Die Achtklässler der Waldorfschule führen „Amadeus“ auf /​Regie führt Walter Johannes Beck

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Sie haben begonnen, Zitate aus dem Stück im Alltag anzuwenden, als Witz, aber auch, weil sie so gut passen: Das ist wohl der beste Beleg dafür, dass die Achtklässler der Waldorfschule mit „Amadeus“ ein zwar ungemein anspruchsvolles, aber auch passendes Stück ausgesucht haben.

Donnerstag, 05. Mai 2011
Andreas Krapohl
183 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Mehrere Stücke waren angedacht. Nichts zündete wirklich. Dann schlug Lena Kammerer den „Amadeus“ vor. Ein Erwachsenenstück, an der Grenze dessen, was Achtklässler leisten können. Aber eben auch ein Stück, das vieles zu geben hat — in jedem Alter. Liebe und Tod sind Thema. Sterben mit 35 Jahren. Die Konkurrenz zwischen einem gesellschaftlich höchst angesehen Komponisten, der freilich nur Mittelmaß abzuliefern vermag, und einem Genialen, der alle Gesetze seiner Kunst bricht, der Formen mit neuem Inhalt füllt, den aber auch alle Welt zu hassen scheint. Dieser Mozart ist einer, der den Hofschranzen, den Geldbesessenen, den Dünkelhaften seine Verachtung entgegenschleudert, der nicht sagt und tut, was von ihm erwartet wird. Gerade diesen Aspekt finden Jugendliche, die um Authentizität ringen und die Fassade in Frage stellen, die Erwachsene oft zeigen, besonders interessant. Was heute „Mobbing“ genannt wird, ist zentrales Motiv: Da gibt es Meinungsmacher, die bestimmen, was gedacht wird, die Gerüchte in die Welt setzen und die auch mal dafür sorgen, dass nicht gesagt wird, was unbedingt ausgesprochen werden müsste. „Das Stück hat mit den Schülern einiges gemacht“, da sind sich Klassenlehrerin und Organisatorin Martina Wolmann und Regisseur Walter Johannes Beck einig.
Die Schülerinnen und Schüler haben selbst in den Ferien geprobt. Mit Monika Bone haben sie das ganze Jahr über die aufwendigen Kostüme und insgesamt 25 Perücken angefertigt, mit Johann Render die Kulisse. Lena Kammerer und Theresa Stetter spielen den Mozart, Friederike Nick den alten, Johanna Kreß und Anna-​Elisa Rödinger den jungen Salieri. Alle gemeinsam haben hart gearbeitet an diesem langen, schweren Stück, sich dabei aber auch das eine oder andere Späßle erlaubt: So empfiehlt sich unbedingt, auf die „Schöne“ zu achten, die erst Salieris, dan Mozarts Geliebte ist.
Es ist guter Brauch in der Freien Waldorfschule Schwäbisch Gmünd, die Achtklässler Erfahrung sammeln zu lassen auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Ein solches „Klassenspiel“ gibt den jungen Leuten mehr Sicherheit — nicht zuletzt im Auftreten und im Umgang mit Sprache — und ein neues Verständnis für die Wirkungsweisen des Theaters. Die Arbeit an einem solchen Stück ist ganz bewusst Bestandteil des Lehrplans, fordert sie den Schülerinnen und Schülern doch völlig andere Fertigkeiten ab als die regulären Fächer ihrer Schule. „Aus sich heraus gehen“, eine andere Persönlichkeit nach Kräften zu verkörpern, mit ungewohnten Verhaltensweisen buchstäblich zu spielen und dabei an Grenzen zu stoßen, ist eine Erfahrung, die die Waldorfschulen ihren Eleven mitgeben will. Ganz nebenbei wird durch die Notwendigkeit, Hand in Hand zu arbeiten, die Klassengemeinschaft gestärkt.
Peter Shaffers Amadeus wurde in den 70er Jahren zu einem der großen Theatererfolge des 20. Jahrhunderts. Das Drama beruht auf der Legende, Mozart sei durch seinen Rivalen Antonio Salieri vergiftet worden. Bemerkungen in Beethovens Konversationsheften beweisen, dass Salieri selbst dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Shaffer dramatisierte diese Selbstbeschuldigung Salieris, die bis heute ungeklärt blieb, studierte drei Jahre lang Mozarts Briefe und verglich sie immer wieder mit dessen Musik. Seine These: Salieri bezichtigte sich selbst des Mordes an Mozart, weil er ihm tatsächlich jede Chance, eine gesicherte Position zu erhalten, auf die hinterhältigste Art und Weise verdorben hatte. Da sich Mozart sehr leicht für jede Gesellschaft unerträglich machen konnte, hatte sein Gegner ein leichtes Spiel. Am Ende lässt Shaffer seinen Salieri noch ein weiteres Motiv seines Handelns aussprechen: Das Verlangen, am Ruhme Mozarts teilzuhaben — und sei es nur durch das Gerücht, ihn ermordet zu haben.
Bekanntlich starb Mozart mit 35 Jahren. Die von Constanze kolportierte Geschichte vom Armenbegräbnis wurde von der modernen Musikwissenschaft widerlegt: Mozarts Leiche verschwand auf rätselhafte Weise von dieser Welt. Salieri, der mittelmäßige Komponist, überlebte ihn um 33 Jahre. Shaffer zeigt Salieri als den einzigen seiner Zeit, der das Genie in Mozart erkannt hatte und die ungeheuerliche Diskrepanz zwischen Mozarts ordinärer Lebenshaltung und seiner göttlichen Musik nicht ertragen konnte. Er musste noch erleben, wie 30 Jahre nach Mozarts Ende die ganze Welt entzückt war über die Musik dieses überragenden Salzburger Genies, er selbst jedoch völlig in Vergessenheit geriet.

Die Aufführungen, für die es jede Menge Interessenten gibt, sind am morgigen Freitag, 6. Mai, und am Samstag, 7. Mai, jeweils um 20 Uhr im Emil-​Molt-​Saal der Freien Waldorfschule Schwäbisch Gmünd. Der Eintritt ist frei. Weitere Aufführungen gibt es für Schulklassen.