Klaus Rollny und Kurt Scholze stellten am Mittwoch Abend die Sammlung Osten im Unipark vor

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Wie wichtig es ist, mit Hilfe der letzten Zeitzeugen das Wissen um die Vergangenheit für die Zukunft zu sichern, wurde bei der Vorstellung der neuen Räume für die „Sammlung Osten“ immer wieder betont. Dabei würdigten Ehrengäste und Grußredner insbesondere die Leistung Klaus Rollnys.

Mittwoch, 29. Mai 2013
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Über 16 400 kamen nach dem Krieg als Fremde, um irgendwann Gmünder zu werden. Was bleibt von ihrer alten Heimat, von Vertreibung und Neuanfang wird in der Sammlung Osten zusammengetragen, die bislang im Canisiushaus untergebracht war und nun in den Universitätspark 7 umgezogen ist. Dr. Kurt Scholze, der diese Sammlung gemeinsam mit Klaus Rollny aufbaut, begrüßte gestern zur Einweihungsfeier und präsentierte stolz „was vor dem endgültigen Untergang gerettet“ wurde. 123 Regalmeter Originaldokumente und Literatur hat Klaus Rollny in ungezählten Stunden ehrenamtlicher Arbeit gesichtet und zunehmend fachkundig und computergestützt archiviert — Ikea-​Regale, Büroklammern und Plastikhüllen sind längst verschwunden. Die von nichts als Begeisterung geprägten Anfänge waren Thema, vor allem aber all die Arbeit mit und in diesem Vertriebenenarchiv, das nun Jahrzehnte, ja Jahrhunderte überdauern soll. Kurt Scholze sprach von der Aufgabe, „den Stab weiterzugeben an die nächste Generation“: „Es darf nicht sein, dass jede Generation ihre eigenen blutigen Erfahrungen macht.“ Deshalb seien die Vertriebenen auch für Europa.
Bürgermeister Joachim Bläse, dem Scholze bescheinigt hatte, maßgeblich zur Entstehung der Sammlung beigetragen zu haben, dankte seinerseits für all die geleistete Arbeit. Dass die frühere Bismarckkaserne nun für diesen Zweck genutzt werde, hätte noch vor Jahren niemand gedacht. Bläse rief in Erinnerung, was die Ankunft und Aufnahme der Vertriebenen für beide Seite bedeutete – „heute nicht mehr vorstellbar“ –, und sprach von Wohnungsnot, Versorgungsengpässen und Angst.
Mit Blick auf das Bemühen der Stadt, auch der jüngeren Geschichte gerecht zu werden, freute sich Bläse darüber, dass mit der Sammlung Osten nicht versucht werde, „das Rad zurückzudrehen“, gleichwohl aber erkannt wurde, wie wichtig das Erinnern sei. Prof. Dr. Astrid Beckmann würdigte insbesondere das „akribische Archivieren“ so vieler Dokumente, Zeitschriften und Bücher. Es gehe um Erinnerung, nicht zum Schuldzuweisungen, darum, das historische kulturelle Erbe der Vertriebenen für die Stadt nutzbar zu machen. Dass die aus dem Osten mitgebrachten kulturellen Besonderheiten – angefangen bei den Sonnwendfeiern – die Stadt bereichert haben, war am Mittwoch mehrfach Thema, ebenso „deren Fleiß und Anpassungsfähigkeit“.
Den Neuananfang tausender Vertriebener in Gmünd nur aus Sicht der Verwaltung zu dokumentieren, reicht Stadtarchivarin Dr. Barbara Hammes zufolge nicht aus: „Die amtliche Überlieferung ist einseitig und weist Lücken auf“; diese würden von der Sammlung Osten mit privaten Überlieferungen und dem von Vereinen und Organisationen Erhaltenen geschlossen. Sie betonte auch den großen Wert vieler der gesicherten Unikate und ging auf die „Erweiterung des kollektiven Gedächtnisses“ ein. Im Idealfall werde dieses Material der Öffentlichkeit noch zugänglich sein, „wenn die Wurzeln im Osten vergessen sind“; das mündliche Gedächtnis gehe nach zwei bis drei Generationen verloren.
Ingrid Hofmann, Chefin der VHS, würdigte die Gründung der Volkshochschule durch Irma Schmücker und den Beitrag der Vertriebenen, die sich von Anfang an sehr stark eingebracht und am kulturellen Leben beteiligt hätten. „Die VHS war und ist bis heuten Ort der Begegnung und Auseinandersetzung“, meinte sie dann mit Blick auf die aktuelle Geschichtswerkstatt. Klaus Rollny führte dann durchs Archiv. Er betonte, dass alles gesammelt werde, was in Zusammenhang mit den verlorenen deutschen Ostgebieten stehe. Gibt es sie noch immer, die einst vielzitierte „gläserne Wand“ zwischen Vertriebenen und „Ur-​Gmündern“? Wenn ja, so gestern die versöhnliche Erkenntnis, dann werde sie immer dünner.

Festakt in den Räumen des Kolping-​Bildungswerkes. So viele waren gekommen, dass eilends zwei Dutzend weitere Stühle organisiert wurden, bevor Kurt Scholze die Gäste begrüßen konnte.