Zugfahrten sind für Behinderte nicht ohne Probleme möglich

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Die Liste der Probleme ist lang. Bahn fahren ist für Menschen mit Einschränkungen nicht einfach. Das wurde gestern bei einem prominent besetzten Termin im Gmünder Bahnhof deutlich.

Donnerstag, 15. September 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
154 Sekunden Lesedauer


Von Manfred Laduch
SCHWÄBISCH GMÜND. Der Zug fährt ein, und der Lokführer dürfte erschrocken sein. Wenn die vielen Menschen, die gestern um kurz nach 15 Uhr am Gleis 1 warteten, tatsächlich den Nahverkehrszug nach Aalen hätten nehmen wollen, hätte der Aufenthalt in Gmünd wohl etwas länger gedauert. Da waren elektrische und „normale“ Rollstühle versammelt, Menschen mit Rollatoren oder auch Blinde.
Doch die Menschen mit Einschränkungen wollten gar nicht verreisen. Sie zeigten aber im Rahmen eines Termins mit dem SPD-​Bundestagsabgeordneten Christian Lange auf, mit welch vielfältigen Problemen sie beim Bahnfahren konfrontiert sind.
Die Anliegen landeten gleich an der richtigen Stelle, denn der Gastgeber hatte einen hochkarätigen Besucher mitgebracht: Eckart Fricke, Konzernbevollmächtigter der Bahn AG für ganz Baden-​Württemberg. Für die Stadt waren Baubürgermeister Julius Mihm, Stadtplanerin Sabine Rieger und der Geschäftsführer der Landesgartenschau-​Gesellschaft, Karl-​Eugen Ebertshäuser, dabei.
Julius Mihm freute sich über den tollen Zulauf angesichts des wichtigen Themas. Gmünd habe das Glück, durch den Stadtumbau auch in den Fokus der Bahn geraten zu sein. Der Bahnhof werde einem groß angelegten Umbau unterzogen.
Christian Lange machte darauf aufmerksam, dass die Umsetzung der UN-​Behindertenrechts-​Konvention anstehe. Er begrüßte unter anderem Vertreter der Spitalmühle, der Lebenshilfe, des Blindenheims und des Hauses Lindenhof.
Eckart Fricke stellte das Modernisierungsprogramm der Bahn vor. 64 der 700 Bahnhöfe in Baden-​Württemberg werden mit einem Aufwand von 121 Millionen Euro umgebaut und dabei barrierefrei gemacht. In Schwäbisch Gmünd erhielten die beiden Bahnsteige je einen Aufzug. Die Bahnsteige werden um 17 Zentimeter angehoben, was das Besteigen der Züge deutlich erleichtere. Außerdem gebe es diverse Modernisierungs– und Verschönerungsmaßnahmen.
Sabine Rieger stellte die Pläne für die Unterführung „Das Grüne Band“ vor, die von Studenten der Hochschule für Gestaltung mit einem Schweizer Architekten ausgearbeitet worden waren. Es gebe ein innovatives Beleuchtungskonzept. Auf der Nordseite werde eine behindertengerechte Rampe mit maximal sechs Prozent Steigung gebaut.
Mit den Behinderten ergab sich in der Folge eine lange Fragerunde. So wurde das alte Wagenmaterial bemängelt, bei dem ein Rollstuhl schon gar nicht durch die Eingänge mit ihren Mittelgeländern passe. Eckart Fricke räumte ein, dass auf der Remstalstrecke unter der Woche die ältesten Wagentypen eingesetzt seien. Die Umrüstung werde noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Generell wurde zu wenig Unterstützung für Behinderte beim Ein– und Aussteigen beklagt. Dass man sich dafür sechs Tage vor einer Reise anmelden solle, sei sehr schlecht.
„Mit dem Rollator komme ich heute leichter in einen Bus, als in einen Zug“, beklagte eine Seniorin. Für Lernbehinderte müsse es eine ebenso einfache wie eindeutige Beschilderung geben, wurde gefordert. Die Feststellung, dass die Fahrkartenautomaten nicht behindertenfreundlich sind, konterte Eckart Fricke damit, dass diese in Zusammenarbeit mit den Verbänden entwickelt worden seien.
Einigkeit herrschte darüber, dass die Betriebszeiten für die Aufzüge und die Beleuchtung den vollen Fahrplanzeitraum umfassen müssten. Sinnvoll wäre es, beide mit einer Sprachausgabe zu versehen. Auch darüber, dass sich an der Qualität der Lautsprecherdurchsagen etwas verbessern ließe, bestand Einvernehmen.
Die Frage, wann denn doch einmal ein Zug mit behindertengerechten Wagen unterwegs sei, konnte beantwortet werden: Da gebe es eine telefonische Abfragemöglichkeit. Die Toilettensituation am Gmünder Bahnhof wurde allgemein kritisiert. Ob die Bahn bei ihrer Modernisierung wieder eigene Toiletten im Bahnhof einbauen könne, soll geprüft werden.
Der Umbau beginne im ersten Quartal 2013 und sei bis Anfang 2014 abgeschlossen, erklärte Eckart Fricke, der zumindest ein kleines Lob für die Bahn dafür erbat, dass Behinderte mit einer Begleitperson alle Regionalzüge kostenlos benutzen können.
Für die Bahnhöfe in Lorch-​Waldhausen und Böbingen, die laut Christian Lange bislang ebenfalls nicht barrierefrei sind, ist ein Umbau nach Aussage von Eckart Fricke „eine Frage der Zeit und der Benutzerfrequenz“.