Kaiserliches Geschenk zum Jubiläum: Die Gold– und Silberstadt arbeitet an einer einzigartigen Nachbildung der Reichskrone

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Gmünd wird fürs Stadtjubiläum eine Reichskrone vorzeigen können. Dass deren Geschichte nun in Teilen neu geschrieben werden muss, ist einer bislang einzigartigen Verbindung von Kunsthandwerk und Geisteswissenschaften zu verdanken.

Mittwoch, 25. Mai 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
191 Sekunden Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Für die Staufersaga, aber vor allem für die „Identität der Stadt“, wie’s Oberbürgermeister Richard Arnold gestern formulierte, entsteht „die einzige originalgetreue Rekonstruktion“ der heute unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in der Wiener Schatzkammer aufbewahrten Reichskrone; für dieses Vorhaben wuchert die Stadt mit allen Pfunden, die sie hat. Ein Aushängegeschmeide, das den Schmuckschaffenden, und der Ausbildung in Gmünd Ehre macht. Die Innungsobermeisterin, Gold– und Silberschmiedemeisterin Doris Raymann-​Nowak, die nicht im Ruf steht, weltfremde Träumerin zu sein, räumt ein, dass sie von nichts anderem mehr spricht; die Emailarbeiten in all ihrer Symboldichte will sie selbst anfertigen. „Zeit ist Geld“ habe in diesem Fall keine Bedeutung – statt dessen wagen sie und ihre Mitstreiter sich an ganz Neues. Oder besser Uraltes.
Einige haben versucht, dieses das Heilige Römische Reich versinnbildlichende Kleinod nachzubilden – freilich immer mit Mitteln des 20. Jahrhunderts. Und selbst dafür wurde je etwa viereinhalbtausend Arbeitsstunden benötigt. Das Gmünder Meisterteam arbeitet hingegen mit Werkzeugen und Methoden der Kollegen vor tausend Jahren; das heißt etwa, dass mit einer winzigen konkaven Feile die Perlenform in 0,19 mm starkes Feingold oder Feinsilber gedrückt wird. Perldraht dieser Stärke wird industriell gar nicht hergestellt, zum anderen kann jeder sehen, dass kein Glied ist wie das andere – Handarbeit eben.
In den anderen Nachbildungen findet sich meist der milchblaue Edelstein Chalcedon; in Gmünd wird’s einige echte Saphire geben, und für die großen und ganz großen Klunker, von denen einer, wenn er denn überhaupt aufzutreiben wäre, geschätzte 100 000 Euro kosten würde, wird die Gmünder Glaskünstlerin Alkie Osterland Kopien anfertigen. Gemeinsam mit der großen alten Dame des Gablonzer und Gmünder Modeschmucks, Marianne Döbbelin, hat Osterland in der Wiener Schatzkammer stundenlang Glasmuster nach ihrer Farbigkeit sortiert. Immerhin muss diese Krone im Kerzenlicht leuchten und funkeln – an ihr lässt sich nachvollziehen, dass das Sakrale ursprünglich magisch war. Diese Krone zeigt die Orientierungspunkte alteuropäischer politischer Theologie und bezieht sich auf das alttestamentarische Königtum. Sie war auch der Versuch, mit Edelsteinen und Perlen das himmlische Jerusalem darzustellen, wie Prof. Dr. Hubert Herkommer aufzeigt. Wer sie nicht trug, hat Walther von der Vogelweide mal gesagt, konnte der rechte Kaiser nicht sein.
Die Gmünder Reichskrone wird den „Waisen“ tragen, den Verwaisten, der seinesgleichen nicht hat und den Albertus Magnus letztmals beschrieben hat. Es handelt sich um einen großen weißen Opal, der im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen ist – längst sind die vom Reichskronenfieber Befallenen auf der Suche nach einem Vetter des Waisen-​Steins. Dass mit der Zeit auch andere Original-​Steine ersetzt wurden, ist eine Entdeckung im Rahmen dieses Vorhabens. Und dass der juwelenbesetzte Bügel, der dieses Staunen machende fragile Konstrukt zusammenhält, irgendwann – die Wiener vermuten von einer Putzfrau – falsch aufgesetzt wurde, wird seit langem gemunkelt. Die Gmünder stellen’s richtig und vertreten ganz nebenbei die Theorie, dass dieser vom Gmünder Stadtgründer Konrad in Auftrag gegeben wurde, nicht vom gleichnamigen Salierkaiser. Diese Krone wird also einzigartig sein, genau so, wie zu Zeiten der Staufer. Und unglaublich teuer, doch darüber will niemand sprechen. Sie ist ein Geschenk großer und kleiner Gönner, die sich begeistern lassen von diesem Projekt – eine Dame brachte beispielsweise zwei 40 Jahre lang gehütete orientalische Perlen.
Das Team um Doris Raymann-​Nowak besteht aus den Goldschmiedemeisterinnen Annelore Baukus, Justine Birkner und Birte Lipp. Alle vier haben in Schwäbisch Gmünd ihre Meisterprüfung abgelegt. Ihnen zur Seite stehen für Recherchen und technische Analysen die Designer Diether und Maximilian Raymann. Für die Herstellung der historischen Werkzeuge konnte Edwin Lorenz (Objektbau und Fertigungstechnik) gewonnen werden. Bei der Zubereitung der mittelalterlichen Lote wird das Team vom Forschungsinstitut Edelmetalle & Metallchemie (fem) unterstützt. Das Vorhaben wird begleitet von Prof. Herkommer für die wissenschaftliche Beratung und von Prof. Dr. Baukus für die Beschreibung des Arbeitsprozesses sowie die Redaktion der geplanten Dokumentation in Buchform.
Die Gmünder Reichskrone wird nicht um ihrer selbst willen glänzen. Deshalb finden sich ja so viele, die geben, was immer sie haben – Wissen, Können, Geld. So wie das Original alle staufischen Herrscher begleitete und inspirierte, soll sie, geht es nach OB Arnold und Prof. Herkommer, die Stadt nicht nur attraktiver machen, sondern dazu beitragen, dass sie sich auf ihre Wurzeln besinnt. „Die Staufer standen für Offenheit, Vielfalt, Europa, für Integration und Respekt der einen und der anderen“, sagt Arnold. Und Mittelalterexperte Prof. Herkommer, erklärt, die Staufer hätten ein Europa im Blick gehabt, das man sich nun mühsam wieder erarbeiten müsse“. Nicht das Mittelalter sei frauenfeindlich und deutschtümelnd gewesen, sondern die Mittelalterforscher des 19. Jahrhunderts.