Herz-​Jesu-​Brünnlein zum heutigen Fest: Erinnerung an den Sinn einer Wegkapelle am Salvator

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Es ist an der Zeit gekommen, dem Gmünder Herz-​Jesu-​Brunnen seine alte Symbolkraft zurückzugeben,und damit zugleich seinen angestammten Platz im Sinngefügeder Ecce-​homo-​Kapelle sowie desSalvator-​Kreuzweges überhaupt.

Freitag, 01. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
157 Sekunden Lesedauer

von Hubert Herkommer
SCHWÄBISCH GMÜND. Am heutigen Freitag feiert die katholische Kirche das Herz-​Jesu-​Fest. Wie Fronleichnam greift auch dieses Fest, befreit vom Dunkel der Passionszeit, ein Thema der Karwoche wieder auf: Der Donnerstag von Fronleichnam verehrt glanzvoll die Eucharistie, deren Einsetzung beim letzten Abendmahl schon der Gründonnerstag feiert. Und der Freitag des Herz-​Jesu-​Festes hält im Liebessymbol des Herzens den Opfertod Christi vom Karfreitag gegenwärtig. Das Festtagsevangelium erzählt nach Johannes, wie einer der Soldaten mit seiner Lanze die Seite des am Kreuze hängenden toten Jesus öffnete, „und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“
Der Kreuzweg zum St. Salvator lieferte zu dieser heilsgeschichtlichen Thematik bis vor wenigen Jahrzehnten einen anschaulichen Beitrag, an den die älteren Gmünder sich noch lebhaft erinnern: das Herz-​Jesu-​Brünnlein im Untergeschoss der Ecce-​homo-​Kapelle, wo das Quellwasser in Übereinstimmung mit der biblischen Passionsgeschichte aus der Seitenwunde des Gekreuzigten floss. So hat es auch im 18. Jahrhundert der Augsburger Kupferstecher Johann Martin Will in künstlerischer Stilisierung festgehalten (Abb. 1). Doch dieses Herz-​Jesu-​Brünnlein ist seit geraumer Zeit seiner Bestimmung beraubt. Denn durch unsachgemäße Eingriffe wurde seine tiefsinnige Symbolik zerstört, so dass jetzt das Brunnenrohr neben dem unteren Teil des Kreuzes sinnentleert aus der Wand starrt (Abb. 2). Heute noch kann man die ursprüngliche Öffnung für den Wasserdurchlauf auf der Höhe der Seitenwunde am Rücken des gusseisernen Christus ertasten.
Der vierte Band der Gmünder Kunstdenkmäler erklärt sich die Veränderung so, dass die alte Anlage „später als geschmacklos empfunden worden sein mag“. In Wirklichkeit hatte dieser befremdliche Vorgang aber nichts mit Geschmacksurteilen zu tun, sondern mit purem Unverstand. In Unkenntnis der Tradition begriff der Auftraggeber des damaligen Installateurs nicht, dass er hier am Salvator einen „Fons pietatis“ vor sich hatte, einen Gnadenbrunnen, für den es seit dem 17. Jahrhundert verschiedene Beispiele gibt.
Die theologische Bedeutung des Brunnens untermalt sinnfällig der Pelikan, der oben auf dem Giebel der Kapelle sitzt (Abb. 3). Nach Auskunft des ‚Physiologus’, jener aus der Spätantike stammenden christlichen Tierkunde, reißt sich der Pelikan die Brust auf und erweckt mit seinem Blut seine toten Jungen am dritten Tage wieder zum Leben. So habe, heißt es im ‚Physiologus’, unser Erlöser seine Seite geöffnet, und Blut und Wasser floss heraus zu unserem Heil und ewigen Leben. Dieses am Salvator gestaltete, auf Christus weisende Tierbild rückt auch das Kirchenlied ‚In Demut bet’ ich dich, verborgene Gottheit, an’ in ein helles Licht:

„O guter Pelikan, o Jesus, höchstes Gut!
Wasch’ rein mein unrein Herz mit deinem teuren Blut.
Ein einz’ger Tropfen schafft die ganze Erde neu,
Wäscht alle Sünder rein, stellt alle schuldenfrei.“

Die geistlichen Autoren des Mittelalters beschäftigten sich vielfach mit der Seitenwunde Christi. Nach ihrer Deutung wird die sündentilgende Kraft des heiligen Blutes durch das mitentströmende Wasser unter Beweis gestellt: Daran könne man erkennen, dass dieses Blut die Macht besitze, die Sünden abzuwaschen, ganz so, wie das Wasser andere Unreinheiten abwäscht. Zu dem lebendigen Quell fühlen sich die Gläubigen hingezogen und beten darum, dass ihre dürstende Seele sich an dem Herzen Jesu laben möge. Aus einer solchen Frömmigkeit bezieht die Wegkapelle letzten Endes ihre eindringliche Zeichensprache.
Nun, da man sich mit großem Elan neu auf den Salvator besinnt, ist auch die Zeit gekommen, dem Brunnen seine alte Symbolkraft zurückzugeben, und damit zugleich seinen angestammten Platz im Sinngefüge der Ecce-​homo-​Kapelle sowie des Salvator-​Kreuzweges überhaupt. Das energische bürgerschaftliche Engagement der Salvator-​Freunde wird gewiss auch dies bewerkstelligen und das vergessene Herz-​Jesu-​Brünnlein wieder einrichten.
Ob das Wasser, das dann von neuem aus der Seitenwunde fließt, noch die Reinheit für sich beanspruchen kann, dank welcher es einst als fromme Volksmedizin für das heilsame Netzen der Augen empfohlen wurde, das steht freilich auf einem anderen Blatt.