Peter „Pepe“ Siebeneichler – ein Künstler mit Gmünder Wurzeln erinnert sich

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Er ist Künstler, er sieht ein bisschen aus wie Johnny Depp. Er hat vieles erreicht, noch jede Menge vor, und er denkt oft an Schwäbisch Gmünd – die Stadt, in der er aufgewachsen ist und der er sich noch immer verbunden fühlt. Die RZ besuchte Peter „Pepe“ Siebeneichler in Bad Griesbach.

Dienstag, 28. Mai 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
272 Sekunden Lesedauer


SCHWÄBISCH GMÜND. Es muss nichts bedeuten, wenn sich ein Kind eine Schüssel Quark greift, um sich damit auf einer gelben Wand zu verewigen. Nicht jedem Schüler, der unentwegt malt, Daumenkinos in die Ecken der Schulbücher zeichnet oder chemische Formeln zu Cartoons umdeutet, sind statt der ADHS-​Pillen Vernissagen in die Wiege gelegt. Aber wenn so ein Bub kaum anderes im Kopf hat, als Spuren zu hinterlassen, zu gestalten, Erlebnisse und Erfahrungen und Stimmungen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mittel auszudrücken, stehen die Zeichen auf Kunst. Wie bei Pepe Siebeneichler, der derzeit an einem Brunnen aus Beton und Naturstein für St. Salvator bei Bad Griesbach arbeitet – und dabei an seine alte Heimat denkt, Gmünd. Thema der Arbeit sind lebensgroße Lausbuben. Auch etwas, das zu ihm und zu seinem Leben passt.
Nach Gmünd kam er als kleiner Bub, weil sein Adoptivvater ein Glasmann war. Klaus Siebeneichler hatte in der Nachkriegszeit als Deutscher in der CSR nur die Wahl zwischen Kohle und Glas; Glas interessierte ihn, und so wurde er ein begehrter Glasmacher, der Angebote unter anderem aus Zwiesel und Neugablonz erhielt. Gmünd bot sich freilich als Wahlheimat an; hier lebten Pepes Großeltern, und hier arbeitete der Papa dann als Pressglasmacher bei der Glashütte Breit – wo er auch mundgeblasene Stücke fertigte. Aus mütterlicher Linie wurde Pepe das Handwerk vererbt, sagt er, vor allem von Großvater Herbert Stracke, der Elektriker und Schreiner war und sich auf dem Rehnenhof auch schon mal aus einer Waschmaschine eine Tischkreissäge baute. Das künstlerische und sportliche Talent führt er auf die Linie seines leiblichen Vaters zurück.
Pepe selbst wurde 1962 in Gablonz in Nordostböhmen geboren. Kein Jahr nach seiner Einschulung im Isergebirge siedelte die Familie im April 1969 im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland um. Zunächst bezogen die Siebeneichlers eine Werkswohnung im Schindelackerweg. Auf Wunsch seiner Großtante wurde Pepe im selben Jahr von Kaplan Georg Schmid im Gmünder Münster getauft. Die Mutter arbeitete dann im Dentallabor Mayer und der Junior erinnert sich, bis 1978 „nahezu alle Schulen in Gmünd“ besucht zu haben: Klösterle-​, Rauchbein-​, Uhlandschule, Schiller-​Realschule und das Scheffold-​Gymnasium.
Gemalt, gezeichnet und modelliert hat er, seit er sich erinnern kann; seine Eltern haben das Kinderzimmer stets mit weißer Raufaser tapeziert und ihn die Wände selbst bemalen lassen. Auch Episoden wie die quarkbemalten gelben Wände oder die mit 20 Zentimeter-​Nägeln in die Wand geschlagenen Zeichnungen haben Familiengeschichte geschrieben. Mit seinem Legohaus gewann er Mitte der 70er einen Kreissparkassenpreis, etwa in dieser Zeit auch einen Malwettbewerb „beim Schlecker“. Bereits als Jugendlicher verdiente Pepe sich mit Wandbemalungen ein Taschengeld, mit Entwürfen für Vereinsembleme, mit Werbeplakaten und Portraits. Das älteste Werk, das er noch besitzt, ist ein Linolschnitt aus der Rauchbeinschule, signiert mit „ICH“; sein erstes „Kunstwerk“ verkaufte er 1974 in Schweden: „Wir waren dort im Urlaub und ich zeichnete einen Piraten.“
Seit Sommer 1969 spielte Pepe mit großer Freude und noch größeren Ambitionen bei der Normannia Fußball. 1973 zog die Familie in die Bettringer Oderstraße, nur fünf Jahre später freilich ins Allgäu nach Neugablonz. Der Abschied fiel dem Jungen furchtbar schwer, immerhin war Gmünd sein Daheim. Die Freunde zu verlieren, die Normannia, das ganze vertraute Umfeld war einfach nur furchtbar; Neugablonz hat er gehasst. Eine berufliche Laufbahn „im kaufmännischen Bereich“ dort wurde erwogen und verworfen. Die erträumte Fußball-​Erfolgsgeschichte neigte sich bald dem Ende zu, ebenso seine Rennfahrerkarriere – Bergrennen, Österreichische Rennwagenmeisterschaft, Formel Ford und Formel Renault – nach der Insolvenz des Hauptsponsors. Der Ehe, die scheiterte, verdankt Pepe seine Kinder. Und damals begann sein Kampf „mit, in und um die Kunst“. Mit Gelegenheitsjobs als Maler und Anstreicher, Detektiv, Geldbote, Zimmerer, Pflasterer, Dekorateur und anderem verdiente er sich seinen Lebensunterhalt und das Ergründen der „freien Kunst“ in Malerei und Bildhauerei. Das Studium an Akademien etwa in Wiesbaden und Salzburg – unter anderem in Professor Hannes Beiers Meisterklasse – musste er aus wirtschaftlichen Gründen immer wieder unterbrechen. Nach Jahren im Landkreis Rosenheim ist er nun mit seiner Lebensgefährtin Andrea in Bad Griesbach daheim.
„Dass Talent allein nicht reicht, um ein richtiger Künstler zu werden“, war ihm immer bewusst. Für ihn entscheidend waren drei Begegnungen. „Meine Andrea“, war die erste und wichtigste: Ihr gefielen seine Arbeiten so sehr, dass sie kurzerhand mit der Vermarktung begann, ihm Ausstellungsmöglichkeiten, Studienplätze und weitere Plattformen organisierte.
Wegbegleiter, Mentoren,
Freunde fürs Leben
Zum anderen lernte er „zwei großartige Künstler“ kennen. Da war Peppi Josef Schaden, ein Wiener Expressionist, Jahrgang 1926, der in den 70ern mit Oskar Kokoschka in Salzburg wirkte und dann in Passau lebte. Pepe wurde sein Ziehsohn, pflegte ihn später bis zu seinem Tod und lernte von ihm – unter anderem Wiener Weisheiten wie „Als Künstler, wenn tot bist, dann lebst lang“. Ebenfalls sehr wichtig wurde Bildhauer Dieter von Levetzow, Urneffe der letzten Liebschaft Goethes: „Preußischer Hochadel, eisern diszipliniert, mit Prinzipien, ein Meister seines Faches – das exakte Gegenteil von mir.“ Kontraste freilich seien zwingend in der Kunst, so lernte er später in der Kompositionslehre. Dieter von Levetzow feierte 2011 seinen 86. Geburtstag im Griesbacher Atelier, und irgendwann nachts gab es einen Modellierwettbewerb, Lehrmeister gegen Schüler; jeder modellierte aus Ton einen Akt. Während der Arbeit nörgelte der Meister stets am Modell des Schülers herum, dessen Entwicklung er an anderer Stelle in den höchsten Tönen lobte. Aus der Arbeit dieser Nacht wurden später limitierte Bronzegüsse gefertigt, die nun fast ausverkauft sind: „Wäre dieser Akt so gut geworden, wenn er mich nicht derart herausgefordert hätte?“
Als Maler und Bildhauer beschäftigt Pepe stets das Thema Mensch, das er in verschiedenen Techniken und Stilrichtungen wiedergibt. Neben expressiven Fingermalereien finden seine perspektivischen Darstellungen Beachtung, bei denen er den Betrachter zum Aufschauen zwingt: „Die Darstellungen aus der Sicht des kleinsten Individuums sind mein Ausdruck von Demut und sind Botschaft zugleich.“ Pepe Siebeneichler hatte eine ganze Reihe von Ausstellungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Liechtenstein. Er hat unter anderem fürs bayerisches Umweltministerium den „Vordenkerpreis“ geschaffen, einen Männerkopf. Für die evangelische Kirche in Griesbach hat er die Kanzel angefertigt, der Stadt Bad Griesbach eine Betonskulptur des Heiligen Florian für die Feuerwehr und für die dortige Stephanuskapelle die Neugestaltung mit Wandbemalung übernommen. KUSS (Kunst im SchloSS) ist sein jüngstes Projekt im Griesbacher Schloss mit derzeit zwölf regionalen und internationalen Künstlern.
Es war ein weiter Weg von der Quarkschüssel und der gelben Wand.

Birgit Trinkle