Krähen werden im Ostalbkreis nicht organisiert abgeschossen

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, sagt das Sprichwort. Wohl aber der Mensch, der sie mittlerweile in Scharen vom Himmel holt. Was in vielen Teilen Deutschlands gilt, ist im Ostalbkreis kaum Thema.

Donnerstag, 26. Januar 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Beobachter fühlen sich an militärische Spezialkommandos erinnert, wenn andernorts gut getarnte Krähenjäger dem Corax mit halbautomatischen Gewehren zu Leibe rücken. Vom Krieg gegen die Krähen ist gar die Rede. Nicht hier. Aber Natur– und Tierschützer sowie die Jäger im Ostalbkreis sind sich in einem Punkt einig: Die Rabenvögel sind groß und wehrhaft – immer wieder erzählen Spaziergänger, dass sich einer von ihnen mit einem Bussard oder einem anderen Raubvogel angelegt hat. Vor allem aber sind sie klug. Richtig klug. Andreas Mooslehner vom BUND Ostwürttemberg nennt die Raben die wohl intelligentesten Vögel, die sich nicht selten Menschen merken könnten, die ihnen geschadet haben: „Sprich, sie können sich flexibel auf Jäger einstellen“. Vor diesem Hintergrund könne er sich gut vorstellen, dass Jäger aufrüsten, um Abschüsse produzieren zu können. Kreisjägermeister Martin Lang ist ebenfalls sicher: „Die kennen ihren Jäger.“ Das mache die Jagd so schwer. Ohne Sondergenehmigung dürfe allein der Revierpächter dem Vogel nachstellen – und auch nur Rabenkrähen und Dohlen; andere Arten wie der Kolkrabe seien tabu. Die einzige realistische Chance, einen zu erwischen, sieht Lang darin, die helle Haut an Händen und Gesicht zu schwärzen, dafür zu sorgen, dass der Lauf der Waffe nicht aufblitzt und nicht nur mit Lockinstrumenten den Schrei der Rabenkrähe zu imitieren, sondern auch Attrappen an einem toten Tier zu deponieren: „Das ist sehr, sehr aufwändig.“ Er kenne nicht einen passionierten Rabenjäger in der Kreisjägerschaft. Das ist wohl auch ein Grund, warum im Ostalbkreis so wenig Vögel erlegt werden. Nichtsdestotrotz können die Raben Martin Lang zufolge zum Problem werden; sie bedrohten Singvögel, schadeten der Landwirtschaft – insbesondere auf frisch eingesäten Äckern –, und für alle sichtbar seien sie stark zunehmend in Wohngebieten zu finden, wo sie sich etwa an Tagen der Biomüllabfuhr um die Lebensmittel scharten.
Einzelkämpfer tun sich also schwer. Der Rabenvogelverordnung zufolge müssen sie bis zum 15. April eines jeden Jahres die ausschließlich zur „Abwendung erheblicher Schäden“ und außerhalb geschützter Gebiete und der Brutzeit (15. März bis 15. Juli) erlegten Rabenkrähen, Corvus corone corone (unser Foto: doz), und Elstern, Pica pica, der unteren Naturschutzbehörde melden. Organisiertes Geballere vieler Jäger mit hunderten erlegter Vögel, wie es andernorts zunehmend auf Kritik stößt, ist im Ostalbkreis kaum möglich, wie sich Mooslehner freut: Das wäre nur „im Rahmen einer Vergrämungsaktion“ – ähnlich wie bei den Kormoranen – und entsprechend mit einer Sondergenehmigung erlaubt. Kleinere Aktionen habe es in den vergangenen Jahren höchst vereinzelt gegeben. Mooselehner: „Die untere Naturschutzbehörde im Kreis hat das immer restriktiv gehandhabt“; solche Anträgte müssen also immer sehr gut begründet sein.
Naturschützer hielten nicht viel von diesem Vorgehen, weder bei Krähen noch bei Kormoranen; gleichwohl werde beobachtet, dass diese Praxis immer mehr ausgeweitet und gar damit begonnen werde, Wildgänse zu schießen: „Es gibt immer mehr Ausnahmen von der Regel.“ Der Schutz von Tierarten, die eigentlich geschützt werden müssten, werde aufgebogen.
Dabei ist sich Andreas Mooslehner sicher: „Die größte Bedrohung für die Artenvielfalt ist der Mensch.“ Immer mehr würden Feldfluren ausgeräumt; das sei ein Hauptgrund dafür, dass viele Vögel auf die Siedlungsgebiete auswichen. In Wohnvierteln gebe es vielfach größere Artenvielfalt als draußen in der (Kultur-)Landschaft.