Ingeborg und Kurt Wagner feiern heute in Gmünd Eiserne Hochzeit

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Gemeinsam die Welt erobern, das Gefühl des Verliebtseins jeden Tag aufs neue spüren – etwas, was Ingeborg und Kurt Wagner zu Beginn ihrer Partnerschaft verwehrt blieb. Sie lernten sich während des Zweiten Weltkrieges kennen und mussten sich mehr als nur einmal voneinander verabschieden. Ihrer Liebe waren sie sich stets sicher, heute feiern sie ihre Eiserne Hochzeit.

Mittwoch, 21. Dezember 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
175 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (nb). Kurt Wagner ist 1923 in Böhmen geboren und aufgewachsen. Schon in jungen Jahren musste er als Soldat zur Luftwaffe und seine beruflichen Pläne, er besuchte die Finanzschule, zunächst beiseite legen. Im August 1941 wurde er eingezogen und war anfangs in Oschatz eingesetzt. Die freien Wochenenden nutzte er oft, um in das 60 Kilometer entfernte Dresden zu gehen. Er war 19, seine Ingeborg war 16 Jahre alt, als sie sich das erste Mal trafen. Es war der 18. Mai 1942, ein Samstag. Kurt Wagner erinnert sich noch genau an diese erste Begegnung und auch daran, dass die Eltern der hübschen Frau alles andere als begeistert waren, als ihre Tochter in Begleitung eines jungen Soldaten nach Hause kam. „Das kommt ja überhaupt nicht in Frage“, sagte der Vater, als Kurt Wagner um Erlaubnis bat, mit der Tochter ausgehen zu dürfen. Zwei Tage später musste der junge Mann zurück nach Oschatz, jedoch nicht ohne sich vorher die Adresse der Anwaltskanzlei, wo die junge Frau arbeitete, zu notieren.
Eine Stunde dauerte das nächste Treffen. „Ein Treffen zwischen den Zügen“, so Kurt Wagner, der sich damals auf der Durchreise befand und den Aufenthalt am Dresdner Hauptbahnhof nutzte, um seine Ingeborg zu treffen.
14 wunderschöne Tage verbrachten die beiden dann im Februar 1943 zusammen, als er Jahresurlaub hatte. Danach mussten sie sich wieder voneinander verabschieden, in ganz Europa wurde Wagner eingesetzt. Zwei Jahre sahen sie sich nicht. Aufgegeben haben sie sich aber nie. Kurt Wagner: „Ich wusste, wenn der Krieg aus ist, dann will ich die und keine andere.“ Unvorstellbar groß waren da die Ängste der Beiden, als plötzlich keine Briefe mehr eintrafen — die einzigen Lebenszeichen, die ihnen über so lange Zeit hinweg Kraft und Trost gespendet hatte. Rund 300 Briefe hatten sie sich bis dahin geschrieben.
Mit den verheerenden Bombenangriffen auf Dresden im Februar 1945 wurde auch bei Kurt Wagner die Ungewissheit, ob seine Liebste noch am Leben ist, größer. Ingeborg Wagner, die nun hautnah die sinnlose Zerstörungswut des Krieges zu spüren bekam, hatte Glück und befand sich zum Zeitpunkt der Bombenangriffe zuhause – in einem Vorort von Dresden. Die Innenstadt lag in Schutt und Asche, die Kanzlei und das Haus des Anwalts lagen in Trümmern – schreckliche Bilder, die Ingeborg Wagner nie vergessen wird. Erst einige Monate nach dem Angriff erfuhr die junge Frau, dass der Anwalt überlebt hatte.
Im August 1945 kam Kurt Wagner aus der amerikanischen Gefangenschaft in Bayern zurück, zu Fuß hatte er sich auf den Weg zu seiner Ingeborg gemacht.
Doch auch jetzt konnten sie das gemeinsame Glück nicht genießen. Nur ein paar Tage blieb er dort, dann musste er nach Oschatz gehen, wo er beim Finanzamt Arbeit gefunden hatte. Da nicht regelmäßig Züge zwischen Städten verkehrten, sahen sie sich nur selten.
Und auch die Hochzeit am 21. Dezember 1946 war noch nicht der endgültige Schritt in eine glückliche, gemeinsame Zukunft. Als Kurt Wagner von seinem Chef ungewollt zu einer Bergbautauglichkeitsuntersuchung geschickt wurde und, obwohl er keinerlei Erfahrung in diesem Bereich hatte, als tauglich geprüft wurde, beschlossen die Wagners im Frühjahr 1947 in den Westen zu gehen. In Mögglingen, wo auch die Eltern von Kurt Wagner zwischenzeitlich zuhause waren, lebte das junge Paar bis 1954. Er arbeitete einige Monate auf dem dortigen Bauhof, später war er als Kaufmann bei Schenk Werkzeugbau tätig und ab 1950 dann beim Finanzamt in Gmünd. Ingeborg Wagner arbeitete einige Zeit bei einem Architekten. Das junge Glück wurde gekrönt von drei Söhnen und einer Tochter. 1954 zog die Familie nach Gmünd, wo auch Ingeborg Wagners Eltern von 1973 an lebten. In bester Erinnerung sind den Wagners die jährlichen Campingurlaube in Deutschland, Österreich und Italien geblieben; allein in Füssen am Hopfensee waren sie 39 Mal. Heute verbringen sie viel Zeit im heimischen Garten und auch die Familie liegt dem Ehepaar sehr am Herzen. Gefeiert wird die Eiserne Hochzeit zusammen mit den Kindern und den acht Enkelkindern.