Gleich zwei Jahrgänge begannen gestern mit der Abitur-​Prüfung

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Sie haben sich lange auf diesen Tag, auf diese Woche vorbereitet – die einen acht, die anderen neun Jahre: Gestern um 8 Uhr begannen in diesem Ausnahmejahr, in dem gleich zwei Jahrgänge die Schullaufbahn beschließen, die Abiturprüfungen 2012 mit dem Fach Deutsch.

Montag, 19. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
209 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Bis 13.30 Uhr saßen die jungen Leute an ihren Aufgaben.
136 Abiturienten widmeten sich im Parler-​Gymnasium den Aufgaben, 154 waren es am HBG und gar 166 am Scheffold-​Gymnasium, das sich „grundsätzlich über einen starken Jahrgang“ freute. Am Landesgymnasium für Hochbegabte — das von Anfang an in acht Jahren zum Abitur führte – wählten 47 Abiturienten ein Thema aus; das erst vor vier Jahren gegründete Franziskus-​Gymnasium, muss sich vorerst noch nicht mit Prüfungen beschäftigen. „Bei uns gab es keine Probleme. Alle 145 Schülerinnen und Schüler waren anwesend und die Zusammenarbeit mit der Stadt funktionierte reibungslos“, so der Schulleiter des Rosenstein-​Gymnasiums Johannes Josef Miller. Wegen des Doppeljahrgangs musste die erste Prüfung in der neuen Heubacher Sporthalle geschrieben werden; Miller freute sich über die „unkomplizierte und unbürokratische Mithilfe der betroffenen Vereine, die wegen der Abiturprüfung die ganze Woche vor der Prüfung keinen Zutritt zur Sporthalle hatten und Ausweichquartiere suchen mussten“. Dass es nicht zu nennenswerten Unterrichtsausfällen kommt, sei auch der Tatsache zu verdanken, dass sich die Zehnklässler in einem Berufspraktikum befinden, während ihre Mitschüler aus Klassenstufe 9 ein Sozialpraktikum absolvieren: Die hier freigesetzen Lehrerinnen und Lehrer können zur Abituraufsicht oder zu Vertretungsstunden eingesetzt werden.
Eine Mammutaufgabe sei’s gewesen; der Doppeljahrgang habe alle Ressourcen gefordert und sei nur im Team zu bewältigen gewesen – das war gestern der Tenor an allen Schulen. Ein Sonderfall mit 58 Abiturienten ist heuer das Gymnasium Friedrich II in Lorch, das ein Jahr vor allen anderen das achtjährige Gymnasium G8 eingeführt und somit bereits 2011 den Doppeljahrgang ins Abitur geschickt hat. 20 Schülerinnen und Schüler waren es an der Privaten Beruflichen Schule Dr. Engel; die Freie Waldorfschule meldete 14 Abiturienten. An den Beruflichen Gymnasien wird nicht jeder Absolvent im Fach Deutsch geprüft. An der kaufmännischen Schule waren es 98 von 147 Abiturienten, an der gewerbliche Schule traten 37 von 77 an, und an der Agnes-​von-​Hohenstaufen Schule machten sich 47 von 68 an die (Deutsch-)Arbeit. Heuer wählten am Berufschulzentrum wieder mehr Schüler die Englisch-​Prüfung — das verändert sich von Jahr zu Jahr, ein Trend zeichnet sich nicht ab.
Heute steht die Mathematikprüfung auf dem Stundenplan, Mittwoch Englisch, am Donnerstag Französisch und am Freitag gleich mehrere Fächer – Gemeinschaftskunde, Ethik, Wirtschaft, Geschichte, Kunst, Musik, Sport und die Naturwissenschaften. Am kommenden Montag wird Latein abgefragt, am Dienstag die Prüfung mit Spanisch und Italienisch abgeschlossen. Dann werden sich die jungen Leute aufs Mündliche vorbereiten, und darauf, Weichen zu stellen für ihren Lebensweg. „Ich hoffe, dass sie alle den Studien– und Ausbildungsplatz finden, den sie sich wünschen“, meinte gestern Parler-​Rektor Olav Stumme mit Blick auf den Doppeljahrgang; das wird nicht eben leicht, zumal ja auch Wehr– und Zivilidienst wegfallen. Wie Stumme hat auch HBG-​Schulleiter Manfred Reichert keinen Zweifel daran, dass seine Zöglinge gut vorbereitet in diese für sie so wichtige Woche gehen: „Die Themen der Deutschprüfung jedenfalls waren in Ordnung, besprochen und erarbeitet, ich bin sehr zuversichtlich.“
Themen, die weit übers
Schulwissen hinaus gehen
Seit jeher sind insbesondere die Themen der Deutschprüfung von Interesse. Zur Wahl stand gestern die Interpretation einer Textstelle aus Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“. Daran schloss sich eine Untersuchung an, in der vergleichend betrachtet werden sollte, inwieweit die Figur Alfred ILL und die Figur Josef K. in Kafkas „Der Proceß“ verantwortungsbewusst handeln. Eine gestaltende Interpretation zu Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ war weiteres Thema: Die jungen Leute gingen unter anderem von der Annahme aus, dass es einige Zeit nach der Hinrichtung Kohlhaas’ zu einer Begegnung zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und Martin Luther kam, die über das Leben und Sterben des Michael Kohlhaas sprechen. Dazu musste ein Dialog erarbeitet werden. Die literarische Erörterung griff eine These Susan Sontags aus der FAZ auf, die darüber nachdenkt, was seriöse Schriftsteller ausmacht: „Ihre Geschichten erweitern und vertiefen unser Mitgefühl. Sie bilden unsere moralische Urteilskraft aus.“ Die Schülerinnen und Schüler erörterten anhand ihrer eigenen Leseerfahrung, inwieweit sie diesem Verständnis von Literatur zustimmen können. Eine vergleichende Interpretation zu den Gedichten „Ein Beispiel von ewiger Liebe“ von Erich Kästner und „Nur nicht“ von Erich Fried stand an, ebenso die Analyse und Erörterung des Textes „Der Wettlauf gegen sich selbst“ zu Leistungsdruck und „der Demut vor unserem Limit“ von Tobias Schall in der Stuttgarter Zeitung vom 31. Dezember 2010. Alternativ dazu konnte eine gestalterische Teilaufgabe gewählt werden: Die Prüflinge gingen davon aus, dass ihre Schule einen Projekttag mit dem Titel „Menschenbilder heute“ veranstaltet und sie in diesem Rahmen eine Rede zum Thema „citius, altius, fortius?“ (schneller, höher, stärker) halten müssen.
An den Beruflichen Gymnasien konnte ebenfalls zwischen fünf Themen gewählt werden: Die ersten drei Aufgaben waren mit denen der allgemein bildenden Gymnasien identisch. Des weiteren wurde die Analyse und Erörterung des Textes „Fahr dahin“ von Christian Kortmann in der Süddeutschen Zeitung vom 13. November 2010 angeboten. Zudem das Verfassen eines Essays mit dem Titel „Werkstatt Zukunft — ‘Hinterm Horizont geht’s weiter’“