Gedenktafel im Torhaus an der Waldstetter Brücke eingeweiht

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

„Schreiben Sie es auf, unbedingt“: Dieser Rat gilt allen, die Wurzeln im Osten haben: Wenn Nachkommen auch jetzt kein Interesse hätten, gehe doch Familiengeschichte für immer verloren. Bewahren und Erinnern – dafür stehen die AG Osten und die neue Tafel im Torhaus an der Waldstetter Brücke.

Montag, 18. August 2014
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). „Vom Dorf wo ich geboren, trieb weit mich das Geschick. Das Dorf, das ich verloren, grüßt oft im Traum mein Blick“. Für die meisten Gäste im Torhaus ist die zierliche Handarbeit aus dem Jahr 1965 an der Tür zur guten (Museums-)Stube der Siebenbürger Sachsen ein Stück verlorene Heimat. Anderen öffnet sie den Blick in eine untergegangene Welt. Eine weitere Handarbeit zeigt drei neckische schwarze Vorkriegs-​Katzen: „Sei heut noch ohne Sorgen. Wir kommen ja erst Morgen.“ Und wie die Sorgen damals kamen. Für den Kreisverband des Bundes der Vertriebenen ging gestern der Vorsitzende Oswald Lehnert auf die Torhaus-​Geschichte ein, die zuletzt 40 Jahre lang von den Vertriebenenverbänden bestimmt war. Arnold Tölg, Vorsitzender des BdV-​Landesverbands, kam zu den Montagsgesprächen ins Torhaus, aber auch, um eine Erinnerungstafel einzuweihen, die eben diese Arbeit würdigt. Die neue Tafel erinnere auch an die Ankunft der schwer gezeichneten Brünner Bürger, die 1945 „mit beispielloser Grausamkeit“ aus ihren Häusern gejagt und auf einem Marsch an die österreicherische Grenze getrieben worden seien, der als Brünner Todesmarsch in die Geschichte einging. Tölg war in der vergangenen Woche zu Gast bei der Bundesversammlung der Bruna im Gmünder Prediger und würdigte die Stadt, die hinter allen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen stehe Symbol der „Einheit von Gmünder Urgestein und Gmündern mit Wurzeln im Osten sei der Prediger als ehemaliges „Auffanglager“, war gestern mehrfach zu hören, dessen Existenz in den 60ern auf Messers Schneide stand und der nicht zuletzt Dank eines einstimmigen Votums der Vertriebenenvertreter im Gemeinderat erhalten wurde. Symbol ist längst ach das Torhaus. Und Dank des Archivs Osten ist in der Kaserne ein weiteres Wahrzeichen entstanden, ein Archiv, das Arnold Tölg gestern mitsamt den Initiatoren Dr. Kurt Scholze und Kurt Rollny in den höchsten Tönen lobte. Über 30 000 am PC erfasste und professionell archivierte Einzelposten – wie sehr er sich wünsche, ähnliches würde auch in anderen Städten und Landkreisen aufgebaut. „Ein Verbrechen bleibt ein Verbrechen, auch wenn ihm ein anderes vorausging“, so Tölg. Vor allem aber erklärte er, die Vertriebenen bekennten sich zu einer Grundsatzrede Václav Havels, verstorbener ehemaliger Präsident der Tschechischen Republik zum Thema Aussöhnung. „Ich glaube an die Macht der Wahrheit und des guten Willens als Hauptquelle unseres gegenseitigen Verständnisses“, hatte Havel gesagt. Auch an Bundespräsident Gaucks Rede 2013 an der Karlsuniversität erinnerte der BdV-​Chef gestern. Daran, dass die Geschichte der tschechisch-​deutschen Beziehungen auch eine Geschichte des Leids ist: Manchmal erscheine es wie ein Wunder, dass es möglich war, sich wieder in die Augen zu schauen, überhaupt wieder miteinander zu sprechen und den Mut zu finden, im Geiste von Verständigung und Versöhnung die Geschichte als eine gemeinsame fortzuschreiben. Arnold Tölg: „Eine friedliche und gemeinsame Zukunft ist in einem gemeinsamen Europa tatsächlich möglich geworden. Und sie bliebt Realität, wenn die großen europäischen Werte von Individualität und Freiheit, von Gerechtigkeit und Vergebung, von Wahrhaftigkeit und Friedfertigkeit gemeinsam gelebt und immer wieder wirkmächtig werden.“ Die gestickten schwarzen Katzen und all die anderen Zeugen der Vergangenheit zeigen, wie notwendig es ist, sich darüber Gedanken zu machen.