Ein Zahnarztbesuch in Katmandu

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Der in Schwäbisch Gmünd ansässige Verein „Haus der Hoffnung – Hilfe für Nepal“ setzt sich seit 1998 für bedürftige Kinder in der nepalesischen Hauptstadt ein. Kürzlich wurde ein Zahnarztbesuch organisiert. In Katmandu ein besonderes Ereignis.

Montag, 22. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
140 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (pm). Es ist gerade Regenzeit, doch die Kinder aus dem Haus der Hoffnung haben sich für den heutigen Tag besonders herausgeputzt. Die achtjährige Manisha trägt ein mit Pailletten besticktes weißes Kleid und springt mit ihren roten Riemchensandalen fröhlich über jede Regenpfütze. Sie ist eines von 20 Kindern, die sich heute durch das Getümmel von Katmandu auf den Weg zum mobilen Zahnarzt machen – ein bisher leider viel zu seltenes Ereignis für die meisten Kinder in Nepal.
Dank der finanziellen Unterstützung durch Patenschaften und Spendenaktionen kann die Rundumversorgung von insgesamt 50 Kindern und Jugendlichen im Alter von vier bis 19 Jahren gewährleistet werden. Begonnen bei warmen Mahlzeiten und der medizinischen Versorgung der Kinder, ermöglicht der Verein unter Leitung der Vereinsvorsitzenden Ellen Dietrich auch die Finanzierung des so wichtigen Schulbesuchs sowie ein bescheidenes Freizeitprogramm.
Die Kinder leben gemeinsam mit ihren einheimischen Leitern und deren Familien in zwei Häusern im Norden von Katmandu. Im Haus der Kleineren ist heute eine junge Zahnärztin aus Hamburg zu Besuch. Liane Geisel arbeitet derzeit ehrenamtlich im Rahmen der Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ in einem Krankenhaus im östlich von Katmandu gelegenen Sankhu. Auf dem Hof steht der Jeep, in dem sie heute mit ihren drei nepalesischen Kollegen über die schlammbedeckten Straßen und Wege nach Katmandu gekommen ist. Ein langer Tisch ist in dem überdachten Hauseingang aufgestellt, darauf liegen Untersuchungsinstrumente, Namenslisten, eine überdimensionierte Zahnbürste und ein entsprechend proportioniertes Gebiss-​Modell.
Ganz links auf einem geblümten Sofa sitzt die junge Zahnärztin, sie lächelt den zurückhaltenden Kindern ermutigend zu. Schon nimmt eines der Kinder auf dem kleinen weißen Plastikhocker vor ihr Platz, die anderen sitzen während der Untersuchung auf dem niedrigen Mäuerchen im Hof und warten geduldig. Es liegt eine spürbare Anspannung in der Luft, doch die Atmosphäre ist zugleich feierlich – ein Zahnarztbesuch ist für Kinder in Nepal schließlich etwas ganz Besonderes. Nachdem die Zähne aller Kinder kontrolliert wurden, wird erleichtert festgestellt: Nur vier Kinder müssen in der nächsten Zeit eine weitergehende Zahnarztbehandlung über sich ergehen lassen. „Die Zähne der Kinder sind in erstaunlich gutem Zustand“, bestätigt Liane Geisel. Doch sie merkt an: „Trotzdem sind regelmäßige Kontrollen wichtig, um weiterhin die Mundhygiene zu verbessern und somit Zahnerkrankungen vorzubeugen.“ Anschließend erklärt sie den Kindern auf Englisch, weshalb regelmäßige Zahnpflege so wichtig ist.
Ab sofort spielen die Kinder nun auch „Zahnarzt“
Zusammen mit Dipendra, einem Zehntklässler, zeigt sie den Kindern am Modell die richtige Technik fürs Zähneputzen. Alle hören gebannt zu und nehmen sich vor, diese Technik am Abend gleich auszuprobieren – schließlich möchten sie auch beim nächsten Besuch der „Zahnärzte ohne Grenzen“ wieder hören: „Everything ist fine!“. Liane Geisel und ihre Kollegen packen nach getaner Arbeit ihren Untersuchungskoffer und steigen wieder in das Geländefahrzeug, um den nächsten Termin mit der mobilen Zahnarztpraxis wahrnehmen zu können. Der Motor wird angelassen und die Kinder winken dem Zahnärzte-​Team zum Abschied überschwänglich hinterher.
Auf dem Spaziergang nach Hause verrät Nisha, dass alle Kinder in der nächsten Woche neue Zahnbürsten bekommen. Kurz bevor es kräftig zu regnen beginnt, kommen die Kinder zuhause an.
An diesem Nachmittag spielen sie nicht wie sonst Verstecken oder falten Papierflieger – nein, die „Germany-​to-​Nepal-​Airlines“ fliegen heute nicht, stattdessen wird „Zahnarzt“ gespielt, das ist ganz klar.