Material für das Gmünder Schulmuseum

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Eine Menge Freunde und Förderer haben sich von ihren Schätzen getrennt; anderes hatte man schlicht ausgemustert, weil niemand um die Bedeutung wusste. Und so ist eine unglaubliche Sammlung entstanden.

Samstag, 20. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
195 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND. Es ist nur eines von fünf Lagern. Und in nur einem der insgesamt sechs Räume finden sich 59 Kartons, die fünf Jahre lang unterwegs waren, um in Kornwestheim, in Weißenfels in Thüringen und in der Lüneburger Heide komplette Ausstellungen zu bestücken. Solche Fakten aus der Sammlung der Ehrenamtlichen um Gerda Fetzer machen deutlich, wie unglaublich viel Material insbesondere die Gmünder dem künftigen Schulmuseum zur Verfügung stellen.
Ziemlich genau ein Jahr hat es jetzt gedauert, 15 vollbepackte Kartons aus dem Klösterle vom Geruch nach Verbranntem zu befreien und mit größter Sorgfalt zu ordnen: „Nachdem wir gerade unsere eigenen Brandschäden in Lindach aufgearbeitet hatten, waren wir nicht eben sehr begierig darauf, im Klösterle weiterzumachen“, erklärt Gerda Fetzer. Aber die Schätze, die da zusammen gekommen sind, machen die unangenehme Arbeit mehr als wett – sagt sie und zeigt die ABC-​Fibel aus dem Jahr 1905. Fetzer, ihr Leben lang passionierte Lehrerin, widmet ihren gesamten Ruhestand dieser Sammlung, und gerade am Beispiel der Klösterle-​Materialien bedauert sie sehr, dass für wissenschaftliche Auswertungen einfach keine Zeit ist. Da gibt es zum Beispiel „Allgemeine Schul-​Tabellen“ seit 1885, also beispielsweise vollständige Schülerinnenlisten der Mädchenklassen samt dem Beruf der Väter und der erzielten Noten: Welche Rolle spielte es damals, ob das Kind aus einem Kaufmanns– oder einem Tagelöhner-​Haushalt kam? Oder die gesammelten „württembergischen Schulwarte“, Mitteilungen der Landesanstalt für Erziehung und Unterricht, die deutlich machen, wie während des Nazi-​Regimes auch in Gmünd versucht wurde, Jugendliche im Sinne des Regimes zu formen: Damit ließe sich arbeiten.
Künftige Sonderausstellungen
und drei Museumsräume
Ordnung zu schaffen, im besten Sinne, Strukturierung der Themen für die Präsentation, ist alles, was derzeit leistbar ist: Tausende Unterlagen zu sichten und so abzulegen, dass sie jederzeit gefunden werden können. Dann natürlich die vielen Kisten mit Material für Sonderausstellungen. Nicht nur Tafeln aus eineinhalb Jahrhunderten, Griffelkästen oder gemalte bzw. fotografierte Klassenzimmerdarstellungen gibt es. Die Handarbeiten bilden einen großen Teil der Sammlung: Und wie sorgsam damals an all den Häkel-​, Strick und Stickarbeiten gearbeitet wurde, an Nähproben und liebevoll eingekleideten Püppchen. Wie winzig die Stiche waren, wie komplex die Muster. Puppenschühchen stricken mit allen Finessen war etwa angesagt, und die jungen Damen erfuhren, dass sie erst, wenn sie solche Aufgaben gemeistert hätten, dereinst eigene Kinder ordentlich versorgen könnten. Zum Schulfach „Erdkunde“ könnte es eine Sonderausstellung geben, zur Physik — das Parler-​Gymnasium hat seine komplette Sammlung aus dem Jahr 1904 zur Verfügung gestellt –, aber auch zu Poesiealben, zu Musik, oder, besonders faszinierend, zu Kinder-​, Mädchen und Knabenbüchern.
Fetzer und ihr Team hoffen sehr, dass im Klösterle, wo das Schulmuseum eingerichtet wird, ein Raum für solche Ausstellungen bleibt. Fest eingeplant und Dank der Mithilfe zahlreicher Kapazitäten wie Prof. Dr. Ulla Gohl-​Völker, Prof. Dr. Karl Setzen, Dr. Ingrid Irion und der Frauenbeauftragten wissenschaftlich höchst fundiert ist ein Raum, der sich der Mädchenbildung widmen wird.
Für Schrift– und Schreibkultur im Wechsel der Zeit als Grundlage formaler Bildung ist ein weiterer Raum vorgesehen: Von der Keilschrift bis zum Computer wurde ein langer Weg zurückgelegt. In diesem Raum wird es wohl Schreibstationen geben, an denen sich die Besucher an Wachstäfelchen, Knetmasse, Federhalter, Füller oder Rohrfeder mit Tinte versuchen können, ebenso an fünf Schriftarten von Kurrent und Sütterlin bis zur deutsche Schrift. In diesem Team arbeitet unter anderem Brunhilde Kanzler mit
Ein dritter Raum ist für anschauliche Schul– und Bildungsgeschichte gedacht. Dabei soll das „Historische Klassenzimmer“ im Heubacher Schloss, das in die wilhelminische Zeit zurückführt, vorerst dort bleiben – aus Dankbarkeit, weil der Verein dort so herzlich aufgenommen wurde, aber auch weil’s so gut zu den Räumen passt: Fingernagelkontrolle, Kopfnüsse, das „Eselskind“ und Holzscheitknien passen nur in eine solche Umgebung. Im Klösterle ist an die Jahre 1930 bis 1960 gedacht, an andere Strafen und anderes Lehrmaterial in einer Schule, die jahrelang Horst Wessel-​Schule hieß.
Auch Kuriositäten finden sich in der Sammlung, etwa 28 Bügeleisen, die, angefangen vom Kohleeisen, das (Hand-)Arbeiten früherer Generationen vor Augen führen. Einiges in den Lagern des Vereins wird wohl nie zu sehen sein, lediglich für die Nachwelt gesichert und erhalten. Ein anderer Teil ist Material vorbehalten, das verliehen wird, für Schulprojekte etwa. Und wieder eine eigene Sammlung begleitet die Zeit-​Dokumentationen. Da verkörpert ein Lehrer-​Gehrock ebenso eine bestimmte Epoche wie das Tanzstundenkleid und der Turnanzug aus den 50ern. Alles ist genau festgehalten: Unter den Spendern der Museumsschätze finden sich so viele in Gmünd bekannte Namen: Elisabeth Schoch und Ortrud Urban, Gudrun Schröder die den Fundus der Wöhrles übergab, Josephine Walter oder Barbara Göhrum, die alle wussten, dass diese Zeugnisse der Vergangenheit ebenso wie all die unerzählten Geschichten irgendwann unwiederbringlich verloren wären.