Denkmalbesitzer Eugen Stegmaier und zahlreiche Vereine bereiten sich auf den großen Bahnhofsgeburtstag vor

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Unter Beteiligung zahlreicher Vereine nimmt auf Initiative von Malermeister Eugen Stegmaier in Straßdorf ein ganz besonderes Jubiläumsfest Gestalt an: 100 Jahre Bahnhof Straßdorf und Bahnstrecke von Gmünd– Wäschenbeuren. OB Richard Arnold übernimmt sogar die Schirmherrschaft. Stegmaier ist nicht nur Besitzer des seit 1984 stillgelegten Bahnhofs, sondern bewahrt einen reichen Schatz an Dokumenten und Erinnerungsstücken aus jener Zeit auf.

Freitag, 04. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
202 Sekunden Lesedauer

GMÜND-​STRASSDORF (hs). Wer sich in die Straßdorfer Bahndokumente vertieft, vor allem auch die zeitgenössischen Berichte der Rems-​Zeitung über Planung, Bau und Eröffnung der Bahnstrecke von Gmünd nach Göppingen via Straßdorf, Metlangen, Reitprechts und Maitis studiert, der erkennt schnell eine ungeheuere Technik– und Zukunftsbegeisterung, die damals die Menschen ergriff. Das ehrgeizige Verkehrsprojekt hatte eine vergleichbare Dimension wie der heutige Tunnelbau durch Gmünd. Folgt man den seinerzeitigen Aussagen und Ansprachen der Bürgermeister in den Dörfern entlang der „Panoramabahn rund um den Hohenstaufen“, dann ist’s fast so, als wär’s der Überschwang, mit der die Politik 100 Jahre später das Projekt Stuttgart 21 anpreist. Bei „Straßdorf 21“ gab es freilich nur wenige skeptische Stimmen. Erfahrene Bauern warnten vor gefährlichen Hangrutschungen. Auch, dass die Lokomotiven bei flotter Fahrt Rind– und Federvieh in enorme Gefahr bringen könnten. Noch gar nicht so lange her war es, als Ärzte sogar die Frage erörterten, ob Körper und Geist des Menschen der hohen Geschwindigkeit einer Dampfzugfahrt überhaupt gewachsen sein würden.
Für Straßdorf war der kleine Bahnhof das Tor zur großen weiten Welt
Davon war jedoch keine Rede mehr, als zunächst am 29. Juli 1911 die Teilstrecke Gmünd-​Wäschenbeuren und dann ein Jahr später die Verbindung bis nach Göppingen eingeweiht werden konnten. Ein „wahrer Triumphzug“ sei der mit 360 Ehrengästen besetzte Sonderzug gewesen, beschreibt der Chronist der Rems-​Zeitung. Am nagelneuen Straßdorfer Bahnhof seien alle Vereine mit Fahnenabordnungen paradiert. „Böllerschüsse erdröhnten. Die Jugend jubelte aus vollem Herzen. Ein herzerfreuendes Bild.“ Gerade für Straßdorf bildeten Bahnhof und Gleisanschluss plötzlich das Tor zur Welt, ein enormer wirtschaftlicher Impuls für Handwerk, Forstwirtschaft und Reiseverkehr. Gleich am Bahnhof wuchs ein Gewerbegebiet, vom Metzger bis zur Schmiedewerkstatt. Allein schon der Bau von Bahnlinie und Bahnhof schafften Arbeitsplätze, nicht nur für Hundertschaften von Gastarbeitern aus Italien, auch für örtliche Handwerker und Bauunternehmungen. Traditionsbewusst und voller Ehrfurcht vor der Leistung der damaligen Handwerkergenerationen hat Malermeister Eugen Stegmaier aus dem Berg originaler Bau– und Gleispläne besonders ein Dokument ins Herz geschlossen: Die mit dem Bau beauftragten Firmenchefs versichern gegenüber dem „Königlichen Bauamt Hochbautechnisches Bureau“ natürlich handschriftlich, dass sie mit bestem Wissen und Gewissen dafür Sorge tragen werden, dass der Straßdorfer Bahnhof in einer solch guten Qualität gebaut werde, dass er mindestens 100 Jahre überdauern möge. Sie haben ihr Gelübde eingehalten,. Wobei Eugen Stegmaier sicher nachgeholfen hat. Denn nachdem er nach der Stilllegung der Bahnstrecke 1984 den Bahnhof erworben hatte, investierte er viel Geld und Können in die Renovierung des Gebäudes. Heute ist dort eine Zahnarztpraxis und eine Wohnung untergebracht. Mit viel Liebe zum Detail hat Eugen Stegmaier dafür gesorgt, dass das Erscheinungsbild des Straßdorfer Bahnhofsgebäudes erhalten blieb. Mit Blicken der Bewunderung und der Freude „walken, biken und skaten“ die vielen Ausflügler auf der ehemaligen Klepperle-​Trasse vorbei. Klepperle — so nannten die Menschen die Nebenbahn, die mühsam wie ein alter „Klepper“ (Gaul) die beachtlichen Steigungen der Bahnstrecke bezwang und dazu mit viel „Geklepper“ Vieh und unvorsichtige Fußgänger auf die Seite scheuchte.
Mächtig auf die Palme brachte Malermeister Eugen Stegmaier übrigens die Nachricht, dass die Mehrheit des Gmünder Gemeinderats zunächst die ehemalige Königliche Hauptpost am Gmünder Bahnhof abreißen wollte. Denn das prächtige Gebäude in Gmünd hat nicht nur das gleiche Baujahr wie sein Straßdorfer Bahnhof, sondern stammt sogar aus dem gleichen „Bureau“ der Königlichen Bauverwaltung. Halb verärgert, halb schmunzelnd erzählt Stegmaier: „Als ich einen maroden Bretterverschlag, das angebaute Scheißhäusle, am Bahnhof wegriss, stand gleich jemand vom Denkmalamt da und schimpfte: Ich hätte soeben ein historisches Ensemble zerstört. Und die in Gmünd wollten die gleich die ganze Hauptpost wegreißen!?“
OB hat bereits die Schirmherrschaft für das Ereignis zugesagt
Die Geschichte des Straßdorfer Bahnhofs und des Klepperle wird nun wieder präsent: Anlässlich der ersten Zugfahrt nach Wäschenbeuren und der Einweihung von „Straßdorf 21“ vor 100 Jahren planen die Straßdorfer unter der bereits erklärten Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Richard Arnold ein großes Bahnhofs– und Jubiläumsfest für das Wochenende 30. und 31 Juli 2011. Eugen Stegmaier freut sich, dass Liederkranz, Musikverein, Skiclub, Rotes Kreuz, der Förderverein Straßdorf, der Albverein und sogar der TV Wetzgau ihre Mitwirkung beim großen Zeltfest auf dem Bahnhofsgelände zugesagt haben.
Einige tolle Ideen nehmen Gestalt an. So denkt Eugen Stegmaier an eine Traditionsfahrt, vielleicht mit dem AGV-​Zügle, auf der alten Bahntrasse von Gmünd nach Straßdorf. Vielleicht verlegt er bis nächstes Jahr auch einige alte Schienen, die er bereits ausgespäht hat. Sein absoluter Traum: eine alte Lokomotive organsieren und sie als Denkmal am Bahnhof aufstellen. Jedenfalls darf man sich schon heute auf dieses Großereignis freuen, bei dem die Straßdorfer Vereine gewiss wieder Heimatsinn, Tatkraft und Zusammenhalt beweisen werden.