkeitssonntag vor der Kapelle aufgestellt.
Prächtiges Ölgemälde als Zeitreise in das alte Gmünd
Das riesige Bild (170x123 cm, Öl auf Leinwand) veranschaulicht im oberen Bereich die himmlische Szene des Gnadenstuhls, eine Darstellungsform der Trinität, in der Gottvater den Sohn als Gekreuzigten im Schoß hält. Über ihnen schwebt im Strahlenkranz die Taube des Heiligen Geistes. Je drei Engel kommen von den Seiten herzu. Darunter beten Maria und Johannes als Fürbitter der Menschen, wie man sie aus Darstellungen des Jüngsten Gerichts kennt. Sie knien in einer dunklen Wolkenbank, die eine muntere Puttenschar umsäumt. Die Putten halten ein verschlungenes Schriftband mit dem Text: „Anno 1693 hat Abraham Franz und seine liebe Hausfrau Ursula zu Ehren der Hl. Dreifaltigkeit wegen einer wunderbaren Begebenheit diese Kapelle errichten lassen. Gedenke, dass Du den Sabbat heiligest“. Nun wechseln in einem weichen Übergang die Farben zur Schilderung dieser Welt und der hier mitzuteilenden Begebenheit: In eine weite, grüne Talaue mit dem Waldstetter Bach ist links die ummauerte Stadt Gmünd mit den Kreuzwegstationen am Salvator eingebettet. Weit vor den Toren der Stadt steht die Dreifaltigkeitskapelle, in die soeben eine Prozession, von Fahnenträgern angeführt, einzieht. Von der Kapelle führt ein Weg zum Vordergrund, wo der Goldschmied Abraham Franz im Zeitkostüm das Mirakel des Vogelschusses illustriert: Rechts steht der Jäger Franz, links betrachtet er voller Erstaunen den Rosenkranz, während der Rabe im Hintergrund davonfliegt. Zwischen den beiden Figuren steht ein Baum, der auf seine Weise Macht und Eingriff der himmlischen Welt sichtbar macht: Sein Stamm geht über in das Kreuzesholz Christi.
Pfarrer Debler hat ein inhaltsreiches und zugleich symbolhaftes Bild geschaffen. Der begabte Maler formulierte dabei in der Tradition nazarenischer Kunstanschauungen. Zweifellos hatte Debler für die obere Szene bildhafte Vorlagen, doch in der belebten Landschaftskulisse war er auf sein Können allein angewiesen. Der untere Bildstreifen ist viel lockerer, freier und mit atmosphärischer Stimmung gekennzeichnet als die formelhafte himmlische Szene darüber. Der Maler hat bewusst versucht, in dem großen Bild darüber den Himmel offen zu zeigen. Stilistisch gesehen könnte man sagen: Von hier aus ist der Weg zur Beuroner Kunst nicht mehr weit.
Seit dem Jahre 1899 wird das große Bild bis heute auf einem von Bankier und Stiftungspfleger Eduard Debler bezahlten und von dem 62-​jährigen Gmünder Bildhauer Lorenz Benz gefertigten Altar mit der Aufschrift „Die Allerheiligste Dreifaltigkeit sei hoch gelobt in Ewigkeit“ im Freien aufgestellt.
Das ausdrucksstarke Ölbild fand schon vor dem 200. Dreifaltigkeitsfest am 28. Mai 1893 im katholischen Gmünd überaus starke Beachtung. Die Rems-​Zeitung berichtet darüber: „Das Gemälde, das im Lehrlingssaale des katholischen Vereinshauses ausgestellt ist, hat der hochwürdige Herr Pfarrer Debler entworfen und ausgeführt. Es war keine geringer Arbeit, welche der rüstige Greis mit dem Kunstwerk hatte und in welcher er noch durch eine glücklicherweise nicht lange andauernde Krankheit gestört worden ist, so dass das Zustandekommen bis zum Dreifaltigkeitsfest noch in Frage gestellt worden wäre, hätte der hochwürdige Herr nicht all seine Kräfte aufgeboten, um die der kurzen Zeit entsprechende große Arbeit zu bewältigen. Möge der rüstige Künstler noch mehr derartige Arbeiten ausführen, die Anerkennung wird gewiss nicht ausbleiben“.
Eine nach Tausenden zählende Menschenmenge
Die Neugier der Gmünder Bürger bescherte dem Dreifaltigkeitsfest 1893 denn auch eine hohe Besucherzahl. Die Presse berichtet: „Gestern durchwogte von morgens früh bis abends spät die Weißensteiner Straße eine nach Tausenden zählende Menschenmenge, jeden Alters, Geschlechtes und Standes, um nach der nahen Dreifaltigkeitskapelle zu fahren und um das dort ausgestellte Ölgemälde von Pfarrer D. zu besichtigen. Die Einnahmen der Stiftung waren dementsprechend: An diesem Tag wurden 49,57 Mark an Opfergeld gezählt“. Von diesem Betrag wurden Pfarrer Debler später 31 Mark und 49 Kreuzer ausbezahlt, die er für die Leinwand und die Farben zuvor ausgegeben hatte. Eben diesem Ölbild hat Pfarrer Debler im Laufe seiner Dienstjahre noch viele andere Bilder gemalt, die sich heute alle in Privatbesitz befinden. Es sind meist großformatige Arbeiten, die zum einen sakrale Themen — Abendmahl, Fußwaschung, Kreuzigung, Beweinung Christi oder Bildnis einer Heiligen — , zum anderen aber auch profane Themen präsentieren, wie etwa das Mädchenbildnis, eine Mutter mit Kind oder ein bettelndes Geschwisterpaar im Winter. Debler beherrscht die großen Formate und konzentriert sich auf das Wesentliche, was er durch den Bildbau und die überlegte Lichtführung fördert. Mimik und Gestik, aber auch Anatomie oder Faltenwurf werden überzeugend dargestellt. Debler scheint auch technisch versiert gewesen zu sein, denn seine Malerei blieb bis heute gut erhalten.
In der Nachmitte des 19. Jahrhunderts spielt auch das Volkstümliche, Idyllische bis hin zu den ersten sozialen Hinweisen eine Rolle in Deblers Bildern. Dazu zählt auch das bettelnde Geschwisterpaar: Der bittend-​ängstliche Blick der Kinder und die Baumkulisse im Hintergrund zeigen die Hand des geschulten Malers. Das Bild, in dem sich das Kind an die Mutter schmiegt, dürfte zu den späten Werken dieser Reihe gehören.
Deblers letztes Werk, die „15 Geheimisse des heiligen Rosenkranzes“, konnte man bis vor wenigen Jahren noch in der Rosenkranzkapelle in Reckental, Gemeinde Harthausen bei Bad Mergentheim, bewundern.
„Der Ipf, Zeitung für das Volk“, berichtete darüber: „Heuer wurde das Rosenkranzfest mit Prozession besonders feierlich abgehalten. Der neulich verstorbene Pfarrer Debler hatte mit eigener Hand noch vor seinem Tode die 15 Geheimnisse auf Kupfer gemalt. 15 Mädchen in weißen Kleidern mit weißen, roten und gelben Schürzen trugen die Bilder zur Kapelle; dort wurden sie nach entsprechender Anrede eingeweiht und aufgehängt, als neue Zierde für die Kapelle. Für die Wohltäter der Kapelle wurde noch besonders gebetet. Gott lohne alle Wohltäter.“
Uneigennützig hat Pfarrer Debler überall geholfen
Uneigennützig hat Pfarrer Johannes Debler mit seinem großen Malertalent überall geholfen, wo er nur konnte. So hat er schon im Jahre 1869 dem großen Altarbild im Innern der Dreifaltigkeitskapelle ein neues Querbild im unteren Bereich angestückt, das er danach auch als „pastor gamundianus“ signiert hat. Der Stiftungsrat der Balthasar-​Debler-​Stiftung dankte ihm dafür im Protokoll vom 19. Juni 1870 mit den Worten: „Das alte Altarbild in der Dreifaltigkeits Kapelle, die Dreifaltigkeit vorstellend, wurde von S. Hochwürden Herrn Johannes Debler Pfarrer in Harthausen, Oberamt Mergentheim, einem Verwandten des Stifters, frisch in Oel gemalt und spricht der Familienrat hiemit seine dankbare Anerkennung aus“. — Der kompetente und beliebte „Malerpfarrer Debler“ hat diese ehrlich gemeinte Würdigung wahrlich auch verdient.

Am Sonntag, 30. Mai 2010, findet zum 26. Mal das Dreifaltigkeitsfest bei der Kapelle an der Dominikus-​Debler-​Straße statt. Ab 13 Uhr werden die Gmünder Debler-​Familien die „Wallfahrer“ bewirten. Um 14.30 Uhr wird Münsterpfarrer Robert Kloker eine feierliche Andacht halten, die vom Kirchenchor St. Michael unter der Leitung von Jutta Peschke und dem Neckarsulmer Organisten Gunther Debler sowie von dem Trompeter Dietmar Spiller musikalisch umrahmt wird. Es wird empfohlen, die Parkmöglichkeiten beim Dreifaltigkeitsfriedhof zu nutzen. Etwa 100 Meter von der Kapelle entfernt befindet sich die Bushaltestelle „Dreifaltigkeitsfriedhof“ des Gmünder Stadtverkehrs.

14 Tage kostenlos und unverbindlich testen?
Das RZ-Probeabo - digital oder klassisch mit Trägerzustellung

4156 Aufrufe
1596 Wörter
5082 Tage 18 Stunden Online

Beitrag teilen

Hinweis: Dieser Artikel wurde vor 5082 Tagen veröffentlicht.


QR-Code
remszeitung.de/2010/5/28/Johannes-Debler-schuf-das-Tafelbild-in-der-Dreifaltigkeitskapelle-die-am-kommenden-Sonntag-wieder-Pilger-Ziel-ist/