Naturschutz warnt vor der Rodelbahn im Taubental: Keine vollendeten Tatsachen schaffen /​Stadt sieht Möglichkeit, „Oben und Unten nachhaltig zu verbinden“

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Eine Schienenbahn im Taubental?Vertreter der Stadt, des Forsts und der Natur– und Artenschutzverbände wanderten die mit farbigen Bändern markierte Trasse am Dienstagabend ab – und diskutieren höchst kontrovers. Die RZ lässt in ihrer Donnerstag-​Ausgabe beide Seiten zu Wort kommen.

Donnerstag, 23. Mai 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Bei der Begehung haben Vertreter aus unterschiedlichsten Bereichen die ins Auge gefasste Trasse für eine Schienenbahn durch das Taubental untersucht und abgeklärt, wo mehr und wo weniger stark in die Ökologie eingegriffen würde, aber auch, welche technischen Aspekte zum Tragen kämen: So sieht die Planung vor, dass die beiden Schienen – runterrodeln und hochgezogen werden – nicht in den Boden eingegraben, sondern vielmehr „punktuell“ auf Stahlstützen errichtet werden sollen, um den Eingriff so gering wie möglich zu halten. Dieser Plan stößt grundsätzlich auf den Widerstand vieler Naturschützer. Sie sehen „den Charakter des stillen Waldtals als Naherholungsgebiet und grüne Lunge der Stadt“ bedroht. An dieser Sichtweise habe sich auch nach dem Termin mit OB Richard Arnold am Dienstag nichts geändert, sagt Walter Beck, Sprecher der Gmünder Gruppe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), im Namen des Arbeitskreises Naturschutz Ostwürttemberg, Raum Schwäbisch Gmünd (ANO). „Das Taubental ist forstlich, landschaftlich und ökologisch ein Kleinod, um das uns andere Städte beneiden“, so Beck auch mit Blick auf das Buch „Taubental und Nepperberg“ des Gmünder Naturkundevereins. „Neben einer außergewöhnlich vielfältigen Flora sind dort auch 35 Brutvogelarten nachgewiesen, die auf die Geräuschkulisse einer Rodel– oder Seilbahn zum Teil hochempfindlich reagieren“, sagt Beck. Nach der von der Stadt favorisierten Planung werde der als Waldbiotop geschützte Kernbereich um den Taubental-​Bach und seine Seitentäler an drei Stellen durchschnitten und dadurch massiv beeinträchtigt. Vor allem aber sei das Taubental eine Oase der Ruhe, die seit Generationen von Gmünder Familien zur Erholung aufgesucht werde. Durch eine Rodelbahn werde sich dieser Charakter radikal ändern: „Wer behauptet, 54 Seilbahnschlitten im Dauerbetrieb seien nur eine geringe Mehrbelastung gegenüber der bisherigen Nutzung durch Jogger und Radfahrer, macht sich etwas vor.“
OB Richard Arnold, so die Naturschützer, treibe das Projekt mit Hochdruck voran, um die Rodelbahn zur Landesgartenschau im Frühjahr 2014 eröffnen zu können; das erfülle die Naturschutzverbände mit Besorgnis. „Wir setzen unsere Hoffnungen in die Gmünder Bürgerinnen und Bürger, dass sie sich ihre Ruheoase nicht nehmen lassen, und in den Gemeinderat, dass er unseren Argumenten folgt und das Projekt stoppt.“ Werde die Planung dennoch weiterverfolgt, wolle man seitens des Naturschutzes genau auf die Einhaltung aller Verfahrensregeln achten. „Keinesfalls werden wir akzeptieren, dass Fakten geschaffen werden, die eine Entscheidung vorwegnehmen.“
Nachhaltigkeit schaffen:
„Vorteile für die Stadt“:
Markus Herrmann, Sprecher der Stadt, erklärte gestern, alle Beteiligten hätten sich ausgetauscht, Bedenken geäußert, aber auch die Vorteile einer Schienenbahn erörtert. Er ging auf die Planungen für den Landschaftspark auf der Hochfläche ein, auf die erheblich erweiterten Heilpflanzengärten, den Turm, die großen Naturteiche: „Das gibt einen wunderschönen Landschaftspark, der von den Menschen genutzt wird.“ Im Tal entstehen der große Stadtpark, der Jugendpark, die Kletterhalle. Viele Millionen würden in den gesamten Bereich investiert, und es liege auf der Hand, „Oben und Unten nachhaltig zu verbinden, auch über die Gartenschau hinaus“. Die Schienenbahn sei spannende Möglichkeit, könne Anlaufstelle und Zielpunkt werden; ganze Bevölkerungsgruppen, Jugendliche etwa, die sonst mit dem Thema weniger zu tun hätten, könnten an das Thema Wald und ans aufgewertete Naturatum mit seinen ebenfalls neu entstehenden Angeboten herangeführt werden. Grundsätzlich sieht Herrmann einen „Türöffnereffekt“ für weitere Angebote. Der Trend gehe hin zum sanften Tourismus in der Region: Die Menschen auch aus dem Großraum Stuttgart blieben verstärkt im Land, nutzten hier Freizeitangebote, kämen nicht zuletzt mit Rad oder Zug zu Familienausflug und Urlaub: Auf diesen Trend müsse reagiert werden. All das werde auf die Waagschale gelegt. Auf der anderen Seite warnten Naturschutzverbände vor einer Nutzung im Wald, den man nicht haben wolle in einem Rückzugsraum und einem Ort der Stille.
Bislang gehe es aber nur darum, alle verfügbaren Informationen zusammenzutragen. Dann erst stehe eine politische Entscheidung im Gemeinderat und im Aufsichtsrat der Landesgartenschau an – der Abwägungsprozess, ob die Schienenbahn gewollt sei. Herrmann ging auch auf Befürchtungen ein, die Stadt wolle „vorab Pflöcke einschlagen“: „Nichts liegt uns ferner.“ Aus diesem Grund sei ja die Begehung durchgeführt worden: „Wir wollen die Leute mitnehmen.“ Noch sei gar nichts beschlossen, auch nicht mit Blick auf den an diesem Projekt interessierten Investor. Herrmann: „Nein“ sagen könne man immer; aber „ja“ sagen lasse sich nur unter bestimmten Bedingungen, etwa wenn Trassenverlauf, Einstiegsmöglichkeiten, Parkplätze und viele weitere Fragen geklärt seien. „Es geht nicht um eine Vorentscheidung, nur um eine solide Basis für die Entscheidung darüber, ob wir die Bahn wollen und was uns das wert ist; ob wir ein nachhaltiges Projekt wollen oder den Wald anders nutzen.“