Neujahrsempfang der Kreishandwerkerschaft Ostalbkreis im Haus des Handwerks in Schwäbisch Gmünd

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

„Im Handwerk läuft es! Der Motor brummt, und das nahezu in allen Branchen und allen Regionen des Kammerbezirks und des Ostalbkreises.“ Mit dieser guten Nachricht begrüßte Kreishandwerksmeister Hans Kolb die Ehrengäste beim Neujahrsempfang im Haus des Handwerks in Gmünd.Von Heinz Strohmaier

Montag, 17. Januar 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
269 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND. Die Kreishandwerkerschaft geht auch recht zuversichtlich ins Jahr 2011, denn über 63 Prozent aller Betriebe rechnen mit einer weiterhin guten Geschäftsentwicklung.
Kolb nannte drei Gründe, warum man die Krise aus dem Jahr 2009 so gut gemeistert habe. Zum einen seien die Unternehmer besonnen geblieben, und speziell das Handwerk sei zu seinen Mitarbeitern gestanden. Kolb: „Bei uns gelten eben langfristige persönliche Bindungen mehr als kurzfristiges Denken.“
Kolbs Dank galt aber auch den Arbeitnehmern, die durch Lohnzurückhaltung zur Krisenbewältigung beigetragen hätten. Nur so konnten die Unternehmer Gewehr bei Fuß stehen, als die Konjunktur wieder ansprang. Ein weiteres Lob ging an die Politik, die mit vernünftigen Entscheidungen erfolgreich dagegengesteuert hatte. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass man den aktuellen Aufschwung wieder einmal dem Export zu verdanken habe, von dem aber auch das Handwerk profitiere. „Ohne den Export könnten wir unseren Lebensstandard nicht halten.“
Aber Kolb griff auch die Probleme unseres Landes auf: „Deutschland wird älter. Deutschland wird weniger!“ Deshalb stellte sich Kolb die Frage, wie man das in Zukunft finanzieren könne. In den vergangenen 40 Jahren sei die Rentenbezugszeit um sieben Jahre gestiegen, bei immer weniger Zahlern. An der Reform führe kein Weg vorbei, doch laut einer Umfrage würden 80 Prozent der Deutschen zwar zustimmen, dass man länger arbeiten müsse. Aber nur 25 Prozent seien für diese Reform. Kolb: „Wer sich heute an den Besitzstand klammert, wird vielleicht morgen schon alles verlieren.“
Der Kreishandwerksmeister sagte, dass in wenigen Jahren die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber spürbar zurückgehen werden, zeitversetzt werde es aber auch die Gesellen und Meister betreffen. Aber nicht Öl, Kohle oder Erze seien die Rohstoffe in Deutschland, sondern die Köpfe und Fertigkeiten unserer jungen Menschen. Deswegen brauche man gute Schulen, die jedes Kind bestmöglich fördern und qualifizieren. Niemand dürfe auf der Strecke bleiben.
Hans Kolb: „Ein Firmenchef muss wissen, wie es um Ordnungssinn, Fleiß und Pünktlichkeit eines Schulabgängers bestellt ist.“
Wichtiger als neue Schulreformen seien konkrete Maßnahmen in den Schulen. „Wir brauchen keine Qualitätsverbesserung des Unterrichts. Wir brauchen auf Zeugnissen eine klare Aussage über die Sekundärtugenden der Schüler.“ Ein Firmenchef müsse wissen, wie es um Ordnungssinn, Fleiß und Pünktlichkeit eines Schulabgängers, also um sein Sozialverhalten, bestellt ist.
Ein weiteres lag Kolb am Herzen: Das Demokratieverständnis! Am Beispiel von Stuttgart 21 erlebe man, dass Versäumnisse von Politik und Verwaltung vorliegen. Es wurde zuwenig beachtet, dass man auf Menschen zugehen, sie überzeugen und mitnehmen müsse. Andererseits müsse auch in einer Demokratie Gemeinnutz vor Eigennutz stehen. Politikverdrossenheit aber passe nicht in eine Demokratie. Verfestigen sich diese Trends, dann werde das auf Dauer die Grundmauern unserer Demokratie erschüttern. Deshalb appellierte Kolb an alle Seiten, die sich heute in Konflikten gegenüberstehen: „Seien Sie sich dieser Gefahren bewusst und handeln Sie künftig entsprechend. Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, gegen alles und jedes zu sein. Durch ein solches Verhalten stellen wir die Zukunft des Standortes Deutschland in Frage.“
Christian Lange, MdB, sagte in seinem Grußwort, dass man das Wachstum von 3,7 Prozent in erster Linie dem steigenden Export (14 Prozent) zu verdanken habe. Deswegen galt sein „Dank“ den Chinesen, die deutsche Produkte kaufen. Für Lange war der Mindestlohn ein zentrales Thema und man müsse dafür sorgen, dass nach dem 1. Mai (ab diesem Tag darf jeder in Deutschland eine Arbeit aufnehmen) gleiche Wettbewerbschancen herrschen werden. Lange erinnerte aber auch an die Rekordverschuldung von 89 Milliarden Euro, davon rund die Hälfte allein im vergangenen Jahr.
Staatssekretär Dr. Stefan Scheffold sagte, dass ihm Kreishandwerksmeister Kolb aus dem Herzen gesprochen hätte. Mit fünf Prozent Wachstum im vergangenen Jahr liege Baden-​Württemberg über dem Bundesdurchschnitt. Während man in den beiden vorangegangenen Jahren aber ohne Neuverschuldung ausgekommen sei, müsse man jetzt wieder investieren. Mit 4,3 Prozent sei die Arbeitslosenquote niedriger als vor der Krise.
Ein wichtiges Zukunftsthema sei Mobilität und Automobil. Die E-​Mobilität werde auch im Handwerk künftig eine wichtige Rolle spielen. Eine Gefahr für das Land sieht Scheffold darin, wenn eine Gruppierung, die keine Legitimation dazu habe, in die Politik eingreife. Mit Baden-​Württemberg sei nicht vereinbar. dass man gegen Flughafenerweiterung, Straßenbau und Schienennetzausbau sei. Scheffold: „Das Land steht gut da, das wollen wir nicht aufs Spiel setzen.“
Auch Landrat Klaus Pavel sagte, „das hat mir sehr gut gefallen, was Sie gesagt haben, Her Kolb. Ich kann jeden einzelnen Satz unterstreichen!“ Pavel sprach von einer „gigantischen Meisterleistung“, die von den Tarifpartnern in der Krise vollbracht worden sei. Beide Seiten seien noch nie so nahe zusammen gewesen wie 2010. Dies habe zum Wiederfinden der wirtschaftlichen Stabilität beigetragen. Sorgen bereite ihm aber die Tatsache, dass weltweit ein Wachstum zu verzeichnen sei, doch man keine Chance habe, die öffentlichen Haushalte auszugleichen. Pavel: „Wir müssen unsere Schulden zurückzahlen, aber keiner sagt, wie es geht!“ Es sei deshalb klug, über unsere Systeme nachzudenken. Auch für Landrat Pavel ist das Thema Bildung das beste Zukunftspotenzial. Pavel: „Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen nicht als ausbildungsunfähig angesehen werden.“ Denn der Facharbeitermangel sei jetzt schon da.
In wenigen Tagen werde im Ostalbkreis bundesweit der erste Kreisbildungsbericht vorgelegt. Außerdem wolle man die Betreuung von Arbeitslosen und Harz-​4-​Empfängern wieder in Kreishände bekommen. Pavel geht davon aus, dass dies im zweiten Quartel klappen werde, denn „unsere Bewerbung ist super“.
Landrat wettet: Am Jahresende
nur noch 3,4 statt 4,2 Prozent Arbeitslose im Ostalbkreis!
Zum Schluss bot das Kreisoberhaupt die Wette an, dass die Arbeitslosenquote von derzeit 4,2 Prozent im Ostalbkreis am Jahresende auf 3,4 Prozent gesunken sei.
Auch Gmünds Oberbürgermeister Richard Arnold stellte sich voll hinter die Rede von Hans Kolb. Und in der Krise habe sich gezeigt, dass man sich gerade auf das Handwerk verlassen könne. In Gmünd würden viele Baumaßnahmen anstehen. Und wenn zum Beispiel das DRK in Gmünd investiere, müsse man auch dafür sorgen, dass die Aufträge in der Stadt bleiben. Gmünd stehe vor einer gigantischen Herausforderung. Schon in der Vergangenheit, als es der Wirtschaft noch besser gegangen sei, habe man von der Substanz gelebt. Im Moment sei kein Geld da, und trotzdem müsse man investieren. „Wir müssen das auf Pump tun“, sagte Arnold. Die Stadt würde aber auch allen Anstrengungen unternehmen, den Facharbeitermangel zu bekämpfen. Man investiere bereits in den Kindergarten, damit man später ausbildungsfähige Jugendliche bekomme. Arnold: „Die Früchte dieser Arbeit werden wir erst in vielen Jahren ernten!“
Die musikalische Umrahmung des Neujahrsempfang hatten Hendrika Wiedemann (Viola) und Mareike Wiedemann Violincello) übernommen.