Spielende Kinder und Amphibien — im Himmelsgarten keine gute Kombination

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Nicht Fisch, nicht Fleisch. Noch nicht Fröschle, aber auch keine Kaulquappe mehr. Und alle tot: Nach jedem warmen Tag finden sich die kleinen Amphibien massenhaft am Wasserspielplatz in Wetzgau, nicht selten zertreten oder von Kindern zu Tode gespielt .

Dienstag, 09. Juni 2015
Rems-Zeitung, Redaktion
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SCHWÄBISCH GMÜND (bt). „Das Leben findet einen Weg“ ist ein Filmzitat. Eines, das hängen bleibt, weil es sich so oft bestätigt – auf dem Truppenübungsplatz und am verlassenen Güterbahnhof, an jeder Betonmauer, auf der sich an kaum wahrnehmbaren Unebenheiten Grün festsetzt. Selbst ausgewiesene Amphibienkenner waren überrascht, wie schnell der kleine Naturteich im Himmelsgarten seinem Namen alle Ehre machte. Bereits im allerersten Jahr seines Bestehens haben im Sumpfbecken des Gartenschau– „Himmelsgartens“ Frösche und Kröten gelaicht. Das ist die gute Nachricht.
Die schlechte ist der hundertfache Tod kleiner Lebewesen. Eine Spaziergängerin hat der RZ das Geschehen am Wasserspielplatz Landschaftspark Wetzgau beschrieben: „Da gibt es hunderte von Jungfröschen, mit denen die kleinen Besucher des Wassersspielplatzes spielen; manche werden mit blauen Sandkastenschaufeln beim Spielen totgeschlagen. Die Kinder fischen die kleinen Frösche raus, die Eltern schauen zu, und die kleinen Frösche vertrocknen in der Hitze.“ Ob Frösche nicht schützenswert sind, fragt die Frau, ob nicht das Gelände abgesperrt und der Froschnachwuchs in sichere Gewässer übersiedelt werden sollte.
In Deutschland sind alle europäischen Arten von Amphibien geschützt, auch Frösche. Wer sich in Wetzgau umsieht, findet aber in der Tat massenhaft tote Fröschlein. Kein Wunder bei all den Familien, die dort oben ihre freien Stunden genießen und wie zu besten Gartenschau-​Tagen den Wasserspielplatz belagern,. Durchaus nicht alle toten Froschkinder gehen auf Kosten von blauen Schäufelchen oder Kinderpatschhänden – vielfach ist das Massensterben am Teichrand einfach dem Eifer des Gefechts geschuldet. Spielen und Toben im Biotop ist nun mal keine gute Kombination. Prof. Dr. Frieder Bay, in Naturkundeverein der Amphibienexperte, meint, grundsätzlich müsse nur zugewartet werden, geduldig: Alsbald verließen die Tiere den Tümpel und verteilten sich in der Landschaft. Allein: An einem so intensiv genutzten Gewässer geht das nicht. Niemand habe damit gerechnete, dass der Tümpel von Insekten und Amphibien so schnell so gut angenommen würde – nur sein Erfolg bei den Menschen war abzusehen. Bay sieht jetzt die Stadt und namentlich das Ordnungsamt in der Pflicht. Die Naturschützer hätten bereits vor geraumer Zeit das Gespräch gesucht und darum gebeten, „dass die Kaulquappen rausgefangen und in Naturgewässer umsetzt“ würden. Naturschutz sei als öffentliche, staatliche Aufgabe in der Verfassung festgeschrieben – mit einem Amphibientunnel, so Bay, sei’s nicht getan: „Man muss weiterdenken.“
Man hat weitergedacht, sagt Stadtsprecher Markus Herrmann. Gemeinsam mit dem Baubetriebsamt seien große Teile des Froschlaichs in Sicherheit gebracht worden – „aber wir haben bei weitem nicht alles erwischt“. Das Ökosystem im Himmelsgarten habe sich sehr viel schneller als gedacht entwickelt; Tier– und Pflanzenwelt gediehen prächtig. Durch den hohen Nährstoffeintrag hätten sich die Pflanzen fast zu schnell entwickelt, so dass unter anderem bei der Bepflanzung nachjustiert werden musste: Die gesamte Anlage sei ja auch Experiment zur Wasserreinigung. Das gereinigte Oberflächenwasser finde sich im eigentlichen Wasserspielplatz, die Tiere und Pflanzen im benachbarten Tümpel. Natürlich hielten sich weder Frösche noch Kinder strikt an ihren Bereich, aber der Himmelsgarten sei auch pädagogische Einrichtung.
Es gebe Überlegungen, den Bereich anders abzuzäunen, aber ein unberührtes Stück Natur, ein Waldtümpel und Vorzeigebiotop könne im Landschaftspark nicht entstehen. Hier werde es immer Begegnungen von Mensch und Natur geben, so Herrmann. Mit Blick auf massenhaft gemeuchelten Froschnachwuchs sah er die Eltern in der Pflicht; verantwortungsvoller Umgang mit der Natur müsse erlernt werden. Denkbar sei in solchen Phasen auch ein Eingreifen der „Ranger“.