Kosten für Kinderbetreuung im Ganztages– und U3-​Bereich Thema im Verwaltungsausschuss

Schwäbisch Gmünd

Rems-Zeitung

Sebastian Fritz (Linke) will Besserverdienende stärker belasten. Alle anderen Fraktionen aber signalisierten Zustimmung zum Vorschlag der Verwaltung, wie künftig in Gmünd Kinderbetreuung finanziert werden soll: Das belastet zwar den Haushalt, ist aber deutliches Signal an Familien und Unternehmen.

Donnerstag, 10. Juni 2010
Rems-Zeitung, Redaktion
183 Sekunden Lesedauer

SCHWÄBISCH GMÜND (bt). Zunächst einmal wird der Gemeinderat in der nächsten Sitzung aller Voraussicht nach beschließen, wie bereits angedacht, 2010/​11 die Kosten für Ganztages-​, und Kleinkindbetreuung nicht zu erhöhen. Das soll Familienfreundlichkeit signalisieren und ein Bekenntnis sein zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es bedeutet freilich auch, dass die Stadt rund 181 000 Euro weniger einnimmt.
Einhelliges Lob gab’s für die Arbeit, die sich die Stadtverwaltung gemacht hatte, als es darum ging, einkommensabhängige Gebührenmodelle zu prüfen. Bürgermeister Dr. Joachim Bläse und Thilo Störzer, für die Kindertagessstätten zuständig, erläuterten, warum die Verwaltung keines dieser Modelle empfiehlt: Wenn nach Einkommen kassiert werde und die Verwaltung alle Fälle durchgehe, müssten mindestens 100 000 Euro in die Prüfung der Angaben, sprich in die Verwaltung investiert werden — Geld, das nach Bläses Ansicht bei den Familien besser aufgehoben ist. Zudem sieht der Erste Bürgermeister die große Gefahr des „Armrechnens durch gute Steuerberater“ und eines „familienpolitisch katastrophalen Signals“. Am Beispiel einiger Städte, die nach Einkommen staffeln, zeigte Störzer auf, dass die Gebührenschere dort sehr weit auseinandergeht — in Geislingen bewegen sich Elternbeiträge zwischen 206 und 478 Euro -, und dass es generell sehr schwierig sei, Einkommensgrenzen festzulegen. Bläse zufolge muss die Stadt zeigen, dass sie das Thema Familienfreundlichkeit ernst nimmt; qualifizierte Frauen würden im Arbeitsprozess dringend benötigt. Für ihn das benötigte positive Signal: Alle Eltern zahlen den Regelbeitrag; auf Antrag und bei Einreichung verschiedener Unterlagen können Familien „im Graubereich“ gefördert werden, deren Einkommen bis zu 200 Euro über der Fördergrenze des Kreisjugendamtes liegen. Die Rede ist von 60 Euro pro Familie; bei geschätzten 200 Familien würde das 2010/​11 12 000 Euro kosten.
Die Stadt hat noch anderes vor; neben dem „Gmünder Modell“, das Familien mit mehreren Kindern unterstützt, will sie ein „1 Euro-​Essen“ in der Ganztagesbetreuung für Kinder aus Hartz IV-​Familien einführen, zudem wird mit bereits zugesagter Unterstützung aus der Wirtschaft ein Familienfonds eingerichtet. Bläse zufolge sind die gestern diskutierten Gebühren weniger soziales Thema: In erster Linie gehe es um Bildungsgerechtigkeit. Für die Schwächsten sei Dank der Wirtschaftlichen Jugendhilfe des Landkreises gesorgt. Er meinte freilich auch, wer Finanzverantwortung trage, müsse wissen, um welche Zahlen es geht: Ein Krippenplatz über sechs Stunden täglich koste 10 500 Euro, ein Ganztagesplatz entsprechend mehr; allein die Gemeinderatsentscheidung über neue U3-​Plätze (unter drei Jahre) schlage mit knapp einer Million zu Buche.
Fachkräftemangel beheben oder
„Starke Schultern tragen mehr“?
Christa Rösch (CDU) erklärte, die gute Arbeit der Verwaltung zeige, wie personalintensiv die einkommensabhängigen Gebührenmodelle seien. Der vorliegende, gemeinsam mit dem Gesamtelternbeirat erarbeitete Vorschlag, einen Regelbeitrag zu erheben, der auf Antrag ermäßigt werden könne, stoße größtenteils auf Zustimmung. Rösch: „Gmünd ist mehr als kinderfreundlich“. Sie verwies freilich auch auf die finanziellen Folgen: „Das ist viel Geld, das in vielen Bereichen benötigt wird“. Mit dem Verwaltungsvorschlag werde man leben können, es gebe aber sicherlich noch Diskussionsbedarf.
Auch wenn es um Gebühren ging: Sigrid Heusel (SPD) fand es befremdlich, dass dieses Thema nicht im Sozialausschuss oder zumindest in beiden Ausschüssen vorberaten wurde. Sie freute sich, dass vieles erreicht wurde für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: „Die demographische Entwicklung lässt uns keinen Spielraum, wir müssen junge Familien fördern“. Grundsätzlich sei die Staffelung nach Einkommen begrüßenswert – „starke Schultern tragen mehr“ –, doch die Argumente der Verwaltung seien bis auf das Problem des durch Datenschutzbestimmungen schwierigen Datenabgleichs nachvollziehbar. 60 Euro pro Familie sei freilich wenig, „ein Nasenwasser“; etwas mehr dürfe es schon sein. Insgesamt sei das Geld gut angelegt in die Zukunft der Stadt; die 100 000 Euro eingesparte Verwaltungskosten hätte sie gerne als Grundstock für den Familienfonds gesehen.
Auch Brigitte Abele (Grüne) stimmte zu; sie würde sich für Gebührenfreiheit aussprechen, doch die Haushaltslage rücke das in weite Ferne. Konrad Widmann (FDP/​FW) folgte dem Antrag unter anderem, weil Geld in Familien statt in Bürokratie fließen soll: „So wenig Staat wie möglich“ sei liberaler Grundsatz.
Sebastian Fritz (Die Linke) war gar nicht glücklich: Es gebe jetzt die Chance, einen neuen Weg zu gehen. Im Landesdurchschnitt liege Gmünd immer noch im oberen Drittel der Beiträge, und bei der von den Linken vorgeschlagenen moderaten Anhebung der Gewerbesteuer wäre „das Thema vom Tisch“. Auch Hans-​Jürgen Westhauser (SPD) äußerte Bedenken: Geringverdiener müssten in weit größerem Maß gefördert werden.