Überfälle einer arbeitslosen Frau als Verzweiflungstaten gewertet

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Selbst das Gericht sah in dem, was eine Frau im mittleren Alter gestern wegen des Vorwurfs der räuberischen Erpressung vor Gericht führte, eher eine Verzweiflungstat als tatsächlich ernstgemeinte Straftaten. Sie fand im Schöffengericht, das unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Klaus Mayerhöffer tagte, milde Richter, die ihr den Weg nicht verbauen wollten.

Freitag, 16. September 2011
Rems-Zeitung, Redaktion
157 Sekunden Lesedauer


Von Dietrich Kossien
SCHWÄBISCH GMÜND. Amtsgerichtdirektor Mayerhöffer befragte die zu ihren Taten stehende Frau, die wegen versuchter räuberischer Erpressung angeklagt war, nach den Motiven der Taten.
Heraus kam eine traurige Geschichte einer bisher fleißigen Frau, die mit dem Gesetz in Konflikt kam. Der Amtsgerichtdirektor stand der völlig aufgeregten Frau zur Seite: „So schlimm wird es nicht werden.“ Ihr tue alles schrecklich Leid, wenn sie es könnte, würde sie alles rückgängig machen.
In einer Umlandgemeinde hatte sie 23 Jahre lang gearbeitet, bis die Firma ihre Pforten schloss und wegzog. Sie wurde arbeitslos.
Ihre Misere verschwieg sie zu Hause. Die Schulden begannen, ihr über den Kopf zu wachsen, erklärte sie. Sie sei am Ende gewesen und habe Dummheiten gemacht. In ihrer Kopflosigkeit habe sie die Taten begangen. Als Erstes ging sie 2009 in ein inzwischen nicht mehr existierendes Kaufhaus. „Dies ist ein Überfall, bitte geben sie mir das Geld“, hatte sie auf einen Zettel geschrieben, den sie an der Kasse einer Mitarbeiterin gab. Diese schrie um Hilfe. Daraufhin verließ sie den Laden.
Einen weiteren Überfall tätigte sie dann in der Kreisparkassen-​Filiale in Heuchlingen, wo sie der Angestellten einen Zettel mit ähnlichem Inhalt übergab. Diese gab den Zettel einer weiteren Angestellten, worauf diese Alarm auslöste. Nach ihrer Flucht ging die Täterin zu einem späteren Zeitpunkt nochmals in diese Bank.
Auch diesmal verließ sie diese, ohne dass sie ihr Ziel erreicht hätte. Am liebsten wäre sie dann reingegangen und hätte sich entschuldigt, meinte sie.
Höflich sei sie ja immer gewesen, meinte der Richter dazu, immer hätte sie auf den Zettel geschrieben: „Bitte geben sie mir Geld“ und verlauten lassen, dass den Angestellten nichts passieren würde. Sie hätte auch nicht gedroht und auch keine Waffe gehabt, erklärte sie dem Schöffengericht. Sie sei eigentlich jedes Mal erleichtert gewesen, wenn sie ohne Geld gegangen sei.
Zu Hause unter einem sehr starken Druck gestanden
Sie wisse nicht, wieso sie eigentlich dazu gekommen wäre, die Taten zu begehen. Sie erwähnte, dass sie zu Hause unter sehr starkem Druck gestanden habe. Richter Mayerhöffer attestierte ihr: „Ihre ganzen Aktionen wirken hilflos.“ So habe sie immer „bitte“ auf den Zettel geschrieben „ein verzweifelter Bürger“. So würde ein professioneller Bankräuber nicht handeln. Alles habe von Anfang an eher nach einer Verzweiflungstat ausgesehen. Der Vorsitzende gab daher den rechtlichen Hinweis, dass deshalb auch anstelle einer versuchten räuberischen Erpressung eine Verurteilung wegen des Tatbestandes einer versuchten Erpressung in Frage komme.
Das sah Staatsanwalt Weise nicht so, denn der Zettel „Überfall“ habe Gefahr suggeriert. Doch gehe er von einem minderschweren Fall aus, dafür reiche eine zehnmonatige zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe als Mahnung aus. Als Bewährungsauflage solle die Täterin 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit ableisten. Und er empfahl ihr, sich einem Therapeuten anzuvertrauen.
Ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Walter Beyer, sah eine Verzweiflungstat mit fast kabarettistischer Ausführung, bei der die Strafbarkeit an der unteren Grenze liegen sollte, auch weil die Taten im Versuchsstadium geblieben wären.
Das Schöffengericht war milde gestimmt und brauchte nicht lange zur Urteilsfindung. Eine siebenmonatige Freiheitsstrafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die außerdem abzuleistenden 70 Stunden gemeinnütziger Arbeiten könnten in eine Geldstrafe umgewandelt werden, wenn sie die in Aussicht habende Arbeit antreten könne.
Amtsgerichtsdirektor Klaus Mayerhöffer begründete das Urteil. Die Taten passten nicht in das Schema eines Banküberfalls, eher in das Bild einer Verzweiflungstat, weil sie ihrer Familie keinen reinen Wein einschenken konnte und sei eher „ein Akt der Hilflosigkeit“. So habe man sie nur wegen drei Vergehen der versuchten Erpressung verurteilt. Was sie nun brauche, sei professionelle Hilfe eines Therapeuten.