So Ebbes: Sisyphos putzt

Schwäbisch Gmünd

Symbol-Foto: Pixabay/congerdesign

„Die Welt ist ein Dreckloch“, heißt es oft, und es stimmt. Trotzdem oder gerade deswegen muss man hin und wieder die eigenen vier Wände auf Vordermann bringen. So auch die Autorin, die dabei zwischen Zen-​Philosophie und fatalistischen Weisheiten hin und her schwankt.

Mittwoch, 24. April 2024
Sarah Fleischer
76 Sekunden Lesedauer

Endlich Sonntag, endlich Zeit für eine Putz-​Orgie. Das mag unkonventionell erscheinen in einem Land, in dem einen selbst Staubsaugen am geheiligten Tag in Teufels Küche bringen kann – aber unter der Woche kommt die Autorin nicht dazu und glücklicherweise hat sie tolerante Nachbarn, die sowohl das Geräusch des Staubsaugers als auch die zu Motivationszwecken aufgelegte Musik tapfer ertragen. Es wird gesaugt, gewischt, Dusche und Waschbecken geschrubbt, die Küche auf Hochglanz gebracht, das Sofa entkrümelt und außerdem zwei Ladungen Wäsche gewaschen. Und das sogar getrennt in helle und dunkle Wäsche, die Mutter wäre stolz. Auch der Badvorleger wandert in die Maschine, der war mal wieder fällig. Nach mehreren Stunden Geschrubbe sinkt man ermattet, aber seltsam zufrieden auf’s Sofa. Der Anblick der komplett gewienerten Wohnung erfüllt einen mit einer seltsamen inneren Seligkeit, als wäre durchs Putzen die innere Balance wiederhergestellt. Das muss dieses Erwachsen-​Sein sein, von dem alle immer reden. Am Montag erfreut man sich noch während der morgendlichen Dusche am blitzenden Bad und steigt anschließend auf den frisch gewaschenen, weißen Badvorleger. Noch bevor man richtig weiß, wie einem geschieht, löst sich ein Tropfen Blut von der Nase, wie in Zeitlupe sieht man ihn fallen und – platsch – einen roten Fleck auf den weißen Stoff klecksen. Als hätte die Nase geahnt, dass das Stück Stoff da frisch gewaschen ist. Nicht, dass sie oft bluten würde. Das letzte Mal vor sieben Jahren. Auch in der Küche liegen schon wieder unerklärbare Krümel auf dem Boden. Die innere Seligkeit ist dahin und man versteht, was die eigene Mutter immer meinte, wenn sie sagte: „Putzen ist reine Sisyphos-​Arbeit!“