Stadt und Stadtwerke klagen gegen Bürger und verlieren: Urteil mit Signalwirkung gegen Eigenbetrieb Fernwärme Bettringen Nordwest

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Der konsequenten Haltung zweier Bürger aus Gmünds größter Wohnsiedlung Bettringen Nordwest haben die Immobilienbesitzer dort möglicherweise ein richtungsweisendes Gerichtsurteil zu verdanken. Dies sogar in letzter Instanz vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Das Gericht hinterfragte auch den Status des Eigenbetriebs Fernwärme Bettringen Nordwest.

Mittwoch, 21. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (hs). Eigentlich fing seinerzeit, wie die Rems-​Zeitung den Fall bereits von Anfang an verfolgte, alles ganz harmlos und seitens der betroffenen Bürger auch schlicht ordnungs– und heimatliebend an. Die Familie Jutta Geiger-​Preißler und Bernd Preißler erwarb in der Wohnsiedlung Bettringen Nordwest am Tauberweg eine Bungalow, um sich die berühmte Scholle fürs Leben zu gestalten. Man schrieb das Jahr 1998 als sich die Eheleute (und erfolgreiches Unternehmerehepaar) daran machte, ihre Scholle verschönern zu wollen. Mediterran planten die Preißlers eine schöne Mauer und einen kleinen Hof an der Vorderfront ihres Domizils. Noch ahnten sie nicht, dass daraus gegenüber der vermeintlich übermächtigen Stadt Gmünd daraus eine sozusagen „Klagemauer“ durch mehrere Gerichtsinstanzen werden könnte.
Bernd Preißler marschierte als ordnungsliebender Bürger damals sogar aufs Rathaus und zu den Stadtwerken, um für eines Erlaubnis zum Mauerbau nachzusuchen: Es gab bei den Behörden keine Bedenken. Und schon gar nicht ein Hinweis auf sogenannte Grunddienstbarkeiten im Zusammenhang mit einem öffentlichen Zweig der Fernwärmenetzes für Bettringen Nordwest, das dort mit einer Leitung für das 80 Grad heiße Wasser durchs Privatgrundstück verläuft.
Dann kam 2009: Ein Leitungsschaden an der verzweigten und verzwickten Nordwest-​Fernwärme. Ausgerechnet auf dem Grundstück und unterhalb der Jahre zuvor rechtmäßig erbauten Gartenmauer, Ein Vertreter der Stadtwerke gab sich bei einem einem Hausbesuch als Bevollmächtigter des Eigenbetriebs Fernwärme aus und urteilte nun plötzlich: Die Mauer stehe verbotswidrig auf der Wärmeleitung und müsse umgehend abgerissen werden, um die Sanierung durchführen zu können.
Für diese Sanierung gingen in den folgenden Monaten die Varianten und Kostenschätzungen zwischen 6000 und 30 000 Euro ziemlich deftig und konfus auseinander. Und wer soll’s bezahlen? Die Preißlers suchten — so geht aus verschiedenen Akten– und Protokollaufzeichnungen hervor — redlich das Gespräch mit der Gmünder Obrigkeit, zweimal sogar fast schon verzweifelt direkt in der Sprechstunde bei Oberbürgermeister Richard Arnold. Der richtet seinen Fingerzeig auf die Stadtwerke, obwohl — wie nun das Oberlandesgericht kritisch hinterfragte — es sich doch um einen Eigenbetrieb der Stadt Schwäbisch Gmünd handelt. Die Richter am Oberlandesgericht hatten zunächst sogar Probleme, den von den Stadtwerken ins Rennen geschickten Rechtsanwalt überhaupt zu akzeptieren. verwunderung herrschte im Gerichtssaal auch darüber, dass weder Stadtverwaltung noch Stadtwerke mit Vertretern anwesend waren, um Fragen zum historischen Konstrukt der Fernwärme Nordwest beantwortet zu bekommen.
Zurück ins Vorfeld des gerichtlichen Streits: Es kam sogar zu einem Runden Tisch mit allen Beteiligten. Die Preißlers sagten zu: Sie seien bereit für die einvernehmliche Sanierung ohne Mauerfall und für eine Umbaulösung mittels eines Bypass auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Haus für die Wärmeleitung-​Sanierung 6000 Euro beitragen zu wollen. Die Stadt Gmünd wusste diese Kompromissbereitschaft ihrer eigenen Bürger jedoch nicht zu würdigen, sondern verklagte sie. auf sofortigen Abbruch der Mauer. Zunächst sogar mit Erfolg: Vor dem Landgericht Ellwangen gab es einen Etappensieg für die Stadt. Die Preißlers und ihr rechtsanwalt Rolf Schwarz zeigten sich jedoch von der Redlichkeit ihres Tuns, ihrer Haltung und Unschuld in dieser Fernwärme-​Misere überzeugt. Und sie haben nun sozusagen als David gegen Goliath gewonnen: In letzter Instanz hat das Oberlandesgericht Stuttgart jetzt sich auf die Seite der Bürger gestellt, womit der Eigenbetrieb Fernwärme Bettringen Nordwest nicht nur die Prozesskosten in Höhe von etwa 8500 Euro (Schätzung Rechtsanwalt Schwarz) zu tragen hat, sondern auch die außergerichtlich von den Preißlers angebotenen 6000 Euro verspielt hat. Der Gmünder Rechtsanwalt Rolf Schwarz formuliert’s konkret: „Mich als Bürger würde interessieren, wer nun verantwortlich ist, warum und wer da Steuergelder so verblödet hat.“
Für Rechtsanwalt Schwarz, der sich bedingt durch den Rechtsstreit um die kleine Mauer der Preißlers nun intensiv mit der großen Materie Fernwärme Bettringen Nordwest beschäftigt hat, „tickt da eine Zeitbombe“. Er denkt hierbei nicht nur an andere Bürger, die im Zeitraum der letzten vier Jahrzehnte des Bestehens des zentralen Heizungs– und Warmwawassersystems möglicherweise gleichfalls unwissend Teile des Fernwärmenetzes überbaut haben. Vor allem betrachtet er mit Sorge, was passiert, wenn nun das damals so hochmoderne Fernwärmenetz weiter in die Jahre und in die Sanierungsbedürftigkeit kommt. Seiner Ansicht nach haben sich in den 70er-​Jahren massive Planungs– und Baufehler in die Erschließung der Wohnsiedlung Bettringen Nordwest eingeschlichen. Es sei zu vermuten, dass sehr ungeschickt zunächst das verästelte Leitungsnetz der Fernwärme verlegt und erst dann die privaten Grundstücksflächen zugeschnitten worden seien. Anders sei es kaum zu erklären, warum — im konkreten Fall Preißler — die Fernwärmeleitung nicht auf dem öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen, sondern völlig unpraktisch und kompliziert ein Meter daneben auf privatem Grund liegt. Der Jurist schließt nicht aus, dass nun durch die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht ein Urteil gesprochen wurde, das den Bürger und Hausbesitzer in Bettringen Nordwest stärke, der Stadtverwaltung Schwäbisch Gmünd jedoch noch viel Geld kosten könnte. Eigentlicher Chef des Eigenbetriebs sei auch nicht der Stadtwerke-​Geschäftsführer, sondern der Oberbürgermeister.