9. Internationales Schattentheater-​Festival vom 12. bis zum 18. Oktober

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Es ist ein Festival mit Seltenheitswert – nicht allein, weil es nur alle drei Jahre stattfindet. Das Schattentheater-​Festival hat vielmehr den Anspruch, die aktuellsten Produktionen dieser Kunstgattung zu präsentieren. Vom 12. bis zum 18. Oktober findet es zum neunten Mal in Schwäbisch Gmünd statt.

Freitag, 14. September 2012
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (rw). „Es war eine Nische, die ich nicht kannte“, sagt Sybille Hirzel. Sie, von Schauspiel und Dramaturgie kommend, übernahm die Festivalleitung vor drei Jahren von Rainer Reusch. Seit 2000 war sie in der Organisation des Festivals tätig, das von der Stadt Schwäbisch Gmünd und dem Arbeitskreis Schattenspiel getragen wird. Sie beobachtete mit Freude, wie sich die Szene lebendig entwickelte, sich für andere Gattungen öffnete und das Schattenspiel viel mehr Präsenz gewann. Ähnlich wie beim Figurentheater sei eine Verschmelzung mit anderen Künsten zu beobachten – vielleicht auch ein Einfluss der performativen Strömungen in der Bildenden Kunst.
Längst ist die Formensprache nicht mehr nur zweidimensional, Schattenspieler verstecken sich nicht mehr hinter ihren Figuren. Hinzu kommt die technische Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte, mit LED-​Licht beispielsweise kann man unmittelbar agieren. Das Schattentheater gewann an Rasanz und Lebendigkeit, was seine Faszination nur noch erhöht. Das 1988 ins Leben gerufene Gmünder Festival war das erste für zeitgenössisches Schattentheater und ist alle drei Jahre das weltweit wichtigste Forum für dieses Genre. Zum neunten Festival sind Schattenspieler aus Brasilien, Bulgarien, England, Italien, Polen, Russland, Spanien und Deutschland eingeladen. Auch die Besucher sind international. Für sie ist Schwäbisch Gmünd der Fokus der Szene. Nicht allein wegen der Aufführungen. Hier tauscht man sich intensiv auf der „open stage“ aus, und hinterher geht der Gedankenaustausch im Festival-​Café im Prediger weiter.
Sybille Hirzel, Kulturbüro-​Chef Ralph Häcker und Erster Bürgermeister Joachim Bläse stellten jetzt das Programm des 9. Internationalen Schattentheater-​Festivals vor. Es wartet auf mit 35 Veranstaltungen an sechs Tagen – von kleinen, feinen Inszenierungen bis hin zu opulenten, effektvollen Produktionen. Hinzu kommen Zusatzveranstaltungen für Schulen. Nicht zu vergessen das Rahmenprogramm: begleitend finden Ausstellungen, Workshops und ein Vortrag statt.
Im künftigen Schattentheater-​Museum im Freudental baut die Sandtogether-​Gruppe eine Installation für das Zusammenspiel von Sand, Licht und Schatten auf, dort widmet sich zudem eine Ausstellung der Schattenkünstlerin Margrit Fuglsang. Zwei weitere Ausstellungen sind im Prediger zu sehen, in denen sich PH-​Studierende um den Dozenten Stanislaus Müller-​Härlin zusammenfinden. Das alte „Rad der Fortuna“ wird neu interpretiert – Loks und 150 Waggons aus dem Hause Märklin wirken mit.
Eröffnet wird das Festival am Freitag, 12. Oktober, um 20 Uhr im Kulturzentrum Prediger mit einer Inszenierung des Clube da Sombra der Compania Teatro Lumbra aus Brasilien. Im Anschluss daran ist der Johannisplatz Schauplatz für ein spektakuläres Open-​Air-​Erlebnis: Das Theater Vagantei Erhardt gestaltet Mussorgskys berühmten Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ als faszinierendes Schatten– und Lichttheater. Das Programm umspannt die ganze Vielfalt der Kunst des Schattenspiels.
Ein Schwerpunkt des an Höhepunkten reichen Programms sind Produktionen, die Werke der Weltliteratur bearbeiten: Mit Figuren und tanzenden Menschenschatten und zur großartigen Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy entfaltet das Teatro Gioco Vita (Italien) den Zauber von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“.
Basierend auf Platons „Höhlengleichnis“ inszeniert das bulgarische State Puppet Theatre eine beeindruckende bildliche Umsetzung der Ideen des griechischen Philosophen. Von Shakespeares Drama „Hamlet“ entwickelten Peter Müller (Theater Handgemenge) und Stefan Wey (Theater Erfurt) eine in ihrer Ästhetik außergewöhnliche Fassung: Mit moderner Lichttechnik wird das Schattenspiel zu einem cineastischen Theatererlebnis. Und im Theaterprojekt „Das Nathan-​Experiment“ (im Alten Schlachthof) setzen sich das Schauspiel-​Ensembles New Limes und engagierte Laien unter der Leitung von Annabella Akçal mit Lessings „Nathan der Weise“ und dessen Aktualität auseinander.
Gleich dreimal widmen sich Aufführungen dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-​Saëns: Premiere feiert Rainer Reuschs poetische Inszenierung des Stücks in der Orchesterfassung, die das Theater Sandkorn und die Philharmonie Schwäbisch Gmünd umsetzen. Und ein beeindruckendes Seh– und Hörerlebnis entsteht, wenn der Clube da Sombra der Compania Teatro Lumbra aus Sao Paolo zu dieser Musik improvisiert und Schatten, Video, Tanz, Fotografie, Poesie, Musik und Theateranimation zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzen. Mit Mr. Bunks atemberaubender Shadow-​Puppet-​Comedy und einem Fest im Prediger endet am 18. Oktober das Festival.