Bürgerdialog in Sachen Tunnelfilter

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Vor dem Hintergrund der Ausweisung der Umweltzone und des Verdrusses vieler Bürger angesichts der politischen und technokratischen Haltung zum Tunnelfilter-​Projekt wurde jetzt ein Bürgerdialog zum Thema in Gang gesetzt. Federführend sind das Bundesforschungsministerium und das Fraunhofer Institut.

Samstag, 24. März 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
202 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND (pm/​hs). Der Termin des ersten Tunneldialog-​Treffens ist am Freitag, 27. April, im Congress-​Centrum Stadtgarten. Weitere Informationen werden ab Anfang April auf einer speziellen Webseite www​.tun​nel​dia​log​.de bekannt gegeben.
Welche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hat die Tunnelabluft des Einhorn-​Tunnels in Schwäbisch Gmünd und welchen Nutzen brächte der Einbau eines Tunnelfilters? Lösungen hierzu soll ein Bürgerdialogprozess liefern, der in Schwäbisch Gmünd gestartet ist. Jeder Interessierte aus der Region kann sich an dem Tunneldialog mit Experten aus Technik und Verwaltung sowie der Politik beteiligen. Das Ergebnis soll im Rahmen von vier öffentlichen Veranstaltungen in sechs Monaten gemeinsam erarbeitet werden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert das neuartige Projekt als Modell zur Beteiligung der Bürger an Großprojekten.
Zahlreiche Beteiligte wirken bei diesem neuartigen Projekt mit
Große Infrastruktur-​Projekte sind oft Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen. Das liegt auch daran, dass technische und wissenschaftliche Bedingungen für die Betroffenen häufig schwer zu verstehen und nachzuvollziehen sind. Für den Gmünder-​Tunneldialog haben die beauftragten Experten eines Konsortiums um Fraunhofer einen neuen und transparenten Prozess entwickelt. Dabei einigen sich zunächst alle Beteiligte sich auf gemeinsame Grundlagen für technische Gutachten. Dadurch soll eine fundierte Basis für die Bewertung des Tunnelfilters und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen geschaffen werden.
Das Projektkonsortium, welches den Tunneldialog umsetzt, wurde von einem Gremium, bestehend aus dem Ministerium, dem Landratsamt Ostalbkreis, der Stadt Schwäbisch Gmünd und der Bürgerinitiative ProTunnelfilter ausgewählt. In den folgenden Wochen werden die Experten der IFOK GmbH — im Konsortium für den Dialogprozess zuständig — mit verschiedenen Akteuren in der Region über die Ausgangslage sprechen.
Der gesamte Prozess besteht aus vier öffentlichen Veranstaltungen. Auf dem ersten Treffen schlagen die Wissenschaftler eine Vorgehensweise der Gutachtenerstellung vor und diskutieren sie mit Experten und Bürgern. Auf den folgenden Treffen werden die Ergebnisse im Austausch mit allen Anwesenden erläutert. Während des gesamten Prozesses können neue Fragen und Anmerkungen eingebracht werden.
Der Tunneldialog wird vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen begleitet, um seine Eignung als Rollenmodell für die Zukunft zu untersuchen. Neue Formen des Bürgerdialogs sollen beispielhaft für dieses Tunnelprojekt entwickelt werden und dabei helfen, Bürger künftig frühzeitig und wissenschaftlich fundiert in ökologisch relevante Investitionsentscheidungen einzubinden. Oberbürgermeister Richard Arnold sieht in dieser deutschlandweiten Premiere einer umfassenden Bürgerbeteiligung an einer wissenschaftlichen Studie ein wichtiges politisches Signal und auch eine große Chance für den Ausbau eines offenen Bürgerdialogs auch bei Projekten in anderen Themen und auf anderen Ebenen: „Wir setzen in Schwäbisch Gmünd schon seit längerem mit großem Erfolg und positiver Resonanz ausdrücklich auf eine enge Abstimmung und auf ausführliche Gespräche und eine intensive Beteiligung der Menschen in unserer Stadt. Ich bin den Verantwortlichen im Bundesforschungsministerium und in den entsprechenden Institutionen sehr dankbar, dass wir hier in Schwäbisch Gmünd diese Chance erhalten und damit möglicherweise auch als Referenz-​Vorhaben für zahlreiche weitere ähnliche Fälle in ganz Deutschland Wegmarken und Hilfspunkte setzen können.“
Dass das Thema Bürgerdialog in Schwäbisch Gmünd nicht nur theoretisch diskutiert, sondern praktisch gelebt werde, zeige gerade auch das große und konstruktive Engagement für einen Tunnelfilter — nicht nur durch eine motivierte und umfassend informierte Bürgerinitiative, sondern auch durch die Beteiligung vieler einzelner Bürgerinnen und Bürger selbst.
Mit dem Einhorn-​Tunnel soll die Innenstadt von Schwäbisch Gmünd vom Verkehr entlastet werden. Geplant ist, dass die mit Staub und Schadgasen belastete Luft des 2,2 Kilometer langen Tunnels über einen zentralen Ausblaskamin entsorgt wird, so dass laut offizieller Prognose keine unzulässig erhöhte Immissionsbelastung für nahe gelegene Wohngebiete, die Stauferklinik, für die empfindlichen Weleda-​Heilpflanzengärten, den Erholungswald Taubental mit seinem Naturatum, das Kongress– und Urlaubszentrum Schönblick (einstmals wegen der guten Luft sogar Lungenheil-​anstalt) usw. zu erwarten ist. Anwohner und Einrichtungen befürchten dennoch gesundheitliche und ökologische Folgen steigender Immissionsbelastungen im Bereich des Kamins und schlugen den Einbau eines Tunnelfilters vor. Kritisiert wird, dass die Feinstaub– und Abgasproblematik aus dem Gmünder Talkessel lediglich sozusagen ein Stockwerk nach oben in den Bereich der nördlichen Stadtteile und Mutlangen verlagert wird.
Die Projektleitung des Tunneldialogs liegt bei Fraunhofer UMSICHT, das zudem die ingenieurwissenschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Fragestellungen bearbeitet. Die iMA Richter & Röckle wird den Bereich der Entstehung, Transport und Ausbreitung der Schadstoffe bearbeiten. Professor. Dr. Dr. H.-Erich Wichmann, ehemaliger Direktor des Instituts für Epidemiologie I am Helmholtz-​Zentrum München (Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt), bearbeitet die Aspekte der Umweltepidemiologie und Toxikologie von verkehrsbedingten Luftschadstoffen. Die Entwicklung neuer Methoden der partizipativen Bürgerbeteiligung sowie die Auswertung und wissenschaftliche Begleitung des durchgeführten Prozesses wird durch das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) geleistet. Die Analyse und Konzeption der Methodik wird gemeinsam mit der IFOK GmbH durchgeführt, die zudem für die Organisation und die Durchführung der regelmäßigen Treffen mit den lokalen Akteuren und Bürgern vor Ort verantwortlich ist.

Kontaktadresse für Anregungen und nähere Informationen: Fraunhofer-​Institut für Umwelt-​, Sicherheits– und Energietechnik UMSICHT, Dr. Esther Stahl: Telefon: 0208/​8598 – 1158, Mail: esther.​stahl@​umsicht.​fraunhofer.​de