Dr. Tobias: Zahnarzt-​Besuch im Seniorenheim

Schwäbisch Gmünd

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Viele Menschen ängstigen sich vor dem Zahnarzt. Bei betagten und behinderten Menschen ist das oft anders. Sie freuen sich über Dr. Jürgen Tobias aus Straßdorf. Er besucht sie zu Hause und im Pflegeheim – eine Dienstleistung, die in einer alternden Gesellschaft immer wichtiger wird. Das Schwätzchen nebenbei dauert dabei manchmal länger als die Behandlung.

Sonntag, 21. April 2024
Thorsten Vaas
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Bohrer, Spiegel, Spritze hat er sich unter den Arm geklemmt, einmal klopfen, eintreten. Marianne Schmied (Name geändert) freut sich. Und wie. Sie lacht, so sehr, dass Dr. Jürgen Tobias selbst lachen muss. Er stellt die Box mit dem Werkzeug ab, Smalltalk. „Wie geht’s?“, fragt er die Seniorin, sie grinst. „Ganz gut“, man merkt’s. 89 Jahre ist sie alt, eine Frohnatur, wenn sie lacht, dann so herzlich, wie es sonst bloß Kinder können. An den Wänden ihres Zimmers im Gmünder Pflegeheim Schönblick hängen Hochzeitsfotos, Bilder von den Liebsten, auf dem Tisch ein Teller Apfelschnitze, gegenüber ein Bogen Briefmarken, sie muss noch einige Karten schreiben. „Früher hab’ ich das abends gemacht, aber heute bin ich abends saumüde“, sagt sie übers Schreiben, tagsüber sei einfach viel Trubel. Das strengt an. „Und was machen die Zähne?“, will Dr. Tobias wissen, er zieht sich Handschuhe über und kramt einen kleinen Spiegel aus der Werkzeugbox. „Denen geht’s gut“, sagt Schmied, klopft die Hände auf die Oberschenkel. Dann wieder ihr Lachen. Viele andere wären weniger begeistert, wenn Dr. Tobias vorbeischaut. Wer freut sich schon über den Zahnarzt?
„Normalerweise wenige“, antwortet er, hier im Pflegeheim aber ist es anders. Patientinnen und Patienten sind froh, wenn Dr. Tobias nach dem Rechten sieht. Er besucht sie regelmäßig, für viele ältere Menschen wäre der Weg in seine Praxis Am Bahndamm in Straßdorf zu schwierig. Seit mehr als 17 Jahren nimmt sich der Zahnarzt Zeit für wöchentliche Haus– und Heimbesuche. Das ist selten in seinem Berufsstand, es ist zeitaufwändig. Für den 63-​Jährigen gehört es aber dazu, ihm liegt was an den Menschen in Heimen, an ihrer Mundgesundheit. „Manche können sich ja nicht mehr selbst artikulieren“ und sagen, wo das Problem liegt. Karies breitet sich dann aus, die Schmerzen. Tobias will das vermeiden. Prävention ist wichtig, „nachschauen, wie der Zustand insgesamt ist“. Vorsorgen, statt versorgen. Manchmal dauert das Schwätzchen bei solchen Besuchen länger als die Behandlung selbst. Er macht das gern, viele seiner Kolleginnen und Kollegen dagegen würden solche Visiten meiden, sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende der Zahnärzteschaft. Dabei werden Besuche in Heimen immer wichtiger. Deutschlands Gesellschaft altert, wird pflegebedürftig, die Zahnpflege betagter und behinderter Menschen leidet. Wie man mit ihnen umgeht, wird im Zahnmedizinstudium bis heute allerdings „nicht vollumfänglich vermittelt“.

Wie man damit umgeht, welche Strategien es gibt, das lesen Sie am Montag in der Rems-​Zeitung.