Welt-​Aids-​Tag: Anzahl der HIV-​Neuinfektionen in Baden-​Württemberg erneut gestiegen

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Die Zahl derer, die sich mit dem HI-​Virus infizieren, steigt in Baden-​Württemberg und in Gmünd. Neu ist offenbar, dass immer mehr ältere und alte Menschen betroffen sind — anscheinend gibt es nicht wenige, die gar nicht auf den Gedanken kommen, gefährdet zu sein.

Donnerstag, 02. Dezember 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
203 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND /​OSTALBKREIS (bt/​pm). Die Zeit um den Welt-​Aids-​Tag am 1. Dezember ist für die Aids-​Hilfe Schwäbisch Gmünd alle Jahre wieder anstrengend: In zweieinhalb Landkreisen gibt es dann besonders viele Präventionsveranstaltungen. Am Samstag wurde wieder zum Kuchenverkauf eingeladen, und bis zum 10. Dezember sind der AH-​Vorsitzende Joschi Moser und seine Mitstreiter ständig auf Achse.
„Im Gegensatz zum bundesweiten Trend hat sich die Anzahl der Menschen, die sich in Baden-​Württemberg in diesem Jahr mit HIV infiziert haben drastisch gesteigert,“ stellt Ralf Fuhrmann, Vorstand der Aids-​Hilfe Baden-​Württemberg fest. Nach den Veröffentlichungen des Robert-​Koch-​Institute steigt die Anzahl im Jahr 2010 um über 20 Prozent (60 Personen) auf insgesamt 330, davon 290 Männer und 40 Frauen. Insgesamt leben nun geschätzte 7800 Menschen mit HIV in Baden-​Württemberg. Dank der guten Medikamente konnte die Zahl der neu gemeldeten Aids-​Fällen von 100 in 2009 auf 70 gesenkt werden. Ca. 50 Personen starben an den Folgen der Erkrankung.
„Der Baden-​Württemberg-​Trend lässt sich auch in Gmünd feststellen“, sagt Joschi Moser: Es gebe wieder mehr Neuinfizierte. Zudem seien immer mehr Ältere seien betroffen. Menschen im Rentenalter, die keine Schwangerschaft fürchten müssten und sich in Sicherheit wähnten, begründeten diesen Negativ-​Trend.
In Baden-​Württemberg sind weiterhin Männer, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, mit großem Abstand die meistgefährdete Gruppe, die mit ca. 220 die höchste Anzahl der Neuinfektionen aufweist. Joschi Moser hingegen erklärt, dies gelte insbesondere für die Großstädte. Im Gmünder Raum erfolgten die meisten Infektionen über heterosexuellen Geschlechtsverkehr.
„Wir müssen unsere erfolgreiche Präventionsarbeit weiter ausbauen“ so die Aids-​Hilfen im Land, mit Blick auf die jüngsten Zahlen: „Aber dazu benötigen wir eine weitaus höhere öffentliche Unterstützung – sowohl auf Landesebene, als auch regional.“
„Hierzulande lässt die
Wachsamkeit nach“
Die weltweite HIV-​Epidemie verläuft mit erschreckender Dynamik. 2001 lebten 29 Millionen Menschen mit HIV und AIDS, 2007 waren es bereits 33 Millionen. Anlässlich des gestrigen Welt-​Aids-​Tage auch das Gesundheitsdezernat des Ostalbkreises über aktuelle Entwicklungen.
Angesichts der dramatischen Lage in anderen Regionen der Welt gerät die HIV-​Situation der westeuropäischen Länder in der öffentlichen Wahrnehmung oft stark in den Hintergrund. Doch in Europa ist das Aids-​Problem keineswegs gelöst. In Deutschland sind die Zahlen zu Aids relativ günstig, doch Wachsamkeit und Schutzverhalten in der Bevölkerung lassen nach. „Etwa 67 000 Menschen in Deutschland lebten Ende 2009 mit HIV — viele davon ‘versteckt’, denn sie trauen sich aus Angst vor Diskriminierung nicht, von ihrer Infektion zu erzählen“, weiß Gesundheitsdezernent Dr. Klaus Walter. Etwa drei Viertel der Infizierten sind Männer; 90 Prozent der HIV-​Infektionen werden sexuell übertragen.
Kaum eine Krankheit ist so eng mit Tabuthemen verknüpft wie eine HIV-​Infektion und Aids. Bei HIV kommen Ängste hinzu, die bei anderen Krankheiten oder Infektionen keine Rolle spielen würden. Dazu gehörten, so Walter, Diskriminierung wegen vermuteter oder wahrscheinlicher Zugehörigkeit zu einer sozialen Randgruppe, Ängste vor allzu intimen Fragen oder das Gefühl, sich rechtfertigen oder gegen Schuldzuweisungen wehren zu müssen. Wegen des immensen medizinischen Fortschritts leben viele betroffene Menschen in Deutschland über Jahrzehnte mit HIV quasi als chronischer Krankheit. Die Angst vor Diskriminierung aufgrund eines positiven HIV-​Status ist weit verbreitet. Walter: „Immer weniger Menschen sprechen offen über ihre Infektion. So verschwindet HIV zunehmend aus der öffentlichen wie auch der privaten Wahrnehmung . Dabei kann HIV jeden treffen, auch wenn nicht jeder gleich stark gefährdet ist.“
Die Förderung eines solidarischen gesellschaftlichen Klimas und der Kampf gegen Diskriminierung und Stigmatisierung sind von zentraler Bedeutung für die Aids-​Prävention. Man weiß: Menschen, die diskriminiert werden und wenig Selbstwertgefühl haben, schützen sich und andere weniger oder gar nicht. Nicht etwa weil sie es nicht können, sondern weil ihnen Kraft, Antrieb und Mut fehlen. Daher sind die wirksamsten und wichtigsten Instrumente bei der Bekämpfung von HIV nach wie vor Aufklärung, Schutz und Solidarität.
Der Welt-​AIDS-​Tag erinnert daran, dass jeder und jede etwas tun kann, damit Menschen mit und ohne HIV-​Infektion positiv zusammen leben können. Das Ziel der Kampagne „Positiv zusammen leben. Aber sicher!“ ist es, Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen und eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung über HIV in unserer Gesellschaft zu initiieren. Antidiskriminierung, Solidarität und Aufklärung stehen dabei im Mittelpunkt. HIV-​positive Menschen werben für Respekt und Unterstützung. Nach repräsentativen Untersuchungen weiß die Bevölkerung zum Thema Aids über Gefahren und Schutz in den wichtigsten Aspekten meist gut Bescheid, auch wenn das Detailwissen lückenhaft ist. Das Interesse an weiteren Informationen ist groß.

Rat, Hilfe und Unterstützung gibt’s bei der Aids-​Hilfe Schwäbisch Gmünd, Tel. 0 71 71 1 94 11. Der Geschäftsbereich Gesundheit im Ostalbkreis bietet in seiner speziellen Aids-​Sprechstunde Informationen und Beratung zum Thema HIV/​AIDS und die Möglichkeit eines anonymen und kostenlosen Aids-​Testes. Sprechzeiten im Landratsamt in Aalen sind mittwochs von 14 bis 16 Uhr, in Schwäbisch Gmünd dienstags von 14 bis 16 Uhr. Telefon 0 73 61/​5 03 – 11 20 oder 0 71 71/​3 21 42.