Ein Blick auf St. Coloman im historischen Ortskern Alt-​Wetzgaus

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Historisches Herzstück Wetzgausist St. Coloman, eine kleine Kirchevon schlichter Schönheit, die vielmehr Beachtung verdient hätte.Was es über sie zu wissen gibt, hatDr. Peter Spranger erarbeitet.

Freitag, 05. August 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). 1382 ist in einer Urkunde von einem „Gotzhus zu Wegshain“ die Rede, vom Wetzgauer Gotteshaus also. Wie alt das Kirchlein bei dieser ersten urkundlichen Erwähnung war, weiß niemand, nur dass es 65 Jahre später, 1447, durch die heutige Coloman-​Kirche ersetzt wurde. Zwei Ablassbriefe sind bekannt, die den gotischen Bau während der Jahre bis 1492 finanzieren halfen. Auch die Kirchenherren, die Rechberger, baten nachdrücklich um Spenden. Alleine hätte die kleine Gemeinde dieses Vorhaben niemals gestemmt.
Im Chorraum und in der Sakristei finden sich Mauerreste des romanischen Vorgängerbaus, die freilich nie untersucht wurden, weshalb über die frühe Kirchengeschichte praktisch nichts bekannt ist. Ein Rätsel ist auch das Patrozinium — nur wenige Kirchen hierzulande sind dem heiligen Koloman geweiht, dessen Attribute der Pilgerstab und ein Strick um den Hals sind. Die Legende weiß, dass der Pilger auf seiner Reise von Irland nach Jerusalem im Jahr 1012 zwischen zwei Mördern an einem dürren Holunderstrauch erhängt wurde. Jahrhunderte später schickte das Kloster Melk, in dem der Heilige bestattet wurde, eine Koloman-​Reliquie nach Wetzgau.
Meist in nur einigen Metern Entfernung scharen sich die Wohnhäuser und Bauernhöfe des Ortskerns um die Kirche — der Eindruck, sie suchten in ihrem Schatten Schutz, trügt nicht. In diesen Mauern fanden sich die Menschen nicht nur ein, um ihren Glauben zu feiern und Beistand zu suchen, sondern wohl auch, um sich gemeinsam gegen Feinde zu verteidigen. 1552 verkaufte der notorisch in Geldnöten steckende Hans Wolf von Rechberg die Patronatsrechte und die Kirche samt ihrer Güter nach Gmünd. Die Stadt zog das Kirchenvermögen an sich, versäumte es freilich knapp 200 Jahre lang, die Wetzgauer Pfarrstelle zu besetzen. In dieser Zeit wurden die Gläubigen von einem Gmünder Pfarrverweser eher notdürftig betreut.
1634 wurde das Dorf von schwedischen Truppen besetzt, geplündert und weitgehend zerstört. Die im Kircheninneren freigelegte Jahreszahl 1637 lässt zwar vermuten, dass drei Jahre nach dieser Katastrophe die schlimmsten Schäden behoben waren, doch bereits im Juni 1707, im Spanischen Erbfolgekrieg, wurde Wetzgau erneut geplündert, dieses Mal von den Franzosen. Und wieder musste die Kirche komplett neu ausgestattet werden, mittlerweile im Barockstil. 1803, zum Ende der Reichsstadtzeit, kam Wetzgau zu Württemberg, das den Ort 1824 der Gemeinde Großdeinbach zuordnete. Bereits im 19. Jahrhundert boten Kirche und Friedhof nicht ansatzweise genügend Platz. Als Plus vermerken die Kirchenbeschreibungen von 1840 und 1871, die Predigten fielen leicht in der kleinen Kirche und erforderten keine starke Brust. Aber diesen Vorteil bemerkte nur der Pfarrer. Immer lauter wurden die Rufe nach einem Neubau. Die Gemeinde musste sich in Geduld üben: Erst 1960 konnte im Neubaugebiet Rehnenhof „St. Maria“ eingeweiht werden. St. Coloman aber blieb Wetzgaus kostbares Wahrzeichen.
Der 30 Meter hohe Turm wurde 1675 gebaut und sucht in weitem Umkreis seinesgleichen: Die Dachpyramide, ein in acht schlanken Bahnen nach oben spitz ausgezogenes Rhombendach, ist auch durch grünglasierte, beigefarbene und rote Biberschwanzziegel betont. In den 30er Jahren stand dieser Turm so schief, dass er aufwändig saniert werden musste. Die eigentlichen Schätze finden sich im Innern. Der reichgeschmückte Hochaltar etwa ist eine neugotische Besonderheit. Vor blaugetönten Nischen finden sich Maria mit Jesuskind und Josef mit Lilie. An der Chorwand sind die barocken Büsten der vier Evangelisten angebracht, in der Sakramentsnische ein auferstandener Barockheiland. An frühere Altäre erinnern eine rosenbekränzte Maria Immaculata und eine Katharina von Alexandrien, von deren Martyrium Rad, Schwert und Palmzweig zeugen, außerdem Agnes mit Palmzweig und Lamm und Aloysius mit dem Kreuz in der Hand. Sehr schön ist die Kanzel aus Eichenholz, die mit den vier abendländischen Kirchenvätern auf Goldgrund geschmückt ist, und als Kostbarkeit werden auch der ungewöhnlich große gotische Taufstein und die Evangelistenglocke von 1456 gewertet.