Begleitprogramm zur Hans-​Herkommer-​Ausstellung: Führung mit Bürgermeister und Pfarrer

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

In Straßdorf setzt die Pfarrkirche St. Cyriakus ein unübersehbares Zeichen. Dem Erstlingswerk des Architekten Hans Herkommer widmete sich eine auf großes Publikumsinteresse stoßende Führung mit Baubürgermeister Julius Mihm und Pfarrer Ernst-​Christof Geil.

Montag, 22. April 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
155 Sekunden Lesedauer

GMÜND-​STRASSDORF (rw). Über 50 Interessierte, darunter viele aus der großen Herkommer-​Sippe, versammelten sich am Samstagnachmittag vor dem Portal von St. Cyriakus. Im Fokus der Führung standen die Architektur und ihre liturgischen Bezüge. Wie der Vortrag des Architekturhistorikers Matthias Schirren (TU Kaiserslautern) Ende Februar in der Volkshochschule, ergänzte und vertiefte auch diese Führung die in der VHS am Münsterplatz zu sehende Ausstellung über diesen Sohn der Stadt Schwäbisch Gmünd, der vor allem als Kirchenbaumeister im 20. Jahrhundert nationalen Rang besitzt.
Man ging von außen nach innen vor, von der äußeren Erscheinung zu den erstaunlich vielfältigen liturgischen Bezügen. Julius Mihm charakterisierte Hans Herkommer (1887 – 1956) als Baumeister, der „immer an die Grenzen ging“. Mag den Betrachter St. Cyriakus heute auch traditionell anmuten – vor 100 Jahren, als die Kirche gebaut wurde, war sie revolutionär, neuartig in der Konzeption und im Material. Herkommers Weg ging von einer historisch überlieferten, symbolisch und archetypisch aufgeladenen Architektursprache hin zur technisch orientierten Moderne. Aber die Ursprünge verlor er nie ganz aus den Augen. Für Julius Mihm war dies ein Aspekt, der Herkommer in der Gegenwart wieder interessant macht, in der die gestalterische Kraft der Moderne ausgereizt ist und ihre städtebaulichen Folgen als fragwürdig erscheinen.
In Straßdorf war die alte Kirche in den 1890er-​Jahren zu klein geworden. Die neue Kirche war berechnet auf monumentale Wirkung und Steigerung: Etwas abgesetzt von der Straße erhebt sich ihre flächige Westfassade. Herkommer machte auch den Vorschlag, die Kirche mit einem neuen Pfarr– und Rathaus zu flankieren, so wäre ein Hof gebildet worden. Mit dem Boden verwurzelt erscheinend, beziehe sich St. Cyriakus auf die Offenheit der Landschaft, sei „ein Kompliment an die Landschaft“.
Mihm wies auf die Detailfülle hin, etwa die Wiederaufnahme barocker Fenstermotive von der Marienkapelle am nördlichen Ortseingang Straßdorfs, aber auch auf die Mittel der Monumentalisierung wie den sich nach oben verjüngenden Turm. Über das mächtige Dach hin zum Chor nehme die Kirche mit ihrer zunehmend bewegten Dachlandschaft dörfliche Züge an, Tribut an die Heimatschutzbewegung und die national-​kulturelle Tendenz der Entstehungszeit. Den Turm krönen Haube und quasi-​barocke Laterne, darauf ein Kreuz in Form einer Monstranz.
Kunststein und Beton, sichtbar am Sockel, sind dominierende Materialien und weisen in die Moderne. Sichtbar auch Herkommers Versuch, diesen Materialien gemäße Formen zu finden, wie überhaupt der Baumeister hier der beherrschende Gestalter war, der von der Türschnalle bis zum Deckengewölbe alles entwarf.
Im Inneren überrascht ein breiter Raum mit mächtigem Tonnengewölbe. Das Vorbild ist die römische Basilika, wie Pfarrer Geil erläuterte. Würde der Windfang am Eingang fehlen, ginge man zentral auf die Darstellung Christi als Weltenherrscher in der Apsis über dem Altar des Igginger Holzbildhauers Hans Kaiser zu. Die Wandgemälde von Alois Schenk im Altarraum verstärkten die suggestive Symbolik des „Hinaufschwebens“ in ein himmlisches Jerusalem. Die eindringliche Botschaft: Die Heiligen gingen voraus, alle Völker werden versammelt. Im Bogen der Apsis wird das Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen dargestellt; von Christus aus gesehen rechts die klugen, links die törichten. Die rechte Seite stelle den Ehrenplatz dar, erläuterte der Pfarrer. Das liturgische Bildprogramm überlässt nichts dem Zufall, alles hat darin seinen verweisenden Sinn, wie Geil in zahlreichen erhellenden Beispielen erläuterte. Wo die Bedeutungen ignoriert werden, hat es Folgen: So wechselte der Marienaltar bei der jüngsten Renovierung die Seite, die Madonna steht jetzt zur Linken des Pantokrators in der Apsis. Und seitdem schaut Maria nicht mehr zur Gemeinde im Schiff hin, sondern zum Fenster hinaus.

Die Herkommer-​Ausstellung in der VHS ist noch bis zum 29. April zu sehen, nicht wie auf den Flyern zu lesen bis zum 30. April. Ein illustrierter Kirchenführer ist in St. Cyriakus erhältlich