Jubiläum in St. Elisabeth: Wohnungslose werden zu Ratgebern

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Als am Freitag in St. Elisabeth und der Förderverein ein kleines Jubiläum feierten, wurde nicht nur das Gemälde „Waldgeister“ für die Wärmestube übergeben, sondern auch die Ausstellung „Was mich am Leben hält“ vorgestellt, in der Wohnungslose als „Experten in Sachen Lebenskrise“ Wege aufzeigen.

Samstag, 24. November 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
150 Sekunden Lesedauer

Von Birgit Trinkle
SCHWÄBISCH GMÜND. In den vergangenen 15 Jahren ist St. Elisabeth eine Institution geworden für und in Gmünd, sonst hätte nie so viel erreicht werden können. Gebündelt werden all die Hilfs– und Solidaritätsleistungen im Förderverein, der gestern ebenfalls den 15. Geburtstag feierte. Dessen Vorstand – der Vorsitzende Clemens Beil, seine Stellvertreterin Birgit Schmidt sowie Janina Boxriker und Andreas Stegmaier – benannte die Aufgaben. In den vergangenen Jahren war vor allem St. Martin Thema, das geplante Haus, in dem älteren Frauen und Männern künftig der Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit erleichtert werden soll: Ohne die 150 000 Euro, die der Förderverein beisteuert, wäre es niemals möglich, bereits im kommenden Frühjahr das Richtfest zu feiern.
Entscheidend aber ist der Alltag. An sieben Tagen in der Woche dafür zu sorgen, dass in der Begegnungsstätte St. Elisabeth ein warmes Essen auf den Tisch kommt, Mensch und Tier nach Kräften gesund zu halten, für das Notwendige zu sorgen bis hin zum Brillenkauf, darin liegt die eigentliche Herausforderung. Darüber hinaus wird für das Haus selbst von den Matratzen bis zum Kleiderschrank immer wieder Neues benötigt. Benefizveranstaltungen, vor allem aber treue Spenderinnen und Spender ermöglichen dies alles. Ihnen allen galt gestern ein herzliches Dankeschön, übrigens auch den Metzgereien Nagel und Scheffel, die all die Maultaschen für die Bewohner und die geladenen Gäste gestiftet und so dazu beigetragen haben, dass wieder etwas Geld in die Kasse floss.
Die Feier zum 15-​Jährigen begann mit einem Gottesdienst, mit dem sich Münsterpfarrer Robert Kloker wie immer viel Mühe gab, in dem er Antoine de Saint-​Exupéry bemühte, und Kraft und Mut und Zuversicht zusprach – auf Kloker kann sich St. Elisabeth stets verlassen. Anschließend wurde das Bild „Waldgeister“ der Unikom-​Künstlerin Waldtraud Pfitzer-​Stütz enthüllt, das die Wärmestube ungemein aufwertet. Das viel bemühte Wort vom Mensch, der nicht vom Brot alleine lebt: Hier wird es umgesetzt.
Von der Hühnersuppe bis
zur Kraft im Glauben
Wirklich sehenswert ist die Ausstellung, die Wolfgang Lohner zu verdanken ist – in der Caritas Ostwürttemberg für die Wohnungslosenhilfe zuständig. Unter dem Titel „Was mich am Leben hält – Wohnungslose blicken nach vorn“ zeigt er unbedingten Willen zum (Über-)Leben: „Als Experten für Lebenskrisen können sie bisweilen vorbildlich zeigen, wie man in der Praxis mit Krisensituationen klarkommen kann.“ Clemens Beil sprach hier von einem Perspektivwechsel, von „Wohnungslosen als Ratgeber“. Kraft im Glauben, Zuwendung, ein Gespräch, „einen Brüller loslassen“, gute Musik, ein Tier, selbst ehrenamtlich zu arbeiten, den Humor nicht zu verlieren und sich beschäftigt zu halten, eine Hühnersuppe, Innehalten und zur Ruhe kommen – die von Lohner Befragten haben unterschiedlichste Wege gefunden, ihre dunkelsten Stunden zu überstehen. Deutlich wird in dieser Ausstellung auch, dass es „den Wohnungslosen“ nicht gibt. Der 18– und der 80-​Jährige sind betroffen. Männer, Frauen, Paare. Einige sind erst seit einigen Tagen ohne feste Bleibe, andere seit einem halben Jahrhundert. Krankheit, Kummer, Schulden, Alkohol, alles zusammen oder etwas ganz anderes haben sie aus der Bahn geworfen – gemeinsam ist ihnen, dass sie in dieser Ausstellung nach vorne blicken. Dass sie von Ängsten erzählen und vom Mut, den es erfordert, nach dem Hinfallen wieder aufzustehen. Mit ihrem Portrait und einem Zitat sagen die Ausgewählten vor allem eines: Dass sie nicht aufgeben und ihrem Leben allen Schwierigkeiten zum Trotz eine positive Wendung geben wollen. Wolfgang Lohner muss ihnen sehr nahe gekommen sein, sonst hätten diese Aufnahmen nicht entstehen können. Kein Wunder, dass diese Ausstellung so gut ankommt.