Demographische Probleme und Chancen bei der evangelischen Frühjahrssynode

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

„Wie erreichen wir Menschen, die offensichtlich eine wichtige Rolle spielen, an denen unser Angebot bislang aber vorbeigeht“, fragt der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Gmünd, Immanuel J.A. Nau. Um Antworten zu finden, gab es bei der Frühjahrssynode einen interessanten Vortrag.

Freitag, 19. April 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
126 Sekunden Lesedauer

Von Manfred Laduch
SCHWÄBISCH GMÜND. Der demographische Wandel hat im Evangelischen Kirchenbezirk schon vor über einem Jahrzehnt Einzug gehalten, stellte Daniel Hörsch fest, der als sozialwissenschaftlicher Referent beim „Reformzentrum für Mission in der Region“ der Evangelischen Kirche in Deutschland tätig ist. Seit 2002 nimmt nicht nur die Bevölkerungszahl in Ostwürttemberg kontinuierlich ab, sondern die Kirche verzeichnet auch einen negativen Saldo zwischen Taufen bzw. Aufnahmen zu Bestattungen bzw. Austritten.
Und dabei bewegt sich die Anzahl der Kirchenaustritte im Raum Gmünd sogar deutlich unter dem landeskirchlichen Durchschnitt. Der Mitgliederrückgang liegt also sicher nicht am lokalen Personal, sondern ist vor allem der Bevölkerungsentwicklung geschuldet.
Bundesweit stellt sich die Entwicklung weit dramatischer dar, und sie ist auch bei weitem keine rein protestantische Angelegenheit. Waren 1989 vor der Vereinigung 42,7 Prozent der Bevölkerung katholisch, 40,1 Prozent evangelisch und 17,2 Prozent konfessionslos, sind es heute nur noch 30,4% (kath.), 29,9% (evang.), während die Konfessionslosen mit 32,1 Prozent die größte Gruppe stellen.
Und es kommt für die Kirchen noch schlimmer. Den Protestanten wird bis 2040 ein Rückgang um acht auf 16 Millionen Mitglieder prognostiziert: Vier Millionen durch Tod, zwei durch Austritt und zwei durch „Taufunterlassung“.
Eben hier sieht Dekan Immanuel Nau das zentrale Handlungsfeld: „Wie vermitteln wir den Menschen, dass die Taufe für ihr Leben wichtig ist?“ Dass sie die entscheidende Frage für Erwachsene wie für Kinder darstelle. Das sei die Herausforderung, von der er noch nicht wisse, wie man ihr begegnen solle.
Einige Anhaltspunkte dafür lieferte der Vortrag von Daniel Hörsch insofern, als er den Synodalen die Bevölkerungsstruktur verdeutlichte. Habe man früher noch gelernt, dass es eine Ober-​, eine Mittel– und eine Unterschicht gebe, gehe man heute davon aus, dass sich die Menschen in 14 voneinander abgrenzbare Milieus unterteilen. Dies sei das Ergebnis von mehr als drei Jahrzehnten sozialwissenschaftlicher Forschung.
Die Angehörigen dieser Milieus unterschieden sich in den Bausteinen ihrer Lebenswelt. Das reiche von den Werten über die Freizeitinteressen, den Lebensstil, den Medienkonsum und weitere Bereiche bis hin zum Rollenverständnis. Um einige zu nennen: Das konservativ-​etablierte, das liberal-​intellektuelle, das bürgerliche und das sozialökologische Milieu, das Milieu der „Performer“, das traditionelle, das prekäre und das hedonistische Milieu.
Gut vertreten sei die evangelische Kirche dabei nur in vier Milieus: Dem konservativ-​etablierten, dem bürgerlichen, dem traditionellen und der bürgerlichen Mitte. Deutlich unterrepräsentiert sei man dagegen zum Beispiel im prekären und im hedonistischen Milieu. Aber auch dem „adaptiv-​pragmatischen“ Milieu müsse sich die Kirche zuwenden, da diese Menschen zwar einerseits von Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül geprägt seien, andererseits aber ein starkes Bedürfnis nach Verankerung und Zugehörigkeit hätten.
Der Kirchenbezirk Schwäbisch Gmünd selbst sei unter Milieugesichtspunkten traditional-​modern geprägt, erläuterte Hörsch. Schwerpunkte gebe es bei den kirchennahen Milieus, aber auch bei den kirchenfernen Hedonisten. Die Hinwendung zu den postmodernen Milieus, die bis 2025 stark zunehmen werden, markiert eine künftige Herausforderung für den Kirchenbezirk, stellt der Sozialwissenschaftler abschließend fest.