Der letzte Kiesfrachter, Strom aus der Rems, Schluchten und ein Yachthafen

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Besonders auch das Remstal wird sich jetzt in den goldenen Herbstwochen wieder von seiner schönsten Seite zeigen. Ideal auch die Temperaturen, um zu einer Wanderung oder Fahrradtour aufzubrechen. Abseits der Hauptsehenswürdigkeiten, die bereits beim großen Touristikfestival „RemsTotal“ im Mai im Blickpunkt standen, haben wir an unserer Rems bislang eher verborgene Attraktionen entdeckt.

Samstag, 25. September 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
170 Sekunden Lesedauer

Nicht nur allen Remstälern bestens vertraut sind die herrlichen Bade– und Naturschutzgewässer, die sich zwischen Lorch und Winterbach aufreihen. Zu absolut beliebten Freizeittreffs haben sich die beiden Seen bei Lorch-​Waldhausen und bei Plüderhausen entwickelt. Tausende Menschen sonnen und tummeln sich dort in den Sommermonaten. Besonders die vielen jungen Leute, die sich dort gerne treffen können es sich kaum vorstellen, welchen Ursprung diese Seenlandschaft hat. Besonders in den 50er– und 60er-​Jahren des letzten Jahrhunderts dienten die seinerzeit grauen Wasserlöcher der Kiesgewinnung, um die in den Wirtschaftswunderjahren sehr hohe Nachfrage nach Baumaterial befriedigen zu können. Mehrere Betriebe widmeten sich dieser Aufgabe, so dass der Kiesabbau in jenen Jahren zu einem prägenden Wirtschaftsfaktor wurde.
Ein Stück Heimat– und Wirtschaftsgeschichte des Remstals
Der Heimatverein Winterbach hat jetzt direkt an der Remstal-​Radroute eine Erinnerungsstätte geschaffen, um diese Epoche in Ergänzung zum Heimatmuseum Ortskern zu präsentieren. Hierzu ist auf dem Damm des neuen Hochwasserschutzbeckens und ehemaligen Baggersees sozusagen „der letzte Kiesfrachter aus dem Remstal gestrandet“. Fast 20 Meter lang ist das stählerne Monstrum. Im Gespräch mit der Rems-​Zeitung erläutert Konrad Fischer vom Vorstand des örtlichen Heimatvereins die Historie und Beweggründe für die Rettung des Kiesschiffes. Gemeinsam mit der Straßenbaufirma Uetz und deren Baggerhilfe sei es gelungen, dieses historische Kiesschiff vom Ufer des ehemaligen Baggersees zu bergen. Die Uetz-​Vorfahren hatten an diesem See, ebenso wie andere Firmen nahe Lorch und Waldhausen, schon seit Generationen Kiesabbau betrieben. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts, so erzählt der Heimatforscher, sei diese Arbeit zwischen Lorch und Winterbach sogar noch in mühsamer Handarbeit erfolgt: Mit Schaufeln an langen Stielen hätten die Arbeiter die Steine aus den Gewässern gefischt oder an den Ufern der Rems heraufgeschoben. Später seien große Schwimmbagger mit an Ketten befestigten Schaufeln im Einsatz gewesen. Das Material sei dann zunächst in solche Kiesschiffe geschüttet worden. Mit Außenbordmotoren ausgerüstet, hätten diese Schiffe den Kies zu Umlade– und Waschstationen ans Ufer gefahren. In Sichtweite zum Kiesschiff bei Winterbach ist eine solche Station gleichfalls noch erhalten. Diese stählerne Ensemble direkt am heutigen Naturschutzsee hat längst Museumscharakter und wird vom Heimatverein gepflegt. Der Wirtschaftszweig des Kiesabbaus aus den viele Tausend Jahre alten Ablagerungen der Rems lohnte sich nicht mehr, weil besonders im Rheingraben im großindustriellen Rahmen Konkurrenz entstand und die Transportwege schneller wurden.
Währenddessen kümmern sich die Stadtwerke Waiblingen um eine weitere Rems-​Attraktion aus vergangenen Tagen, die allerdings aktueller denn je erscheint: Seit 1948 schon wird in der historischen „Kunden– und Handelsmühle Karl Vogel z. Remsmühle“ ein Wasserkraftwerk betrieben. Immerhin gelingt in diesem Flusskraftwerk bis heute aus der Fließkraft der Rems eine Stromausbeute von 160 000 kWh pro Jahr. Nach Auskunft der Waiblinger Stadtwerke reiche diese aus, um etwa 55 Haushalte mit elektrischer Energie zu versorgen. Die Gmünder Stadtverwaltung hat angekündigt, dass im Rahmen der Landesgartenschau ein ähnliches Projekt realisiert werden soll.
Abenteuerlicher Weg zum einzigen Hafen an der Rems
Wer mutig ist, der wählt ab dieser Mühle nicht den offiziellen Rems-​Radweg, sondern die holprige Tour am rechten Remsufer entlang durchs wilde Naturschutzgebiet. Die Rems windet sich – fast wie die Donau an ihren schönsten Stellen – in weiten Bögen zwischen ehemaligen Weinbergen und Steinbrüchen hindurch. Ziel ist Remseck, wo sich unserer Lebensader mit dem Neckar vereint. Kurz davor die nächste Überraschung: Die Rems ist hier sogar ein Stück weit schiffbar, wenn auch nur für die Boote des örtlichen Yachtclubs. Mit Schluchten, Bootshafen und wenn auch noch die Sonne scheint sieht’s an unserer vertrauten Rems fast schon aus wie am Mittelmeer. hs

Tipp: Am morgigen Sonntag veranstaltet der Heimatverein Winterbach ab 14 Uhr im und am Heimatmuseum im Ortszentrum (ausgeschildert) einen Aktionstag. Im Mittelpunkt steht hierbei die lebendige Darstellung und Dokumentation von Handwerkerberufen, die im gesamten Remstal eine besondere Tradition hatten. Jeden zweiten Sonntag im Monat ist das Museum in einem alten Fachwerkhaus mit Führungen um 14 und 15.30 Uhr geöffnet.