Glaubensanstöße im Stadion

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Die griechisch-​orthodoxe Gemeinde will in Gmünd eine Kirche bauen; die Jungen und Älteren in Gotteszell bitten nach der „roten Karte“ um eine faire Chance. Alle miteinander nutzten am Mittwoch im Normannia-​Stadion die Chance der acht „Glaubensanstöße“, um Gemeinschaft zu beschwören

Mittwoch, 13. Juli 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
154 Sekunden Lesedauer

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Gemeinsam Fußball gucken. Es geht ums Halbfinale, vor allem aber ums miteinander Leben. Unter dem Stichwort „Fußball“ meldeten sich gestern Frauen so ziemlich aller Religionen in Gmünd zu Wort. Mit Apfelschorle und Kanonsingen und dem einen gemeinsamen Nenner: „Wir spielen alle in einem Team.“
Shema Havuz von der Ditib-​Gemeinde sprach zum Thema Eintrittskarte. Sie nannte ihr Glaubensbekenntnis Eintrittskarte in den Islam – „Eintritt in eine Welt des Friedens und der inneren Ruhe“. Die Eintrittskarte ihres Glaubens lehre, respektvoll miteinander umzugehen, Leben zu schützen. Nach einer kurzen Einführung in die „Säulen des Islam“ nannte sie den Glauben Eintrittskarte ins Paradies und ins Trainingsprogramm.
Im Namen der griechisch-​orthodoxen Gemeinde in Gmünd sprach Klara Veziridou vom großen Wunsch, eine Kirche zu bauen; im Gespräch mit der RZ meinte sie, es müsse „nichts Großes“ werden, keine Kathedrale, aber ein würdiger Gebetsraum — immerhin seien die ersten Christengemeinden in Griechenland entstanden. Sie hoffe sehr auf Unterstützung. Sie meinte aber auch, es sei gut, Teil eines Teams zu sein und empfahl, keine Eigentore zu schießen: „Christen und Moslems spielen alle in einer Mannschaft, in einem Team, einer Familie.“
Ute Ordu, evangelischer Bezirksarbeitskreis der Frauen, hatte das Thema „Abspiel“ ausgewählt und sprach vielen aus der Seele. Es ist nicht leicht, abzugeben, die Gegenspieler und die Herausforderungen nicht im Alleingang bezwingen zu wollen. „Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Mitspielerinnen fehlt“, so Ordu mit Blick auf all die Einzelkämpfer. Das Abspiel, das Abgeben setze eine „Kultur des Loslassens, der Gelassenheit des Vertrauens“ voraus, und eben dies befreie, meinte sie mit Blick auf Psalm 21.
Wenn das Ziel in weite Ferne rückt, und die Hoffnung so fern ist
Kathrin Köllisch von der evangelisch-​methodistischen Gemeinde bezog sich aufs Abseits – wenn das Ziel in weite Ferne rückt und die Sache mit all den Regeln nicht so einfach ist. Jesus aber wisse, die Menschen zurück ins Spiel zu bringen, wieder Teil der Mannschaft zu werden.
Ute Ordu verlas dann die Grußbotschaften der erwachsenen und der jugendlichen Frauen in Gotteszell — umrahmt von Jail-​Mail, der Gotteszell-​Band. In beiden Beiträgen war die „Rote Karte“ von zentraler Bedeutung. „Hinter den Mauern eines Gefängnises“ werde erst begreifbar, buchstäblich, was es bedeute, vom Platz gestellt zu werden. Die meisten innerhalb dieser Mauern hätten alles verloren, auch Hoffnung und Mut. „Wenn wir gebüßt haben, bitten wir euch um eine faire Chance.“ Die Rote Karte habe ihre Wirkung nicht verfehlt. Die „Jungen“ sprachen ebenso von Eigentor und den Buh-​Gesängen der Zuschauer; sie gingen freilich ebenso auf die Chancen ein, die den Menschen in die Wiege gelegt werden — oder eben nicht: „Nicht immer gewinnt der Beste im Spiel.“ Wenn man sie aber wieder spielen lasse, ihnen etwas zutraue, „werden wir kämpfen wie die Löwinnen“. Alles, um aufs Spielfeld zurückkehren zu dürfen.
Dorothe Schohe, Gmünds katholische Gemeindereferentin in einem Dortmunder Fan-​Schal, meinte, die Dortmunder Embleme seien Zeichen des Sieges geworden. Nur Hintergrundwissen und Erfahrung gäben den Zeichen Inhalt und Wert. Das Kreuz, Inschrift der Folter und des Schmerzes, werde zum Zeichen der Hoffnung. An den vielfältigen, unterschiedlichen Zeichen des Glaubens könne der Mensch sich erfreuen. Angelika Theurer-​Lutz von der neuapostolischen Gemeinde ging aufs Verlieren ein, darauf, nicht aufzugeben, sondern weiterzutrainieren: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Beständig bleiben, sei das Stichwort, wie’s die ersten Christen vorgelebt hätten. Nur wenn das Gebet den Tag begleite, sei der Mensch Gott nahe, und nur in der Gemeinschaft mache das Training – und das Spiel – wirklich Freude.
Silvia Schill, Jugendreferentin, bedankte sich bei allen, die diesen Austausch ermöglicht haben.