Millioneninvestition der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Bocksgasse und Pfeifergasse

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

„Wir machen den Gmünderinnen und Gmündern zu Weihnachten eine Freude“: Diese Einschätzung Schwester Lintruds, die am Dienstag über die Renovierung des alten Mutterhauses in der Bocksgasse sowie den Bau neuer Wohnungen im Pfeifergässle sprach, teilen alle Beteiligten.

Mittwoch, 21. Dezember 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
156 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Vor eineinhalb Jahren hat die RZ berichtet, dass die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul das alte Mutterhaus in Gmünd zurückgekauft hat, den Ursprung ihres Wirkens. Nun sprach Schwester Lintrud Funk, Generaloberin des Ordens, über die große Herausforderung, dieses Mutterhaus zukunftsfähig zu gestalten. In Kooperation mit dem Denkmalschutz wird das Areal umgebaut und saniert, bzw. neu bebaut; der schmale, halbhohe Anbau, ohnehin als unpassend empfunden, wird abgerissen. „Ideal wäre ein kleiner Schwesternkonvent“ am für den Orden so bedeutsamen Standort, so Schwester Lintrud, aber dazu gebe es noch keine konkreten Vorstellungen. Wichtig für Gmünd: Der zurückgebaute Anbau soll den Weg von der Bocksgasse in den Innenhof frei machen, in dem rechtzeitig zur Landesgartenschau 2014 eine öffentliche Parkanlage entstehen soll, eine Erinnerung an den fast schon legendären Klostergarten. Überhaupt soll das gesamte Projekt bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein.
Was genau werden soll aus der Bocksgasse 20/​22 und den Gebäuden Pfeifergässle 15 und 17, erklärte gestern Wulf Köstler vom SWI, Siedlungswerk Infrastrukturbau GmbH, das mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt worden war. Gewerbeflächen sollen im Erdgeschoss des künftig 900 Quadratmeter großen Gebäudes unterkommen; darüber ist an Büro– und Praxisnutzung gedacht. Eine zentrale Erschließung aller Etagen über einen Erschließungskern mit Aufzug ist ebenso geplant wie eine Tiefgarage. Auf den Grundstücken Pfeifergässle 15 bis 17a ist die Bausubstanz offenbar nicht zu retten; hier werden auf 1800 Quadratmetern 20 bis 25 neue Wohneinheiten gebaut, zu deren Gestaltung noch keine Entscheidung getroffen wurde. Festgelegt ist freilich die Barrierefreiheit.
Schwester Lintrud hat einem Aquarell, das die Tür des Gmünder Mutterhauses zeigt, im Kloster Untermarchtal einen Ehrenplatz eingeräumt: Wohl, weil sie der Stadt über ihre alte Wirkungsstätte Margaritenhospital eng verbunden ist, vor allem aber, weil das Haus den Vinzentinerinnen wichtig ist. 1788 entstanden, war dieser Bau im Louis Seize-​Stil Stadtbaumeister Johann Michael Kellers letztes Werk, das bereits klassizistische Anklänge zeigt; Keller sind auch Gebäude wie Rathaus und Mohren-​Naze zu verdanken. Peter Krebs, der das Projekt für die Stadtverwaltung begleitet, versprach Kooperation – etwa was Zuschüsse angeht – und nannte die Gebäude in der Bocksgasse hochrangiges Kulturdenkmal.
1976 wurden die Gebäude in Erbbaurecht an ein Immobilienunternehmen übergeben. Glücklich waren dann weder Stadt noch Vinzentinerinnen mit der Entwicklung des Areals; die Bausubstanz verfiel zunehmend. Als der neue Besitzer zahlungsunfähig war und eine Zwangsversteigerung drohte, gelang es den Ordensfrauen, das Erbbaurecht zurückzukaufen. Möglich werde dieses millionenteure Sanierungs– und Bauprojekt nun durch das niedrige Zinsniveau; das nötige Geld hätten „Schwestern durch ihr Leben und ihren Einsatz erwirtschaftet.“
Der – gestern verhinderte – Oberbürgermeister Richard Arnolds freue sich sehr über diese Planung, die für die Stadt ein Gewinn sei, versicherte Stadtsprecher Markus Herrmann; ein zentrales Areal der Innenstadt erfahre entscheidende Aufwertung: „Das ist ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk für Gmünd“. Die Kongregation als Investor übernehme ein hohes Maß an Verantwortung. Herrmann begrüßte die Planung auch aus anderen Gründen; das Element der Barrierefreiheit etwa werde zunehmend wichtig.
Im August 1852 kamen vier Schwestern vom Mutterhaus in Straßburg nach Gmünd, um in den beiden Spitälern Missstände abzuschaffen und die nicht mehr vorhandene Krankenbetreuung zu übernehmen. 1858 bezog man das Mutterhaus in der Bocksgasse. 1891 wurde beschlossen, nach Untermarchtal umzusiedeln, da Gmünd die vielen Schwestern nicht mehr aufnehmen konnte. In der Bocksgasse wurde ein Altersheim für Vinzentinerinnen, aber auch für andere ältere Menschen eingerichtet, das 1975 in den Neubau von St. Anna übergegangen ist. Die Erinnerung aber blieb lebendig an das Wirken der Ordensfrauen in der Stadt – durch St. Anna und St. Vinzenz, durch Kindergarten und Kindertagesstätte: „Von diesem Mutterhaus ist vieles ausgegangen“, sagt Schwester Lintrud.