Naturbeobachtung, die jetzt überall in Apfelbaum-​Kulturen und Streuobstwiesen zu sehen ist

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Bei der gegenwärtig stattfindenden Apfelernte fällt an den Apfelbäumen immer wieder ein Baumpilz auf. Wiederholt kommen Fragen hierzu an den Naturkunde-​Verein Schwäbisch Gmünd.

Donnerstag, 11. November 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
107 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (pm). Dieser Pilz ist der Pelzporling (Inonotus hispidus), der auch „Zottiger Schillerporling“ heißt. Er wächst mit Vorliebe an älteren Apfelbäumen, im Ostalbkreis häufig in Streuobstwiesen. Gelegentlich kann man den Pilz auch an Walnuss, Esche oder Platane beobachten. Der Pelzporling ist ein ausgesprochen attraktiver Baumpilz. Der Fruchtkörper – so nennt man den Teil des Pilzes, der aus dem Stamm hervorkommt – erscheint im Juni/​Juli, er wächst schnell und erreicht 20 – 30 cm Breite. Die Hutoberseite ist rostrot und mit einem schönen, zottigen Pelz überzogen. Auf der Hutunterseite befinden sich die Poren, aus denen der Porling Millionen Sporen zu seiner Vermehrung ausstreut.
Gelangen solche Sporen an die verletzte Stelle eines Apfelbaumes, keimen sie dort zu einem feinen Fadengeflecht (Pilzmycel) aus, das in den Baumstamm hineinwächst. Dieses Pilzmycel ernährt sich vom nährstoffreichen Holz, indem es mit Verdauungsenzymen das Holz zersetzt. Es nützt somit nichts, wenn der Obstbauer den Baum dadurch retten will, indem er die Fruchtkörper abschlägt.
Auf dem ersten Bild sind auf der Unterseite sehr schön die Poren mit Wassertropfen zu sehen, was auf intensive Zersetzungsvorgänge im Stamm hinweist. Das Wasser hat der Pilz dem Baum entzogen. Der Pelzporling ist kurzlebig: Im Oktober/​November werden die Fruchtkörper zusehends schwarz, verbleiben wie Holzkohle bis zum folgenden Jahr am Baumstamm und zerfallen schließlich.
Zweifellos ist der Pelzporling ein Baumschädling, der im Kernholz des Apfelbaumes eine schwammige Weißfäule verursacht. Der Baum kann jedoch noch einige Jahre Früchte hervorbringen. Es stellt sich die Frage, ob es aus ökologischer Sicht sinnvoll ist, jeden vom Pilz befallenen Baum zu entfernen.
Das andere Bild veranschaulicht, dass es durchaus Nutznießer gibt: Spechte können ihre Höhlen niemals in gesunde Bäumen bauen, sondern nur in solche, die vom Pilz befallen wurden. Naturbeobachtern fällt auf, dass in Streuobstwiesen häufig verschiedenen Spechtarten anzutreffen sind. Bekanntlich nutzen auch andere Höhlenbrüter (z.B. Meisen, Gartenrotschwanz, Feldsperling, Stare , Kleiber u.a.) die verlassenen Spechthöhlen. Gerade diese Vögel sind es, die in den Obstgärten von größtem Nutzen sind.
„Bird Life Internanational“ nennt Streuobstwiesen „Important Bird Areas“ (wichtige Vogelschutzgebiete). Hornissen, Wespen, Bienen u.a. holen aus dem Weichholz ihr Baumaterial oder bauen hier ihre Nester. Auch Kleinsäuger benutzen die verlassenen Spechthöhlen.
Man schätzt, dass in alten Streuobstwiesen 2000 bis 5000 Tier– und Pflanzenarten leben. Diese Beispiele zeigen allen Interessierten, welche wichtige Bedeutung allein der Pelzporling für die Artenvielfalt hat. Die eingangs gestellte Frage „Wem nützt der Pelzporling?“ kann für unsere hiesigen Obstbauern eine Entscheidungshilfe sein, einen älteren, vom Pilz befallenen Apfelbaum noch einige Jahre stehen zu lassen.